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Schlussspurt für Erfolgsduo: «Viktor heult vor der Sendung»

Neun Jahre Giacobbo/Müller: Ende 2016 ist fertig.
Neun Jahre Giacobbo/Müller: Ende 2016 ist fertig.bild: srf
Interview

Schlussspurt für Erfolgsduo: «Viktor heult vor der Sendung» 

Ende Jahr ist Schluss mit der erfolgreichsten Satire-Show der Schweiz. Giacobbo/Müller über kühle Oltner, einsame Rechte und mutloses Fernsehen.
24.10.2016, 05:1924.10.2016, 16:08
benno tuchschmid / aargauer zeitung 
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Das Gespräch mit Mike Müller und Viktor Giacobbo findet in Müllers altem Revier statt. In Olten, wo der Schauspieler und Satiriker aufgewachsen ist. Das Gespräch findet im Kulturlokal «Coq d’Or» statt. Bevor das Interview beginnt, inspizieren Giacobbo/Müller die etwas heruntergekommene, mit Kajütenbetten ausgerüstete Künstlergarderobe. Er wolle den letzten Zug hier lieber nicht verpassen, sagt Giacobbo. Während sich die Fotografin vorbereitet, zanken die zwei wie ein altes Ehepaar. Er müsse sich wieder mal die Haare schneiden, frotzelt Viktor Giacobbo. Mike Müller raunzt zurück: «Jaja, ich habe ja nicht mal Zeit, einen Termin zu vereinbaren.»

Wie viel haben Harry Hasler und Donald Trump gemeinsam?
Viktor Giacobbo: Hasler ist Trump, einfach mit weniger Erfolg im Business. Geistig könnte Donald Trump tatsächlich aus Schwamendingen kommen. Aber stopp, das darf ich so nicht sagen, sonst kriege ich wieder Post, es sei gar nicht so schlimm da.
Mike Müller: Stimmt ja auch, in Schwamendingen entstehen viele architektonisch gute Bauten.
Giacobbo: (fröstelt) Es ist etwas kühl hier drin.
Müller: Das ist jetzt halt eben Olten, Viktor.
Giacobbo: Stimmt, es ist dieselbe Kälte, die ich von dir jeweils spüre.

Zurück zu Trump. Gölä hatte ja auch gerade seinen Trump-Moment, als er in einem Interview gegen Homosexuelle, Linke und Arbeitslose wetterte.
Giacobbo: Gölä war wohl immer so. Jetzt hat er sich einfach mal deutlich dazu geäussert, was er von der «linken» Schweiz hält.
Müller: Ja, ja, aber die grossen Konzerte spielt er dann trotzdem in Zürich und nicht im Chalet im Berner Oberland. Ich glaube, es gibt schon eine Trumpisierung in der Schweiz, aber ich würde die nicht auf Gölä beziehen. Was er sagte, war einfach ein inkonsistentes Spiel mit alten Mythen.

Nach 8 Jahren Giacobbo/Müller …
Müller: Neun! Wir haben immer gesagt, es wären acht Jahre gewesen, aber dann habe ich mal nachgerechnet und bin zum Schluss gekommen: neun!
Giacobbo: Jetzt habe ich die Frage vergessen.

Ich hab sie gar noch nicht gestellt: Hat sich das Land in den neun Jahren verändert?
Giacobbo: Das ist eine etwas gar grosse Frage.
Müller: Wir fühlen uns nicht so dazu berufen, eine Grossanalyse über diese Zeit zu machen, weil die Erinnerung meistens täuscht.
Giacobbo: Ich mach ja schon seit 25 Jahren Fernsehen, und natürlich hat sich technisch sehr viel verändert, die Beiträge wurden kürzer und schneller …

Ich meine etwas anderes: Von aussen betrachtet hat sich im Kulturkuchen schon markant viel verändert: Da existieren plötzlich dieselben ideologischen Gräben, wie sie auch in der Politik zu finden sind. Das ist doch neu.
Müller: Da bin ich nicht so sicher. Chris von Rohr und Krokus hatten schon immer ein Problem mit allem, was ein wenig links ist. Schon vor 30 Jahren. Die lecken immer noch ihre Wunden, weil die Poch Solothurn (Anm. d. Red.: eine linke Partei) mal schlecht über sie sprach. Eigentlich wären sie nun in einem Alter, in dem sie das vergessen könnten. Man ging auch früher schon aufeinander los.
Giacobbo: Als wir in den 80er-Jahren mit Stuzzicadenti im «Rössli» Stäfa Premiere hatten, war das für die Zürcher Theaterspektakel-Organisatoren ein No-Go. Die schnödeten über diese Winterthurer, die im «Rössli» spielen, und wir fanden sie arrogante Zürcher. Man schnödete damals noch nicht so politisch.

Die vom Satiriker Andreas Thiel ausgelösten Diskussionen über Subventionen sind rein politisch. Giacobbo: Ich finde es ja grundsätzlich gut, dass es einen Thiel gibt, diese Auseinandersetzungen sind belebend. Ich mag ihn persönlich auch sehr gut. Aber wenn es angeblich nur einen rechten Satiriker gibt in der Schweiz, wieso schafft er es dann nicht, ein Theater mit rechten Zuschauern zu füllen?

«Ich glaube nicht, dass satirische Sendungen den Journalismus ersetzen.»
Viktor Giacobbo

Aber der Subventionshass, die Beschimpfung «Staatskünstler». Ist das nicht eine neue Dimension?
Giacobbo: Das sind Thiels Worte. Ich habe ihm ja auch schon gesagt, dass er ironischerweise der einzige bekannte Schweizer Kabarettist ist, der beim einzigen nicht subventionierten Theater nicht Aktionär ist. Dem Casinotheater Winterthur (Anm. d. Red: Viktor Giacobbo ist Verwaltungsratspräsident und Mitgründer des Theaters). Das hört er nicht so gerne. Auch nicht, dass er in Theatern bekannt wurde, die alle subventioniert waren. Mit diesem Widerspruch muss er selber klarkommen.
Müller: Der «Staatskünstler» ist schon ein neues Konstrukt. Es ist auch etwas auf die Schnelle entstanden und deshalb nicht wirklich intelligent. Was heisst das? Künstler, die ausschliesslich im Sinne des Staates Kunst machen? Subventionen werden von Gremien wie einem Kuratorium ausgeschüttet, in dem gar keine Politiker sitzen. Da wird einfach etwas viel vermischt, für ein knackiges Schlagwort. Es gibt in der Kultur aber tatsächlich ein Problem: Das sind die Besitzständer. Jene, die den Platz nicht frei machen und keinen Nachwuchs fördern.

Das müsste die Rolle des Fernsehens sein. Ein wenig nimmt das SRF das auch wahr, indem es …
Giacobbo: (unterbricht) Nein, eigentlich nimmt es diese Rolle nicht wahr. Dass ein Dominic Deville nun eine eigene Sendung hat, ist vor allem darauf zurückzuführen, dass wir den Leuten beim SRF immer wieder gesagt haben: Wagt das doch!

Wie hat sich eigentlich euer Verhältnis zum SRF entwickelt?
Müller: Bei aller Kritik daran, was mit dem Sendeplatz am Sonntag passiert: Wir haben seit Beginn unserer Sendung null Einschränkungen. Natürlich hat Viktor auch immer klargemacht, dass er sofort das nächste Tram nimmt, wenn einer reinredet. Trotzdem: Diese Freiheit ist ein gutes Asset für einen Monopolsender. Und: Das SRF ist nicht politisiert wie in Deutschland, wo Politiker in den Aufsichtsgremien sitzen. Ich hoffe, dass das in der Schweiz so bleibt und nicht plötzlich Parlamentarier die Chance haben, ins Programm einzugreifen.

Für Politiker bedeutete ein Platz in eurer Sendung maximale Aufmerksamkeit. Ist das gut für eine Demokratie, wenn eine Unterhaltungssendung politisch so wichtig wird?
Giacobbo: Ich glaube nicht, dass satirische Sendungen den Journalismus ersetzen, auch in den USA nicht, wo die Behauptung ja herkommt. Ich glaube vielmehr, dass im Journalismus andere Verschiebungen stattfinden, die viel wesentlicher sind.

«Scheisse sein gehört manchmal dazu.»
Viktor Giacobbo.

Inwiefern?
Giacobbo: Es wird überall gespart im Journalismus. Das merkt man. Wir sind sowohl Objekt wie Subjekt in den Medien. Und es ist manchmal erhellend, mit welcher Sorglosigkeit gewisse Dinge geschrieben werden. Wir spüren das ganz konkret: Da kommen dann Volontäre zu uns, die kaum wissen, mit wem sie reden und was sie fragen sollen.
Müller: Mittlerweile ist die Situation so, dass die Branche selber zugibt, dass sie ein riesiges Problem hat. Dann ist die Krise manifest. Darum sind neue Ideen wie das «Projekt R» des ehemaligen «Tages-Anzeiger»-Autors Constantin Seibt auch so begrüssenswert.
Giacobbo: Oder watson.

Das wird unser Verleger gerne hören. Ist es eigentlich korrekt, eure Beziehung zur Presse als Hass-Liebe zu bezeichnen?
Giacobbo: Jeder, der Kunst macht, hat eine Hass-Liebe zum Journalismus.
Müller: Hass-Liebe finde ich etwas stark.

Aber die Kritik, dass Giacobbo/Müller netter ist als deutsche Satire-Sendungen …
Giacobbo: Erstaunlicherweise empfinden deutsche und österreichische Künstler das nicht so. Was wir über Kirchen sagen, ist in den beiden Ländern ein No-Go. Fragen Sie einen Josef Hader oder einen Gerhard Polt. Die kommen jetzt in der letzten Staffel zu uns, weil sie die Sendung mögen. Die «Heute Show» ist super gemacht, aber da ist alles geschrieben, selbst die Dialoge. Wir machen das nicht, auch wenn wir es uns manchmal wünschten. Aber Scheisse sein gehört manchmal dazu.
Müller: In dieser Kritik kommt auch ein wenig der Selbsthass zum Tragen, der in der Schweiz so verbreitet ist. Im Fussball kommt das auch immer. Bis dann mal eine Sportmoderatorenlegende wie Marcel Reif sagen muss: «Bitte? Jetzt seid ihr in den letzten 16 Jahren fast an jedem grossen Turnier dabei gewesen. Ein so kleines Kackland. Und ihr habt noch einen dummen Latz?» Ich will jetzt das nicht auf uns übertragen, aber auch im Humor-Bereich gibt es immer so eine Wir-könnens-einfach-nicht-Attitüde.

Es ist ja auch nicht alles Gold, was glänzt, in unserem Nachbarland. Die neuste humoristische Intervention aus Deutschland war ein schwarz angemalter «Verstehen Sie Spass»-Moderator, der Röbi Koller in der Sendung «Happy Day» veräppelte.
Giacobbo: Ich musste kurz lachen, als ich es sah.
Müller: Aber es geht natürlich nicht.
Giacobbo: Der Moment war lustig.

Ist es denn falsch verstandene Political Correctness, dass solche Scherze nicht mehr toleriert werden?
Müller: Political Correctness ist immer das Hammerargument von rechts. Damit hat es aber nichts zu tun. Ganz ehrlich: Sexismus und Rassismus sind eigentlich ziemlich einfach zu identifizieren.
Giacobbo: Nimm die Aufschrei-Debatte: Wenn jemand einer Nationalrätin sagt, sie sei heute schön angezogen, dann ist das noch nicht sexistisch.
Müller: Nein, aber Frauen anfassen ist sexistisch. Und das hat nichts mit Political Correctness zu tun. Und sorry: Blackfacing, Gesichter schwarz anmalen, ist tief verwurzelt in der Geschichte des Rassismus.

Was ist denn Ihre Haltung zur Aufschrei-Debatte?
Müller: Es ist gut, dass sexuelle Belästigung endlich aufs Tapet kommt. Wir haben ein Sexismus-Problem, das zu lange unter den Teppich gekehrt wurde. Manche behaupten ja, wegen der Political Correctness müsse man nun alles dreimal überlegen. Nein, muss man nicht. Nochmals: Es ist gar nicht so kompliziert, die Grenzen zu sehen. Man kann einer Frau ein Kompliment machen, ohne dass es sexistisch ist. Jedenfalls nehme ich das für mich in Anspruch.
Giacobbo: O. k., aber gerade an den Universitäten in den USA gibt es auch eine übertriebene politische Korrektheit.
Müller: Dort gibt es einfach den Trend zur Verrechtlichung. Die werden ja nicht mehr lange Shakespeare lesen können, weil es zu derb ist. Ein österreichischer Profiler hat ja mal mit einem Dramaturgen die Königsdramen von Shakespeare analysiert. Der Kriminalpsychologe sagt: Aus seiner Sicht ist der Autor schwer krank. Wenn einem solche Dinge in den Sinn kommen, in einer solchen Masslosigkeit, müsste man ihn eigentlich einsperren. Das mein ich mit Verrechtlichung.

Wir sind in Olten. Sie, Herr Müller, kommen von hier. Viktor Giacobbo, Sie kommen aus Winterthur. Verbindet das eigentlich, wenn man aus Nati-B-Städten kommt?
Giacobbo: Nein. Das ist purer Zufall. Ich bin zufälligerweise immer noch in Winterthur.
Müller: Ich wohne ja in Zürich. Und so arrogant ist die Stadt also auch nicht. Die Provinz will einfach öfters mal hören, dass sie gar nicht so schlimm ist. Was ja auch stimmt.

«Schon als Kind nervten mich diese langweiligen Sonntage.»
Mike Müller

Wie fühlt sich das eigentlich an, jetzt, wo es mit Giacobbo/Müller zu Ende geht?
Müller: Viktor heult vor der Sendung.
Giacobbo: Es fühlt sich nicht speziell an. Wir gehen einfach immer noch arbeiten. Und wir freuen uns auf unsere neuen Projekte.

Welche denn?
Giacobbo: Wir haben zusammen Bühnenpläne. Eine Bühnenshow. Mehr können wir noch nicht sagen.
Müller: Ich mache auch noch ein Solo-Programm.
Giacobbo: Ich vielleicht auch.
Müller: Er macht mir alles nach. Hast du vielleicht auch noch Lust auf eine Krimiserie? Lustigerweise sagen viele Leute: Jetzt hast du endlich wieder freie Sonntagabende. Das ist für mich eher eine Schreckensvorstellung. Schon als Kind nervten mich diese langweiligen Sonntage, an denen die Eltern Mittagsschlaf machten und man bei gewissen Familien nicht klingeln durfte. Furchtbar.

Wer bekommt die Espresso-Maschine?
Müller: Vermutlich der Requisiteur. Er hat mal gefragt. Sie gehört zwar dem SRF, aber die ist längst amortisiert.
War der Espresso eigentlich gut?
Giacobbo: Ich weiss es nicht. Mike hat immer beide getrunken.

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10 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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SPANKYswissHAM
24.10.2016 07:29registriert November 2015
heute wird es nicht mehr toleriert das man soch schwarz anmalt...in ein paar jahren darf sich dann viktor auch nicht mehr als frau verkleiden weil es sexistisch wäre 😔
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Menel
24.10.2016 12:21registriert Februar 2015
Hoffen wir, dass für die Sendung einen guten Ersatz finden. Etwas im Format von "Ventil" fände ich ja gut :D
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Ohniznachtisbett
24.10.2016 11:27registriert August 2016
Ich werde die beiden vermissen. Habe das wirklich im grossen und ganzen lustig gefunden. Und die beiden sind auch sympathisch. Sie haben immer alle Parteien und Gruppierungen veräppelt. Toll! Ich verstehe hingegen die Blackfacing-Schelte von Müller nicht. 1. Sind wir nicht in Amerika, wo das ganze eine andere Brisanz hat und 2. Wieso durfte dann "Ratschif" regelmässig in ihrer Sendung auftreten. Ich finde Ratschif übrigens sehr lustig.
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