Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Gerade bei Weihnachtssongs gilt diese Ägide, denn dieses Genre fällt bei den allermeisten Menschen in die Kategorie «guilty pleasures» – Vorlieben und Vergnügen, für die man sich fast ein wenig schämt. Kaum jemand mag behaupten, «Rocking Around the Christmas Tree» sei hochkarätige Kunst, doch mit ein wenig Glühwein intus dazu trällern, mag man eben schono gern.
Trotzdem gibt es Weihnachtssongs, die letztendlich, naja, *schlecht* sind. Und eine kurze Internet-Recherche ergibt alsbald, dass ein erstaunlich überragender Konsens herrscht, welche. Das sind Lieder, die selbst das Konzept von «so schlecht, dass es fast schon wieder gut ist» sprengen.
Hier einige der Meistgenannten:
Uff ... der 17-jährige Bieber verspricht unter dem Mistelzweig zu sein, mit seiner ... «Shorty».
*Schauder*.
«Looking back on my childhood days, I can’t believe my foolish ways» («Wenn ich an meine Kindheitstage zurückdenke, kann ich meine Dummheit nicht fassen») – so klingt ein 17-jähriger (jap, so alt war er damals) Justin Timberlake, der auf ein langes, erfülltes Leben zurückblickt. Britney war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Ach, du willst jegliche Freude an Weihnachten komplett vernichten? Bitte sehr!
Die Aufgabenstellung: Packe so viele Weihnachtsmelodien wie möglich in einen halbgaren Dance-Track und benutze «Weihnachtsbaum» als ultimative sexuelle Metapher. Richtig edgy und verrucht, weisch.
Derweil, in Country Music ...
Und, ja, das ist ernst gemeint.
Dies, hingegen, ... hmm.
Wow. Nun sind wir fest bei der Untergattung «WTF?» angelangt. Wir schreiben das Jahr 1986, und Sänger und TV-Star Tiny Tim hält seinen Song für zum Brüllen lustig. Oje.
«Ich werde etwas Leim um den Weihnachtsbaum herum verteilen (damit der Weihnachtsmann das ganze Jahr über da bleiben muss)» ist wahrlich eine interessante Prämisse. Und so ganz und gar nicht creepy! Doch wer ist eigentlich dieser Joel Grey mit jener süssen Kinderstimme? Die Antwort: zum Zeitpunkt der Aufnahme, ein erwachsener Mann. Nö, ganz und gar nicht creepy.
Und nun zu der Unterabteilung «Coverversionen, die besser unversucht geblieben wären»!
Clarence Carters Originaltrack von 1968 war ein grossartiger Soul-Song voller sexueller Anspielungen. Die Bon-Jovi-Jungs machen daraus ein stampfendes, schreiendes Hair-Metal-Verbrechen.
Seit dem Original von Eartha Kitt aus dem Jahr 1953 mussten wir eine schier unendliche Anzahl von Nachahmungsversuchen über uns ergehen lassen, von denen die allermeisten absolut bedauernswert sind. Allen voran die Version der Pussycat Dolls, die besonders durch die stimmlichen Qualitäten der (verbliebenen drei) Dolls besticht. Nicht.
Alle lieben «Star Wars». Und ganz besonders lieben alle die Droiden R2-D2 und C-3PO. Und Weihnachten lieben ohnehin alle. Was liegt also näher, als dies alles zu kombinieren? Mit «Gesang» von R2-D2 ... ach, seinerzeit klang das wohl nach einer guten Idee.
«Jingle Bells» mag jeder, oder? Think again.
Immerhin dauert der Track nicht allzu lang.
Hand hoch, wer wusste, dass Billy Idol mal ein ganzes Weihnachts-Album veröffentlichte! Niemand? Besser so.
Frage: Wie effektiv kann man den Weihnachtsklassiker «Little Drummer Boy» verhunzen? Starke Anwärterinnen in dieser Kategorie sind etwa die Simpson-Schwestern:
Hört hin, wer's wagt! Jedes «parapapampam» cringiger als das vorige.
Doch, halt, was kommt denn da?
Wow. Nur noch wow.
Sooooo ... kommen wir zu «Baby, It's Cold Outside»! Jap, der 1944 geschriebene Jazz-Klassiker ist inhaltlich mehr als nur ein wenig problematisch. Die Prämisse der manipulativen Nötigung ist schwer zu überhören, insbesondere die oft zitierte Zeile «Say, what's in this drink?» Date Rape zu Weihnachten, irgendwer? Fragt sich nur, ob die neuerlichen Versuche, dies zu korrigieren, das Ganze nicht verschlimmbessern. Etwa:
Schauspielerin Zooey Deschanel und Kumpel Matthew Ward alias She & Him tauschen einfach die Gesangsparts und so die Rollen der Songcharaktere. Leider tauschen sie auch den jazzigen Swing des Originals mit einem schlampig geschrammelten irgendwas, welches offenbar als «kinderhafter, skurriler, Starbucks-freundlicher Musikstil» zu bezeichnen ist (Zitat Stereogum). Starbucks-freundlich. It's a thing.
John Legend ändert gleich den Text. Nun ist er der verständnisvolle BFF, der seiner Kelly Clarkson grosszügigerweise ein Uber bestellt. Es gibt keine exakte deutsche Übersetzung für «cringe-fest» – aber auf diesen Song trifft es zu.
Gut gemeint. Schlecht ausgeführt. Und, ja, Liam Gallagher, du hast recht. Er sieht immer noch aus wie ein verdammter Geografielehrer.
Okay, sollte dir das alles bisher zu lüpfig und lustig gewesen sein und du sehnst dich stattdessen nach etwas, was nun komplett ironiefrei und humorlos und moralinsauer ist? Dann muss Christian Pop her! Und, wow, NewSong macht hier keine halbe Sache: Ein rührseliger, manipulativer Schmachtfetzen über einen kleinen Jungen, der am Sterbebett seiner Mutter wartet. Doch er will seiner Mutter ein neues Paar Schuhe kaufen, weil er will, dass sie «schön aussieht, wenn sie heute Abend Jesus begegnet».
Und zu guter Letzt, laut Bob Geldolf «eines der zwei schlimmsten Songs der Musikgeschichte»:
Ein Haufen zumeist weisser, zumeist reicher, zumeist britischer Prominenter, der da ein herablassendes Geschwafel aus Postkolonialismus, gönnerhaftem Rassismus und geografischem Unwissen zum Besten gibt, um einem ganzen Kontinent seine Handlungsfähigkeit abzusprechen. Und wenn man bedenkt, dass Äthiopien – der vorgesehene Nutzniesser dieses Wohltätigkeitsprojekts – eines der ältesten christlichen Länder der Welt ist, dann, ja, they probably know very f*cking well it's Christmas. Immerhin hat der Track in der Tat viel Geld für die Nothilfe eingebracht, aber selbst der Initiator des Projekts und Co-Autor des Songs, Bob Geldof, bezeichnet ihn als «einen der zwei schlimmsten Songs der Geschichte».
Der andere: «We Are the World».