Was haben die watson-Redakteure erlebt? Wie ist es ihnen ergangen? Das Fazit der fünf Stille-Tester:
Ich habe vor einigen Jahren einen Artikel über einen stillen Raum gelesen. Dort höre man sein eigenes Blut rauschen, die Verdauung im Magen – einfach Dinge, die bei normaler Lautstärke untergehen. Niemand halte es lange darin aus, erinnerte ich mich. Wenn die EMPA nun so gut ist und mir die Tür zu seinem Erlebnis öffnet, wer bin ich dann, nein zu sagen? Leider hat mich inzwischen die Realität eingeholt. Ich habe besagten, nein, beschriebenen Artikel gesucht, gefunden – und gemerkt, dass ich Äpfel mit Birnen verglichen habe. Tatsächlich dreht sich die Geschichte um den wohl stillsten Raum der Welt, der im US-Bundesstaat Minnesota steht und wo minus neun Dezibel erreicht werden. In Dübendorf in der heimeligen Schweiz kommt man gerade mal so auf knapp null Dezibel. Da konnte ich quasi nur noch enttäuscht werden – aber das Klassenreisli mit den Kollegen hat dennoch ein bisschen Spass gemacht.
Raum der Stille. Hört sich an wie ein Andachtszimmer in der Kirche, ist aber tatsächlich der stillste Raum der Schweiz. Angenommen hab ich, dass man gar nichts mehr hört. Und durch die erdrückende Stille durchdreht. Nichts da. Der Raum ist hauptsächlich eines: langweilig. Nicht aufgrund der technischen Begebenheiten. Der Klang im Raum ist recht cool, es fühlt sich wie im Tonstudio an – einfach mal 100. Die Stimme klingt etwas schlaff, Geräusche von aussen gibt es keine. Allerdings gewöhnt man sich relativ schnell an die Umgebung. Das einzig ungewöhnliche: Man muss sich plötzlich mit sich selber beschäftigen. Was macht man in einem Raum, ohne Fenster, abgekapselt von der Umwelt? Nichts. Und das muss man erst aushalten können.
Es ist ganz einfach: Ich hasse Lärm. Weil er 24 Stunden lang da ist: Baustelle vor meinem Schlafzimmerfenster, Grossraumbüro, Baustellen rund ums Grossraumbüro, Besoffene vor meinem Schlafzimmerfenster, Mensch, der jede Nacht bis 6 Uhr früh bei offenem Fenster Fernsehen schaut, Stadt halt. Ich liebe die Stadt. Aber ihr Lärm macht manchmal mürbe. Müde. Schlaflos. Egal. Jetzt also ab in den Raum der Stille. Klingt nach Kirche. Sieht dann aber zum Glück ganz nüchtern aus, wie ein turnmatten-blau ausgekleideter Luftschutzkeller. Ich versprech' mir Schock. Quasi tot umfallen vor lauter Anderssein. Und Horror: Man höre da seine eigene Lunge, sein Herz und sein Blut, hab ich gelesen. Will ich nicht. Wenn schon Stille, dann still. Was dann passiert: nichts. Es ist halt still, aber nicht gerade weltraumstill. Genau so möchte ich es ein paar Stunden am Tag gerne haben. Am liebsten nachts. Gern auch im Büro. Eigentlich immer. Gibt’s aber bloss ohne Menschen, Fenster, Vögel, Vögeln, Alkohol, Leben, Stadt. Also nach dem Tod. Also nicht.
Es ist leise im stillen Raum. Selbstverständlich. Und das ist komisch. Klatschen, Rumlaufen, Schnipsen – die Geräusche sind da, aber sie werden vom Raum verschluckt. Warum hallt es nicht? Das Pfeifen in meinem Ohr ist laut, viel lauter als sonst. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass ich gerade an einem Festival war. Trotzdem ist der Raum irgendwie entspannend, gar nicht mal so speziell.
Wir waren zuerst alle zusammen kurz im Raum – noch mit offener Türe. Das Rumstehen dort drin empfand ich zunächst als beängstigend und erdrückend. Doch sobald ich alleine in dem Raum war, ging es. Ich weiss nicht, ob es daran lag, dass die anderen draussen standen, also nah waren, oder daran, dass ich jederzeit einfach die Türe hätte aufmachen und rausgehen können. Aber ich habe es lang ausgehalten – und weiss, dass ich, wäre ein bequemes Sofa dringestanden, noch ewig hätte bleiben können. Bis das Licht ausgegangen wäre. Spätestens dann wär' ich wohl in Panik ausgebrochen.