Enttäuschung. Desillusion. Leere.
Nach dem Spiel gegen Schweden bleibt uns Schweizern nicht viel mehr als die Frage nach dem Warum.
Warum hat man gegen diese Schweden verloren? Gegen diese, so muss man es sagen, schwache Mannschaft. Gegen ein Team, das mit seiner Qualität in einem WM-Viertelfinal eigentlich nichts verloren hat. Die Schweiz hat unter den besten Acht der WM allerdings noch weniger verloren. Die Torchancen der Nati konnte man heute an einer Hand abzählen. Die Schweiz ist verdient ausgeschieden.
Die Nati hat einmal mehr nicht die Leistung abrufen können, die es gebraucht hätte – und dennoch hätte es heute reichen können. Weil die Schweden nur durch ein sehr glückliches Tor zum Erfolg kamen. Der Ball hätte auch auf der anderen Seite reinfallen können. Aber die Schweizer dürfen solch ein Spiel nicht dem «Glück» überlassen. Mit ihrer Qualität müssten sie sich ein Chancenplus erarbeiten, welches zum Sieg reicht. Selbst wenn der Ball nicht für sie läuft.
Leider müssen wir einmal mehr realisieren, dass wir uns dessen gewohnt sind. Die Schweiz schafft es einfach nicht, in solch wichtigen Momenten als Sieger vom Feld zu gehen. Die grossen Erfolge im Mannschaftssport bleiben uns vergönnt.
Dieses mal, ja das sollte unsere WM werden. Eine vergleichsweise einfache Tableau-Hälfte. Viele Favoriten sind bereits ausgeschieden. Es war die Chance des Jahrhunderts. Wir wollten mehr, als nur mit dem Viertelfinal-Einzug Historisches erreichen. Die Schweiz konnte und durfte von viel Grösserem träumen.
Mehr als ein Traum war es aber nicht. Die Schweiz hat eindrücklich bewiesen, dass sie kein Gigant ist. Noch nie war sie im Stande, grosse Chancen auf Erfolge auszunutzen.
Die Nati hat das gemacht, was wir befürchten mussten und nur zu gut kennen. Sie hat in einem grossen Moment nicht ihr Potential ausschöpfen können. Da war Angst, wo Mut sein sollte, Zögern, wo es Entschlossenheit gebraucht hätte. Wie damals 2006 in Köln gegen die Ukraine. In diesem verfluchten Penaltyschiessen.
Damals, als der Schweiz der Mut fehlte. Das Selbstverständnis, welches die «Grossen» haben. Die, von denen man dann sagt, sie seien Turniermannschaften. 2008 an der Heim-EM, 2010 in Südafrika, 2014 in der Verlängerung gegen Argentinien und vor zwei Jahren im Elfmeterschiessen gegen Polen. Immer war da das Gefühl, dass mehr möglich gewesen wäre.
Doch es bleibt dabei. Die Schweiz scheitert und der Konjunktiv hat danach Hochkonjunktur. Seit 2006 hat die Schweiz im Fussball eine Qualität erreicht, die zuvor niemals für möglich gehalten wurde. Die Nati ist so gut geworden, dass sie an den grossen Turnieren kein einziges Mal ausgeschieden ist, weil sie wirklich schwächer oder gar chancenlos war.
Und die Schweden? Die haben jetzt schon viel mehr geschafft, als eigentlich möglich wäre. Die Skandinavier haben in der Qualifikation bereits Holland und in den Playoffs Italien rausgeekelt. Nun war auch die Schweiz fällig.
Aber die Schweden schafften es irgendwie, all diese scheinbar stärkeren Gegner zu zermürben. Weil sie den Dusel haben, solche Spiele zu gewinnen. Weil sie den Dusel erzwingen. Weil sie die Nerven haben, 90 Minuten konzentriert zu verteidigen. Die Schweden, sie sind eine mental bessere Version der Schweiz.
Die Nati wollte heute vor allem eines: Nicht ausscheiden. Doch in der K.o.-Phase geht es nicht darum, nicht ausscheiden zu wollen, sondern unbedingt weiterkommen zu wollen. Die Schweiz, sie hat sportlich ein riesiges Verlierer-Gen entwickelt.
Lediglich im Einzelsport gibt es Ausnahmen. Roger Federer. Er wird auch diesen Sommer wieder die grosse Hoffnung sein, dass die Schweiz über einen wichtigen sportlichen Erfolg jubeln kann.
Im Mannschaftssport fehlt weiterhin das Selbstverständnis, wichtige Spiele zu gewinnen. Und somit bleibt uns wieder nur die Enttäuschung. Die Desillusion. Die Leere.