Zwar hat Covid-19 viel von seinem Schrecken verloren, aber noch immer gibt es schwere Verläufe, die für einzelne Menschen lebensgefährlich sind. Besonders für Patientinnen und Patienten mit erhöhtem Risiko braucht es Medikamente. Doch die neue Omikron-Variante, genannt BA.2, macht die Behandlung schwierig. Sie entzieht sich den sogenannten monoklonalen Antikörpern, dank denen schwere Verläufe bislang deutlich seltener vorkamen.
Die Behandlung erster Wahl gegen Omikron war bislang das Antikörper-Medikament Sotrovimab. Wurde es frühzeitig verabreicht, konnte es das Risiko für schwere Verläufe massiv senken. Doch Alexandra Calmy, Co-Mitglied der nationalen Taskforce und Professorin für Infektiologie an den Universitätsspitälern Genf, sagt: «In mehreren Laborstudien hat sich Sotrovimab in der aktuell empfohlenen Dosierung als weniger oder gar nicht wirksam gegen die Omikron BA.2 erwiesen.»
Viel Beachtung kriegte eine Studie, die Anfang Monat im renommierten Wissenschaftsmagazin «Nature» erschienen ist. In den Versuchen war Omikron BA.2 gegen 17 von 19 getesteten Antikörpern resistent. Nur ein Präparat wirkte gegen alle Untervariante von Omikron: Bebtelovimab, das in den USA Mitte Februar eine Notfallzulassung erhielt. «Wenn ich die Wahl hätte, würde ich mit Bebtelovimab arbeiten», sagt Alexandra Calmy. «Aber das Medikament ist bisher nirgends in Europa verfügbar. Es besteht die Gefahr, dass es in der Schweiz erst zugelassen wird, wenn eine neue Virusvariante da ist, gegen die es möglicherweise nicht mehr wirkt.»
Die neue Mutation Omikron BA.2 ist aber bereits jetzt da und verdrängt die ursprüngliche Omikron-Variante. Welche alternativen Behandlungen sinnvoll sind, wird derzeit unter Infektiologinnen und Infektiologen diskutiert, auch in der Taskforce. «Das Virus verändert sich schnell, und wir müssen entsprechend schnell reagieren», sagt Alexandra Calmy. Noch liegen keine offiziellen Empfehlungen vor, aber sie sieht nebst Bebtelovimab drei mögliche Optionen.
Die erste ist Remdesivir, ein antivirales Medikament, das bereits Donald Trump bei seiner Covid-Erkrankung im Jahr 2020 erhalten hatte. Nach aktuellem Wissensstand wirkt es auch gegen Omikron BA.2. Aber es hat zwei Nachteile: Erstens muss es an drei Tagen in Folge intravenös verabreicht werden, was logistisch aufwendig ist. Zweitens ist es zwar von der Heilmittelbehörde Swissmedic befristet zugelassen - aber nur bei Patientinnen und Patienten, die mit Sauerstoff versorgt werden. Um die monoklonalen Antikörper zu ersetzen, müsste es stattdessen in einer frühen Phase der Erkrankung, wenige Tage nach Symptombeginn, verabreicht werden. Ohne die entsprechende Zulassung ist unklar, ob die Krankenkassen die Kosten übernehmen.
Auch Sotrovimab, das bereits zugelassene Medikament mit den monoklonalen Antikörpern, ist noch nicht abgeschrieben. «Theoretisch könnte eine höhere Dosis besser wirken», sagt Alexandra Calmy. Wissenschaftliche Studien dazu gibt es noch nicht, sie werden aber bald erwartet. In den USA wurde bereits bei einem anderen Antikörpermedikament die Dosierung erhöht, um die Wirksamkeit gegen Omikron zu verbessern. Und bei Ronapreve, das auch in der Schweiz zugelassen ist, wurden in Spitälern bis zu acht Gramm verabreicht, ohne dass wegen der hohen Dosis Probleme auftauchten.
Die dritte Option wären oral verabreichte antivirale Medikamente, also Pillen, die geschluckt werden. Besonders zwei stehen im Gespräch: Paxlovid und Molnupiravir. Bei beiden wurde ein Gesuch um Zulassung in der Schweiz eingereicht, sie sind derzeit bei Swissmedic in Begutachtung. Paxlovid darf bereits jetzt, während des laufenden Prüfverfahrens, angewendet werden, es ist in der Covid-Verordnung aufgelistet. Dabei ist aber wegen möglicher Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten Vorsicht geboten. Das Bundesamt für Gesundheit steht «im Gespräch mit Pfizer bezüglich einer möglichen Anwendung von Paxlovid in der Pandemiebekämpfung in der Schweiz», wie es auf Anfrage dieser Zeitung heisst. Molnupiravir hingegen darf noch nicht eingesetzt werden, wird jedoch seit Anfang März von der Weltgesundheitsorganisation empfohlen.
Für die Zukunft hofft Alexandra Calmy aber auch auf monoklonale Antikörper mit einem breiteren Wirkungsspektrum, denen die Viren nicht so schnell entkommen wie bisher. Bereits jetzt bedeutet eine neue Virusvariante nicht immer, dass ein Antikörper seine Wirkung verliert. Das Antikörper-Medikament Ronapreve wirkte zum Beispiel ausgezeichnet gegen die Delta-Variante, obwohl es noch vor deren Aufkommen entwickelt worden war. (aargauerzeitung.ch)