Liebe Grüezini (die Bergkantone heute mal ausgeschlossen)
Ja, das, was ihr da draussen auf dem Boden seht, ist tatsächlich Schnee. Könnt ihr euch noch daran erinnern? Was ihr sonst nur von den Berggipfeln der Skigebiete kennt, hat es nach einem Jahr Abwesenheit tatsächlich wieder in die Städte und ins Flachland der Schweiz geschafft. Wer sich den Umgang damit nicht mehr gewohnt ist, kann beruhigt sein. Als Walliser bin ich ja sozusagen ein Schneeexperte und bin bereit, in der Hoffnung, das Wallis der «Üssuschwiz» etwas näherzubringen, meine Erfahrungen im Umgang damit mit euch zu teilen.
Bevor wir uns genauer mit der Thematik «Schnee» befassen, müssen wir zuerst die Grundlagen klären. Schnee entsteht, wenn Wasserdampf in der Luft bei unter 0 Grad zu Eis gefriert und sich diese Kristalle verbinden, und nicht aus dem Extrakt der Blätter von Erythroxylon Coca Lam (Kokablätter). Es besteht Verwechslungsgefahr. Eine wichtige Information, die auch mich nach meinem Umzug vom Wallis nach Zürich vor viel Ärger hätte bewahren können. Das ist aber eine andere Geschichte.
Ganz wichtig: Schnee ist formbar. Die Pisten, auf denen ihr eure Skiferien verbringt, sind nicht ein natürliches Produkt, das zufällig so in den Bergen herumliegt, nein, sie wurden von Menschenhand präpariert. Dies ist seinem Aggregatzustand zu verdanken. Solltet ihr Schnee in der Stadt sehen, braucht ihr keine Angst davor zu haben, diesen anzufassen (Ausnahme: gelber Schnee). Durch mehrmaliges Zusammenpressen könnt ihr ihn so formen, dass daraus eine feste Kugel entsteht – et voilà, dein erster Schneeball ist zum Wurf bereit.
Wenngleich dich ein Gefühl von unbändiger Macht übernimmt, solltest du vorsichtig sein. Denn im Wallis sagt man: «Wer wirft, muss auch damit rechnen, zu treffen.» Ein «Ich wollte das nicht» akzeptiert keine Versicherung. Ausser du kennst den Versicherungsberater, aber das ist wieder so ein Walliser-Ding.
Praktisch das Wichtigste an Schneefall ist, dass ihr ihn auf euren Social-Media-Kanälen teilen müsst – ihr müsst, kein Platz für Zweifel. Denkt nicht, dass jeder den ersten Schneefall selber sieht, wenn er oder sie aus dem Fenster schaut. Nein, nein, je mehr Storys, desto besser. Und ganz bestimmt ist genau deine Story gerade die allerschönste von allen.
Am besten noch mit «Erster Schnee», «Endlich!» oder «Winter Wonderland❄️» versehen und schon gehört ihr dazu. Sich einmal fühlen wie ein richtiger Influencer/Influencerin Content Creator. Auch im Wallis, wo wir seit Jahrtausenden Schnee bis in den Grund haben, wird diese Tradition jährlich aufs neue zelebriert, wirklich Jahr für Jahr – immer und immer wieder. Der erste Schneefall ist praktisch das Gegenstück zu eurem Abendrot, wenn alle den feurig roten Himmel in ihren Storys posten.
In meinen Jahren in Zürich konnte ich noch nicht herausfinden, ob ihr überhaupt wisst, was Schneeketten oder Winterreifen sind. Ich weiss aber aus meiner Zeit im Wallis, dass unsere Bergstrassen dort regelmässig von Autos mit den Kontrollschildern AG, TG und TI blockiert werden (einen besonderen Gruss auch an alle Holländer und Holländerinnen). Okay, eventuell lohnt sich für euch aufgrund des geringen Schneefalls die Anschaffung auch nicht. Jedoch habe ich trotzdem einen Tipp: Die SUVs, die ihr in den Strassen der Städte geparkt habt, wären tatsächlich für solche Szenarien gedacht und nicht für Prestige und Bequemlichkeit. Probiert es doch mal aus!
Schnee kannst du fühlen, anfassen, riechen (Achtung: Lies lieber nochmals Punkt 1) oder auch schmecken. Aber am besten lässt er sich immer noch formen. Im Wallis werden regelmässig Schneemänner gebaut und auch in den Städten könnte sich diese Tradition ja vielleicht bald durchsetzen. In Zürich könnt ihr sie ja «Schneefiguren» oder «Schneemenschen» nennen, das wäre ja auch zeitgemäss.
Um einen Schneemenschen zu bauen, wiederholt ihr einfach Punkt 2 mindestens dreimal, aber achtet jedes Mal darauf, dass der Schneeball grösser wird. Nein, nein, wartet, nicht werfen! Nein, diesmal stellt ihr die Bälle aufeinander. Wir empfehlen den grössten zu unterst, den kleinsten zu oberst. Jetzt steckt ihr in die oberste Kugel mittig nach vorne ausgerichtet ein Rüebli, darüber positioniert ihr zwei Knöpfe, die als Augen dienen, und darunter einen Zweig, das ist dann der Mund. Eine zweite Karotte ist optional.
Mit diesen fünf Tipps solltet ihr erstmal gut durch den Wintertag kommen. Bei weiteren Fragen ist die Kommentarspalte natürlich geöffnet. Falls aber doch keine Antwort von mir kommt, liegt es vermutlich daran, dass der ÖV in der Stadt wegen der zehn Zentimeter Schnee lahm liegt und ich vermutlich noch zu Fuss unterwegs bin. Im Wallis würden wir an so einem Tag sagen: «Ah, äs wird langsam Früähling!»