Einmal mehr ist für die Schweizer Fussball-Nationalmannschaft ein grosses Turnier nach dem ersten K.o.-Spiel vorbei. Seit ihrer «Wiederauferstehung» an der WM 1994 in den USA ist sie nie weiter gekommen. Schlimmer noch: Sie hat in vier WM-Achtelfinals nicht ein Tor erzielt, Penaltyschiessen inbegriffen. Ausser man zählt Eigentore wie jenes von Manuel Akanji gegen Schweden mit.
Statt den nächsten Schritt zu machen und Geschichte zu schreiben, war die Partie gegen die Skandinavier ein einziger Rückschritt. Sie war ein Offenbarungseid für die wahren Stärken oder eben Schwächen dieser Mannschaft. Wer gegen einen derart bescheidenen Gegner nicht eine hochkarätige Torchance kreiert, darf sich über das Ausscheiden nicht beklagen.
Man kann sich nun einige Fragen stellen: Warum hat die Schweiz keine torgefährlichen Stürmer? Warum haben Xhaka und Shaqiri ihre beste Leistung für den Match gegen Erzfeind Serbien aufgespart? Erreicht Nationalcoach Vladimir Petkovic seine Spieler wirklich? Sein Eingeständnis, gegen Schweden hätten «die Emotionen gefehlt», ist eine Bankrotterklärung.
Die Gründe für die Misere aber gehen tiefer. Ich gebe zu: Im watson-Tippspiel habe ich auf einen Erfolg von Schweden gesetzt. Es waren nicht miese Laune oder ein Bauchgefühl, die mich dazu verleitet haben. Aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre habe ich den Schweizern einen Erfolg gegen den vermeintlich leichten Gegner nicht zugetraut.
Die Nati hat zu wenig Ernstkämpfe gegen starke Mannschaften bestritten. Nur in solchen Partien wächst man als Einheit und erwirbt sich die Wettkampfhärte, um an grossen Turnieren bestehen zu können. Einzelne Highlights wie der heroische Kampf gegen Argentinien an der WM 2014 genügen nicht.
Gegner dieses Kalibers waren in den letzten zehn Jahren Mangelware. Die Schweiz hat in den WM- und EM-Qualifikationen seit 2008 fast nur gegen gleichwertige und schwächere Teams gespielt. Sie hatte fast unverschämtes Losglück, bei dem man sich fragen muss, ob es sich nicht eher um Lospech gehandelt hat.
Ein einziges Mal nur musste die Nationalmannschaft in dieser Zeit eine schwierige Quali bestehen, für die EM 2012 in Polen und der Ukraine. Sie spielte gegen England, Montenegro, Wales und Bulgarien und scheiterte prompt, trotz «Welttrainer» Ottmar Hitzfeld an der Seitenlinie. Die Regel aber waren Qualispiele gegen Andorra, Färöer, Lettland, Litauen oder Moldau.
Besonders krass war das Missverhältnis in der Qualifikation für die Russland-WM. In der Sechsergruppe genügte neben der Schweiz nur Portugal höheren Ansprüchen. Das ermöglichte der Nati eine beeindruckende Siegesserie. Sicher, auch gegen die «Kleinen» gewinnt man nicht im Schlafwagen. So gesehen hat die Schweiz Fortschritte gemacht.
Wenn man aber nur gegen «Fallobst» spielt und gewinnt, erwirbt man sich nicht die mentale und physische Härte, um auch grosse Gegner zu bodigen. Dafür entsteht vielleicht ein prekäres Selbstbewusstsein, das leicht in Arroganz umschlagen kann, wie im Match gegen Costa Rica. Während man im eigentlichen Härtetest des Achtelfinals neben den Schuhen steht.
An Warnsignalen fehlte es nicht. Als es in Lissabon gegen Portugal um die direkte Qualifikation für Russland ging, war die Schweiz chancenlos. In der Barrage gegen das bescheidene Nordirland setzte sie sich dank einem geschenkten Penalty durch. Und an der WM selbst war sie nur in der zweiten Halbzeit gegen Serbien wirklich gut, dank den Emotionen der Albaner-Fraktion.
Der Schlüssel für diese talentierte Truppe, um an einem grossen Turnier die ewige Hürde Achtelfinal zu überwinden, sind deshalb mehr Spiele gegen harte Gegner. Und tatsächlich zeichnet sich Besserung ab, dank der UEFA Nations League. Der Sinn dieses Wettbewerbs erschliesst sich mir noch immer nicht, ausser dass mindestens eine «kleine» Nation einen Startplatz an der Europameisterschaft 2020 erhalten soll.
Die Schweiz aber darf sich im Herbst auf Spiele gegen das belgische Starensemble und die zähen Isländer freuen. Genau solche Fights braucht sie, um eine echte Winnermentalität zu entwickeln und vielleicht schon 2020 ihren Achtelfinal-Fluch zu überwinden.
Eines allerdings lässt sich nicht ändern: Eine derart glänzende Chance wie in Russland, an einem grossen Turnier ganz weit zu kommen, wird die Schweiz vielleicht nie mehr bekommen.
Wo war denn die kritische Berichterstattung VOR dem Turnier? Ihr habt alle still im Kämmerlein gesessen und den PR-Leuten des SFV nachgeplappert. Kritische Bemerkungen wurden als "Mötzli", etc. gewertet, die die gute Laune kaputtmachen.