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Bundesliga immer stärker abgehängt: «Für Topstars nicht mehr attraktiv»

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An Nick Woltemade zeigten sich die aktuellen Kraftverhältnisse: Bayern hielt Stuttgarts Forderungen für übertrieben – Newcastle bezahlte die 85 Millionen Euro einfach.Bild: www.imago-images.de
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Bundesliga wird immer stärker abgehängt – das sind die Gründe für die Krise

In diesem Sommer verlor die Bundesliga mehrere Aushängeschilder – darunter das einheimische Supertalent Florian Wirtz. In Europa ist die Liga auf Platz 4 abgerutscht und wird vor allem von der Premier League immer stärker abgehängt.
14.09.2025, 11:3214.09.2025, 12:30
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Die Bundesliga befindet sich in einer tiefen Sinnkrise.

Nachdem ihr Ego in den letzten Jahren und besonders in diesem Sommer durch schwerwiegende Abgänge, Transfer-Niederlagen und anhaltenden Misserfolg im Europacup gelitten hat, fragt man sich nun:

«Was ist die Bundesliga noch wert?»
quelle: kicker

Seine eigene Frage kann auch das Fussballmagazin Kicker nur schwer beantworten, doch stellt es klar: Die Bundesliga wurde von der Premier League längst abgehängt. Im abgelaufenen Transfersommer erlebte der deutsche Fussball dies besonders schmerzlich.

Reihenweise zogen die Stars davon, wechselten fast alle nach England: Frankfurt musste Hugo Ekitiké (Liverpool) ziehen lassen, Leipzig verlor Benjamin Sesko (Manchester United), Xavi Simons (Tottenham) sowie Loïs Openda (Juventus), und Leverkusen konnte unter anderem Jeremie Frimpong (Liverpool), Piero Hincapié (Arsenal) und Granit Xhaka (Sunderland) nicht mehr länger halten. Dass der Schweizer Nati-Captain lieber für einen Abstiegskandidaten in England spielen wollte als für den Double-Sieger von 2023/24, sorgte in Deutschland für Unverständnis.

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Alle weg: Leipzig verlor in diesem Sommer sein gesamtes Super-Offensivtrio aus Loïs Openda, Xavi Simons und Benjamin Sesko.Bild: www.imago-images.de

Nicht mal Bayern kann noch mithalten

Das wäre aber alles noch zu verkraften gewesen, ist es für viele Bundesligisten doch längst normal, ihre besten Spieler abgeben zu müssen. Auch wenn es in diesem Sommer aussergewöhnlich viele waren. Von den zehn gemäss Transfermarkt wertvollsten Spielern, die einen Bundesliga-Klub verliessen oder bei einem unterschrieben, verliessen acht Deutschland. Viel schlimmer waren aber die Transfer-Niederlagen im Tauziehen um Florian Wirtz und Nick Woltemade. Mit ihnen verlor die Bundesliga nämlich zwei einheimische Aushängeschilder – und noch dazu, obwohl Bayern München um beide gebuhlt hatte.

Eigentlich ist sich der deutsche Rekordmeister gewohnt, dass er die Männer bekommt, die er als absolute Wunschspieler tituliert. Vor allem, wenn es sich um deutsche Nationalspieler eines Bundesliga-Konkurrenten handelt. Doch im Falle des grössten deutschen Fussballtalents blieben alle Bemühungen des Klubs und seiner grauen Eminenz, Uli Hoeness, umsonst. Wirtz bevorzugte einen Wechsel zu Liverpool. Es sei «eine grössere Herausforderung», in ein anderes Land und eine andere Liga zu wechseln, sagte er danach dem Kicker.

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Florian Wirtz wollte nicht zum FC Bayern München.Bild: keystone

Also versuchten es die Bayern bei Woltemade. Hier wurde dem Klub noch etwas anderes bewusst. Während sich die Führung um Sportvorstand Max Eberl eine Schmerzgrenze um die 60 Millionen Euro setzte und die Forderungen der Stuttgarter als übertrieben ansah, legte Newcastle United einfach mal 85 Millionen Euro auf den Tisch und krallte sich den 23-jährigen Offensivspieler, der noch keine ganze, gute Bundesliga-Saison absolviert hat.

Die Premier League ist also nicht nur reizvoller für die Jungstars, finanziell kann nicht einmal der Krösus der Bundesliga mit ihren Klubs mithalten. Die immensen TV-Einnahmen sowie das Geld von Investoren sorgen dafür, dass selbst Mittelklasse-Klubs wie West Ham oder Nottingham Forest in den letzten fünf Jahren mehr Geld ausgeben konnten als jeder Bundesliga-Verein.

Haaland, Ekitiké und Co. entwuchsen der Liga schnell

Und das hat natürlich auch auf künftige Transfers eine Auswirkung: Die Konkurrenz weiss spätestens jetzt, dass sie nur genug lange warten muss, damit ein englischer Klub ihre Forderungen erfüllt. Bayrische Vernunft und Wirtschaftlichkeit sind out. Natürlich sind auch damit noch ab und zu Topspieler zu holen. Wie in diesem Sommer Luis Diaz, der für 70 Millionen Euro von Liverpool kam. Doch ein absoluter Superstar ist der Kolumbianer, der im Januar 29 wird, nicht. Den grössten Teil seiner Blütezeit dürfte der schnelle Flügelspieler ebenfalls schon hinter sich haben. Genauso wie Harry Kane, der vor zwei Jahren im Alter von 30 Jahren für 95 Millionen Euro von Tottenham kam.

«Die Bundesliga ist für die absoluten Topspieler nicht mehr so attraktiv.»
Michael Ballack

Die restlichen 17 Klubs können von solchen Spielern und Summen nur träumen. 35 Millionen Euro für eine Ablösesumme sind da die absolute Schmerzgrenze. Deshalb konzentrieren sie sich immer mehr auf junge Spieler, die dann teuer weiter verkauft werden können. Borussia Dortmund tat dies lange erfolgreich, Eintracht Frankfurt machte dies in den letzten Jahren zum Geschäftsmodell. Nur ziehen die Spieler genauso schnell weiter, wie sie kommen. Erling Haaland, Jude Bellingham oder jetzt Omar Marmoush und Hugo Ekitiké: Sie alle entwuchsen der Bundesliga und wechselten zu einem internationalen Topklub. Ein echter Konkurrent für die Bayern kann so gar nicht heranwachsen, was der Spannung und der Qualität der Liga nicht zuträglich ist.

Der deutsche Ex-Nationalspieler und heutige TV-Experte Michael Ballack kritisiert in der Sport-Bild: «Die Bundesliga ist für die absoluten Topspieler nicht mehr so attraktiv.» Die Herausforderung auf allerhöchstem Niveau sei hier nicht mehr zu finden. Deshalb hätte ein Wechsel von Florian Wirtz zu Bayern München keinen Sinn gemacht. Bayern-Legende Oliver Kahn schlägt im Kicker-Interview in dieselbe Kerbe: «Die Premier League ist die spannendste Adresse, wenn ich mich auf höchstem Niveau messen will, sportlich, finanziell, medial.» Die Attraktivität der Bundesliga sei hingegen «trügerisch». Zwar gebe es viele attraktive Spiele mit offensivem Fussball und vielen Toren, doch reiche das nicht, wenn die Klubs international immer wieder scheitern.

Michael Ballack schaut waehrend des spiels der Bundesliga zwischen Borussia Dortmund und 1. FC Union Berlin, Signal Iduna Park am 31. August 2025 in Dortmund, Deutschland. Foto von Max Maiwald/DeFodi  ...
Blickt kritisch auf die Entwicklung der Bundesliga: MIchael Ballack.Bild: www.imago-images.de

International nur noch auf Platz 4

Die letzten Europacup-Jahre zeichnen ein düsteres Bild für die deutsche Liga. Zwar gewann Bayern München 2019/20 die Champions League und Eintracht Frankfurt 2021/22 die Europa League, doch sicherten sich spanische Teams 18 europäische Titel, englische Teams elf. In der Fünfjahreswertung ist Deutschland nur noch auf Platz 4, auch deutlich hinter Italien.

«Man muss sich dem Thema Investoren öffnen.»
Michael Ballack

Natürlich fragen sich die Verantwortlichen der Bundesliga, wie man da wieder aufholen kann. Und da kommt man schnell zur in den Topligen einmaligen 50+1-Regel, die vorschreibt, dass die Stimmenmehrheit beim Verein bleibt und kein Investor Mehrheitseigner werden kann. Ein Gegner dieser Regel ist Michael Ballack: «Man muss sich dem Thema Investoren öffnen, damit die Bundesliga nicht noch weiter an Boden verliert im Vergleich zur Premier League oder zu den anderen grossen europäischen Klubs.»

Die Regel steht aufgrund eines Entscheids des deutschen Bundeskartellamts wieder zur Diskussion. Dieses akzeptiert die 50+1-Regel zwar grundsätzlich, nicht aber die Ausnahmen Leverkusen und Wolfsburg, die den Konzernen Bayer und VW gehören. Bis Ende Oktober muss die Deutsche Fussball-Liga (DFL) ihre Stellungnahme dazu abgeben, zwingt das Kartellamt die Liga zum Handeln, könnte das schwerwiegende Folgen haben.

50+1 soll bleiben, die Klub-WM kommen

Das Liga-Präsidium um Hans-Joachim Watzke und Axel Hellmann stellt sich aber klar hinter die 50+1-Regel. Im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau sagte Präsident Watzke: «Es ist der grösste Blödsinn aller Zeiten zu behaupten, der Abstand zur Premier League wäre wegen 50+1 so gross.» Vielmehr liege es daran, dass «die Premier League jede Saison vier Milliarden Euro Fernsehgelder bekommt und die Bundesliga nur 1,3 Milliarden».

Um die finanzielle Kluft zu verkleinern, wollen Watzke und Hellmann unter anderem gerne die Klub-WM nach Deutschland holen. Davon verspricht sich die Liga einen kurzfristigen finanziellen Schub. Ein Liga-Investor sei hingegen kein Thema mehr, nachdem Fanproteste gegen den Verkauf eines Teils der Medienrechte für die nächsten 20 Jahre im Februar 2024 zu einem Umdenken geführt hatten.

09.02.2024 - Fu
Die Fans haben eine klare Meinung zu Investoren.Bild: www.imago-images.de

Eine ähnliche Reaktion dürfte es geben, sollte die 50+1-Regel jemals abgeschafft werden. Schon die durch Unternehmen oder Mäzene finanzierten RB Leipzig, Hoffenheim, Bayer Leverkusen und Wolfsburg werden sehr kritisch gesehen. Moralisch schwierig vertretbare Investoren wie der Staat Saudi-Arabien (Newcastle), die Herrscherfamilie von Abu Dhabi (Manchester City) – beiden werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen – oder ein katarischer Geschäftsmann mit sehr engen Verbindungen in die Politik (PSG) sind in Deutschland nicht erwünscht.

Wettbewerbsnachteil oder Alleinstellungsmerkmal?

Und die Bundesliga-Klubs haben im Vergleich einen weiteren Wettbewerbsnachteil. Einnahmen sind nämlich eigentlich nicht das Problem: Die deutschen Klubs machen im Durchschnitt etwa gleich viel Umsatz wie die spanischen – auch hier ist England mit Abstand Erster. Jedoch muss in Deutschland ordentlich gewirtschaftet werden, verschuldet sich ein Klub zu stark, droht der Zwangsabstieg. Da haben Vereine wie Real Madrid oder der FC Barcelona, die trotz Verschuldung in Milliardenhöhe einfach weiter Geld ausgeben können, natürlich Vorteile.

«Abgehängte Liga? Gut so!»
Kommentar in der «taz»

Dass die Bundesliga dieses Spiel nur bedingt mitmacht – natürlich verschliessen sich auch die deutschen Klubs nicht vor der Kommerzialisierung –, ist in den Augen vieler aus ethischen Gründen positiv zu sehen. Die taz titelt: «Abgehängte Liga? Gut so!» Philipp Lahm lobt bei The Athletic, wie stark die Bundesliga in der Gesellschaft verankert ist. Die 50+1-Regel werde ein immer stärkerer Vorteil für die Liga, da sie ein Alleinstellungsmerkmal ist. Zudem ist die Stimmung in keiner Topliga so gut wie in Deutschland.

29.08.2025, xblx, Fussball 1.Bundesliga, Hamburger SV - FC St.Pauli v.l. Choreographie, Choreo, Choreografie, Fans, Ultras, Zuschauer, Banner, , Tribuenen, Zuschauer, Stadion, Fans, Tribuene, Raenge,  ...
Die Fans des HSV begeisterten im ersten Bundesliga-Heimspiel seit über 7 Jahren mit einer Choreo.Bild: www.imago-images.de

Darauf kann die Bundesliga stolz sein, doch mit dem Stolz ist es aktuell eben etwas schwierig. Ist die einst so grosse Liga nur noch eine Ausbildungsliga für die Premier League? Eine «Farmers League», wie es abschätzig oft heisst? Dieses Schicksal zu akzeptieren, dürfte den Verantwortlichen des deutschen Fussballs sehr schwerfallen. Aber wollen sie dies verhindern, müssten sie wahrscheinlich die Werte der Liga verraten, was kaum wünschenswert wäre.

Die Frage danach, was am Ende wichtiger ist – die traditionellen Werte oder internationale Wettbewerbsfähigkeit – dürfte die Bundesliga also noch ein Weilchen begleiten. Und damit ihre Sinnkrise.

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    quelle: keystone / anna szilagyi
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    Der Micha
    14.09.2025 12:30registriert Februar 2021
    Die Premier League ist doch ein Paradebeispiel dafür wie kaputt der moderne Fußball eigentlich ist. Und nein, die Bundesliga soll sich nicht für Investoren öffnen. Denn sonst driftet es in die gleiche Richtung ab.
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    El Mussol
    14.09.2025 11:53registriert Mai 2023
    Vielleicht ist es ganz gut, wenn Deutschland die Millionenspirale nicht mitgeht. Denn das wird irgendwann ein böses Ende finden. Wachstum ist nicht endlos, diese Wahnsinnssummen können bald nicht mehr reingeholt werden, die Scheichs ziehen sich wieder zurück und etliche europäische Clubs werden in ernsthafte Finanznot kommen (und sich nicht so rauswinden können, wie es Barcelona kann).
    Sobald die Blase geplatzt ist, stehen alle Clubs gut dar, die den Wahnsinn nicht mitgemacht haben.
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    Tsherish De Love aka Flachzange
    14.09.2025 12:17registriert September 2020
    Schon früher hatten die nie die Kohle wie Italien oder jetzt England. Sonst wären Völler, Hässler, Brehme, Matthäus, Klinsmann und Co nicht in Italien sondern Maldini und Co in Deutschland gewesen.
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