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Badi Letzigraben glich einem Schlachtfeld – so sieht sie heute aus

Daniel Wäfler von «Grün Stadt Zürich» steht vor neu gepflanzten Bäumen im Freibad Letzigraben.
Daniel Wäfler von «Grün Stadt Zürich» steht vor neu gepflanzten Bäumen im Freibad Letzigraben.bild: watson

Das traurige Jahr des «Max-Frisch-Bads» – und wie es heute aussieht

Am 1. Mai startet im Zürcher Freibad Letzigraben die Badesaison. Das vergangene Jahr war aufgrund extremer Wetterereignisse turbulent. Erst jetzt wurden die letzten Schäden behoben.
01.05.2022, 10:2802.05.2022, 15:47
Corsin Manser
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In der Nacht auf den 13. Juli werden viele Zürcherinnen und Zürcher jäh aus dem Schlaf gerissen. Sturm «Bernd» rüttelt an den Fensterläden, lässt lose Gegenstände durch die Luft wirbeln und bringt Bäume bedrohlich ins Wanken. Dazu kommen lautes Donnergrollen und Blitze im Sekundentakt. Es spielen sich Szenen ab, die sich sonst eher in den Tropen als im meteorologisch gemässigten Zürich ereignen.

«Bernd» zieht eine Schneise der Verwüstung durch die Stadt. An gewissen Orten ist der Schaden immens. Am meisten betroffen sind die Gebiete Friesenberg, Albisrieden, Altstetten, Höngg, Käferberg und Schwamendingen. Grünanlagen und Gärten werden verwüstet, Dächer und Fassaden beschädigt und in einigen Waldgebieten knicken fast sämtliche Bäume um.

Freibad Letzigraben gleicht einem «Schlachtfeld»

Am Morgen danach fährt Daniel Wäfler in das Freibad Letzigraben, welches vom Schriftsteller und Architekten Max Frisch gebaut wurde. Bekannt ist das «Max-Frisch-Bad» auch für seine einladende Gartenanlage, die vom Gartenarchitekten Gustav Ammann ausgestattet wurde.

Am 13. Juli bietet sich jedoch ein Bild des Grauens: «Es war ein Bild der Zerstörung», erinnert sich Wäfler heute. «Für einen, der weiss, wie schön der Baumbestand vor dem Sturm war, war das sehr schmerzhaft.» Wäfler war in den vergangenen Monaten als Bauführer von «Grün Stadt Zürich» für die Wiederinstandsetzung des Freibads verantwortlich.

So sah die Badi Letzigraben nach Sturm «Bernd» aus

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Badi Letzigraben nach Sturm Bernd
Eine rund 80-jährige Platane liegt umgestürzt in Eingangsbereich des Freibads Letzigraben. (bild: zvg)
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Wiederaufbau dauert neun Monate

Es regnet in Strömen, als uns Wäfler Ende April im Freibad Letzigraben empfängt. Luft: 9 Grad, Wasser: 11 Grad, heisst es auf der Anzeigetafel vor dem Eingang. Wenig deutet darauf hin, dass hier in wenigen Tagen die Badesaison losgeht. Männer in Regenkleidung huschen emsig durch die Anlage und sind mit letzten Arbeiten beschäftigt. Noch immer beheben sie Schäden, die durch Sturm «Bernd» entstanden sind.

Arbeiter bessern geteerte Wege aus, die durch die umgestürzten Bäume in Mitleidenschaft gezogen wurden. «Wir befinden uns im Schlussspurt, doch wir sind zuversichtlich, dass wir rechtzeitig für die Öffnung am 1. Mai fertig sind», sagt Wäfler.

Arbeiter bessern einen Weg aus, im Vordergrund ist ein Baum zu sehen, der stark zurückgeschnitten werden musste.
Arbeiter bessern einen Weg aus, im Vordergrund ist ein Baum zu sehen, der stark zurückgeschnitten werden musste.bild: watson

Rund zehn Tage ist das Freibad nach «Bernd» zu. In dieser Zeit werden die Gefahrenzonen abgesperrt und die gröbsten Sturmschäden aufgeräumt. Den Rest des Sommers können die Gäste zwar wieder in den Letzigraben, allerdings finden sie deutlich weniger Schatten vor als vor dem Sturm.

Erst nach der Schliessung des Freibads während den Herbst- und Wintermonaten konnten die 44 Bäume ersetzt werden, die «Bernd» nicht standhielten. Im Zuge der Neugestaltung werden zusätzlich 30 neue Bäume gepflanzt. Kostenpunkt: 370'000 Franken.

Neue Bäume werden gepflanzt, beschädigte gepflegt

Gleich nach dem Eingangsbereich stand eine mächtige Platane, die den Gästen seit der Eröffnung 1949 Schatten spendete. Doch der Baum fällt «Bernd» zum Opfer. «Wir konnten ihn leider nicht erhalten, weil er so stark beschädigt war», sagt Wäfler. Stattdessen habe man einen Ersatz gepflanzt, der nun Zeit zum Wachsen brauche.

Diese junge Platane ersetzt den rund 80-jährigen Baum, der beim Eingang stand.
Diese junge Platane ersetzt den rund 80-jährigen Baum, der beim Eingang stand.bild: watson

Überall im Freibad sind jetzt junge Bäume zu sehen, die mit hellen Holzvorrichtungen gestützt werden. Noch werfen ihre Kronen keinen Schatten. Die Stadt hat deswegen zusätzliche Sonnenschirme installiert. «Die meisten der neuen Bäume kommen aus einer Baumschule im Aargau. Junge Bäume wachsen an neuen Standorten am besten an», sagt Wäfler.

Auf der Liegewiese stehen jetzt zahlreiche Jungbäume.
Auf der Liegewiese stehen jetzt zahlreiche Jungbäume.bild: watson

Wir laufen in eine Ecke des Bades, wo drei alte Föhren stehen. «Charakterbäume» seien das, so Wäfler. «Glücklicherweise» hätten sie den Sturm überlebt. Man habe sie aber wegen beschädigter Äste an mehreren Stellen zurückschneiden müssen. Zum Glück seien die Föhren nicht sehr anfällig auf Pilze, da dieser Baum viel Harz bilden könne und so die Eintrittspforten für Pilze verschliesse.

Daniel Wäfler steht vor drei Föhren, die gerettet werden konnten.
Daniel Wäfler steht vor drei Föhren, die gerettet werden konnten.bild: watson

Der schlimmste Sturm bislang

Einen Sturm wie «Bernd» hatte man im Freibad Letzigrund noch nie erlebt. Da sind sich an diesem Aprilmorgen alle einig. Lothar im Winter 1999 sei auch heftig gewesen. Der Schaden sei aber vor allem im Wald angefallen und sei heute nicht mehr ersichtlich.

«Bei Sommerstürmen haben wir das Problem, dass die Bäume im Gegensatz zum Winter Laub tragen», erklärt Tanja Huber von der Kommunikation von «Grün Stadt Zürich». «Durch das ist die Angriffsfläche für den Wind viel grösser.» Die Stadtbäume litten durch das immer wärmer werdende Klima unter Hitze und Trockenheit sowieso schon, so Huber. «Solche Extremwetterereignisse wie Sturm ‹Bernd› setzen dem Baumbestand in der Stadt dann gleich nochmals zu.»

Sie erinnert an die aussergewöhnlichen Wetterereignisse im Jahr 2021. Bereits im Winter seien die Bäume durch den starken Schneefall einer grossen Belastung ausgesetzt gewesen. Auch da wurden wegen der grossen Schneelast Bäume entwurzelt und grosse Äste abgebrochen. «Wir dachten, der Schneefall sei schon schlimm, das hatten wir ja seit den 80er-Jahren nicht mehr», ergänzt Wäfler. «Ein paar Monate später im Juli kam dann noch etwas Böseres.»

Workmen clear the streets and paths from broken branches tha lie on the snow covered streets of Zuerich after persistent snowfalls in the city on Friday, January 15, 2021.(KEYSTONE/Gaetan Bally)
Bereits im Winter 2021 setzten enorme Schneemassen den Bäumen zu.Bild: keystone

Extremereignisse könnten zunehmen

Es stellt sich natürlich die Frage, ob das Jahr 2021 eine Ausnahme war, oder ob sich solche Extremwetterereignisse mehren werden. Meteorologin Geraldine Zollinger von MeteoNews sagt gegenüber watson: «Wenn wir so weitermachen wie bisher, wird es mehr solche extreme Gewitterstürme geben.» Wenn die Atmosphäre immer wärmer werde, sei mehr Energie vorhanden, die sich dann unter anderem in «Super-Zellen» entlade, wie man es vergangenen Sommer gesehen habe. Wie stark die Extremereignisse zunehmen würden, hänge davon ab, welche Massnahmen die Welt gegen den Klimawandel ergreife, so Zollinger.

Auch bei «Grün Stadt Zürich» geht man davon aus, dass solche extreme Wetterereignisse in der Tendenz zunehmen dürften. Dies könnte die Stadt teuer zu stehen kommen. «Bernd» verursacht im Wald Kosten von 1,5 Millionen Franken. Dort wachsen die Bäume wenigstens auf natürliche Weise nach.

Umgestuerzte Baeume und abgebrochene Aeste haben nach dem schweren Unwetter auf dem Kaeferberg in Zuerich am Dienstag, 13. Juli 2021, Autos begraben und stark beschaedigt. Kraeftige Gewitter mit Stark ...
Umgestürzte Bäume beim Zürcher Käferberg: Der Schnee und Sturm kosten die Stadt fast 10 Millionen Franken.Bild: keystone

In der Stadt, wo die umgefallenen und stark beschädigten Bäume aufgeräumt und einzeln ersetzt werden müssen, ist der Aufwand um einiges grösser. Rund 2000 Neupflanzungen fallen aufgrund des Schnees und des Sturms an, welche noch bis 2025 andauern werden. Die Kosten schätzt die Stadt auf über 8 Millionen Franken.

Mitarbeiter mit Tränen in den Augen

Wir treffen auf Zenel Selimi. Seit 32 Jahren arbeitet er für «Grün Stadt Zürich», seit 17 Jahren als Gärtner im Freibad Letzigraben. Er zeigt in die Ferne. «Früher konnte man von hier den Üetliberg nicht sehen», sagt der rüstige Arbeiter, der bald in Pension geht. Seit die Bäume umgestürzt seien, sei der Blick auf den Zürcher Hausberg jedoch frei.

Zenel Selimi: «So etwas habe ich in über 30 Jahren noch nie erlebt.»
Zenel Selimi: «So etwas habe ich in über 30 Jahren noch nie erlebt.» bild: watson

Sturm «Bernd» sei eine «Katastrophe» gewesen, meint Selimi sichtlich betreten. «So etwas habe ich in über 30 Jahren noch nie erlebt.» Auch er trauert um die umgestürzte Platane im Eingangsbereich. Über 80 Jahre alt sei sie gewesen. «Als ich am Morgen hierhergekommen bin, das war zum Weinen. Schrecklich.»

«Gestandene Männer und Frauen, welche die Bäume jahrelang gepflegt hatten, hatten Tränen in den Augen.»
Tanja Huber

«Ja, das war ein Riesen-Schock für uns», fügt Huber hinzu. «So was hatten wir noch nie gesehen. Gestandene Männer und Frauen, welche die Bäume jahrelang gepflegt hatten, hatten Tränen in den Augen.» Er sei jetzt jedenfalls froh, dass es wieder neue Bäume habe, sagt Selimi.

Die Hoffnung auf eine ruhige Saison

Am Ende des Rundgangs hat es aufgehört zu regnen. Die Sonne drückt sich schüchtern durch die Wolken. Der Gustav-Ammann-Garten zeigt sich in seinem schönsten Frühlingskleid. Die Blätter bei den frisch gepflanzten, erhaltenen und alten Bäumen spriessen. Nun kann man sich gut vorstellen, dass hier bald die ersten Gäste die Badesaison einläuten werden.

Bei «Grün Stadt Zürich» freut man sich auf die Eröffnung und hofft auf einen ruhigeren Sommer als vergangenes Jahr. «Ich hoffe, das passiert nicht mehr», sagt Selimi. Wäfler ergänzt nickend: «Ja, hoffentlich war das bereits der Jahrhundertsturm.»

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40 Tattoos, die in der Badi bestimmt für Aufsehen sorgen!
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9 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Aschenmadlen
01.05.2022 10:37registriert Juli 2017
Grün Stadt Zürich macht einen super Job. Danke
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