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Aus diesen 5 Gründen steckt Meister EVZ in einer tiefen Krise

Zug's players look disappointed after losing against the team Geneve-Servette, during a National League regular season game of the Swiss Championship between Geneve-Servette HC and EV Zug, at the ...
Beim EV Zug dominieren derzeit die langen Gesichter.Bild: keystone
Analyse

Aus diesen 5 Gründen steckt Meister EVZ in einer tiefen Krise

Nach 15 Spielen steht EV Zug in der Tabelle nur auf dem 9. Platz. Eine Analyse zu den Problemen beim Schweizer Meister.
28.10.2022, 11:2028.10.2022, 12:32
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1:6 gegen Lugano. 3:2 nach Penaltys gegen Bern. 1:3 gegen Langnau und 1:6 gegen Genf. Beim EV Zug passt in der neuen Saison noch nicht viel zusammen. Nach zwei Titeln in Folge sind die Zentralschweizer ins tiefe Mittelfeld der Tabelle zurückgefallen. Der Rückstand auf Leader Genf beträgt bereits 14 Punkte – und dies, obwohl die Mannschaft im Vergleich zum letzten Meistertitel praktisch gleich geblieben ist.

National-League-Tabelle am 28.10.2022
Die aktuelle Tabelle der National League.Bild: watson

Was läuft schief in der Mannschaft von Dan Tangnes? Eine Spurensuche in fünf Punkten.

Verunsicherte Verteidigung

Wer einen Blick auf die Tabelle der National League wirft, kann schnell eines der grossen Probleme der EVZ-Ausgabe 2022/23 ausmachen: die Verteidigung. 52 Gegentore haben die Zentralschweizer in 15 Spielen bereits kassiert. In der National League sind in dieser Sparte nur Ajoie und Kloten noch schlechter.

Die Analytics zeigen: Die Zuger sind anfällig auf aggressives Forechecking der Gegner. Nur Lugano lässt in diesen Situationen mehr Torchancen zu als der EVZ. Auch bei schnellen Gegenstössen hat die Hintermannschaft Mühe. Der Blick auf das Video bestätigt das: Die Spieler von Dan Tangnes verlieren im eigenen Drittel viele Zweikämpfe, stehen nach Scheibenverlusten falsch oder schaffen es nicht, die Scheibe in brenzligen Situationen aus der Zone zu spielen.

Video: extern / rest

EVZ-Gegentore fallen oft nach verlorenen Zweikämpfen und schlechtem Positionsspiel.

Ein Problem ist auch, dass das Verteidiger-Duo Niklas Hansson und Samuel Kreis bislang nicht mehr auf das Niveau des Vorjahres gekommen sind. Im Vergleich zur letzten Saison lassen die zwei über 60 Minuten Eiszeit Chancen für 0,4 zusätzliche Gegentore zu. Das ist insbesondere ein Problem, da Hansson der EVZ-Verteidiger mit der meisten Eiszeit ist.

Ausgebremstes Umschaltspiel

Insbesondere in der letzten Saison war der EV Zug eines der gefährlichsten Teams bei Off-The-Rush-Chancen. Bei diesen folgt spätestens fünf Sekunden nach dem Betreten der offensiven Zone der Abschuss. Unter Dan Tangnes kamen immer rund 40 Prozent oder mehr der Zuger Chancen nach solch schnellen Gegenstössen.

Das ist nun überhaupt nicht mehr der Fall. Nur noch 33,6 Prozent der EVZ-Chancen werden «off the rush» kreiert – der tiefste Wert in der ganzen Liga. Und wenn Gregory Hofmann und Co. endlich mal mit Tempo in die Zone kommen, wird es meist nicht besonders gefährlich. Zug kommt in 60 Minuten 5-gegen-5-Eishockey auf 0,87 Expected Goals nach schnellen Gegenstössen. Nur Ajoie und die SCL Tigers sind noch schlechter.

Wer die Spiele des EVZ beobachtet, merkt sofort, woran das liegt. Die Zuger haben mehr Mühe als in den Jahren zuvor, mit Scheibenbesitz in die gegnerische Zone zu kommen. Zu oft geht der Puck beim Betreten des Offensivdrittels verloren.

Video: extern / rest

Der EVZ hat Mühe mit den sogenannten «Zone Entries».

Kaputtes Selbstvertrauen

Nach dem 1:6 gegen Lausanne am 8. Oktober, der dritten Niederlage in Serie, sagte Stürmer Sven Senteler, dass sie ohne Selbstvertrauen spielen würden, obwohl es dazu keinen Grund gebe. Zehn Tage später, nach dem 1:6 in Lugano, gab Tangnes zu Protokoll, die Spieler seien gefangen in ihren Gedanken, jeder sei mit sich selber beschäftigt.

«Wir müssen alles ändern» – das sagte Dan Tangnes nach der 1:6 Niederlage in Genf.Video: YouTube/MySports

Wie kann das sein bei einer Mannschaft mit so vielen starken Charakteren, einem Team, das im diesjährigen Playoff-Final das scheinbar Unmögliche geschafft hat? Wie kann das Selbstvertrauen so schnell verloren gehen?

Sportpsychologe Jörg Wetzel, der an Olympischen Spielen jeweils die Schweizer Delegation betreut, hat das Gleiche beim SC Bern miterlebt. «Wenn die Spieler voller Selbstvertrauen sind, dann sind die Gedanken automatisch positiv und immer lösungsorientiert. Sie trauen sich zu, alles zu schaffen», sagt Wetzel im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. «Selbstvertrauen ist jedoch wie die Gesundheit keine Selbstverständlichkeit. Man muss etwas dafür machen.»

Als Vergleich nimmt er die Rumpfmuskulatur. «Ist diese stabil, hält sie Belastungen stand. Wird sie dann nicht mehr trainiert, geht dies noch eine Weile gut, irgendwann aber wird der Preis für die Vernachlässigung bezahlt. Bezogen auf das Selbstvertrauen sind das erste Zweifel, die nach ungewohnt vielen Niederlagen aufkommen. Können wir das noch? Diese Verunsicherung überträgt sich unbewusst wie ein ansteckender Virus auf die gesamte Mannschaft. Die Spirale dreht sich nach unten.»

Unterdurchschnittliche Torhüter

In den letzten Jahren waren Leonardo Genoni und Luca Hollenstein stets da, wenn der EVZ sie gebraucht hat. Der Zürcher Routinier und der Ostschweizer Youngster bildeten eines der besten Torhüter-Duos in der National League. In der laufenden Saison funktioniert bei Zug aber nicht einmal mehr das. Nicht nur die Verteidigung, auch die Goalies zeigen bislang unterdurchschnittliche Leistungen.

Leonardo Genoni sah sich in der bisherigen Saison bislang mit 237 Schüssen und Torchancen im Wert von 19,53 Expected Goals konfrontiert. Der 35-Jährige musste seinen Gegnern aber bereits 22 Tore zugestehen, also etwas mehr als erwartet. Hollensteins Statistik sieht gar noch etwas schlechter aus: 89 Schüsse auf sein Tor, 8,64 Expected Goals Against und schon 13 tatsächliche Gegentore.

Vereinfacht formuliert bedeutet das: In Zeiten, in denen sich der EVZ ohnehin schon schwierig tut, kommt ausgerechnet auch keine Hilfe mehr von den eigenen Torhütern.

Special Teams

Letzte Saison hatte Zug das beste Unterzahlspiel und eines der besten Powerplays der Liga. Dieses Jahr ist bislang das Gegenteil der Fall. Das Überzahlspiel ist mit einer Effizienz von 15,38 Prozent das Zweitschlechteste der Liga. Das Penalty-Killing ist mit einer Erfolgsquote von 73,17 Prozent ebenfalls auf Platz 13 zu finden – nur noch Kloten ist schlechter.

Fazit

Jetzt lautet die grosse Frage: Sind diese fünf Punkte der Ursprung der Zuger Baisse? Oder sind sie einzig Symptome eines tiefergehenden Problems? Zunächst gilt es zu sagen, dass die Zuger zumindest statistisch gesehen immer noch ok unterwegs sind. Sie kreieren bei 5-gegen-5-Eishockey mehr eigene Chancen (2,59 pro 60 Minuten) als sie dem Gegner zugestehen (2,35). Diesbezüglich sind sie in der National League auf dem sechsten Platz zu finden.

In der Realität auf dem Eis sieht es aber immer noch stark nach Meisterblues aus. Die Zuger wirken immer ein Stück langsamer als ihre Gegner, verlieren Zweikämpfe, die sie im Normalfall gewinnen. Als wäre in den Köpfen die Idee verankert, dass der EVZ nach den letzten zwei Jahren sowieso kaum verlieren kann, weshalb die Spieler dann etwas den Fuss vom Gas nehmen. Es wäre eine logische Erklärung für die oben ausgeführten Problemzonen.

Und genau das kann dann in einer ausgeglichenen Liga, wie sie die National League in diesem Jahr ist, den Unterschied über Sieg und Niederlage ausmachen. Gepaart mit einem nach mehreren Pleiten angeknacksten Selbstvertrauen noch viel mehr. Doch klar ist auch: Die Saison dauert noch mehr als 35 Spiele. Und der EV Zug hat mehr als genug Qualität im Kader, um das Ruder wieder rumzureissen und ganz vorne mitzumischen.

Mit Material der Nachrichtenagentur keystone-sda.

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24 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Nummy33
28.10.2022 12:24registriert April 2022
die Saison ist noch jung, Zug kommt schon noch. Ehrlich gesagt (und das ohne Schadenfreude) finde ich es schön dass auch bei Zug mal nicht alles klappt. Aber wie gesagt, Zug wird sich verbessern und die Saison ist noch sehr lang
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James R
28.10.2022 11:45registriert Februar 2014
Tangenes fasst das sehr gut zusammen und ist für ein TV-Interview überrauschend klar.
"not acting as a team and making slow decisions". Das ist der Meister-Blues im Herbst der neuen Saison. Man schauen, ob Tangenes nun einen "sense of urgency" kreieren kann und sie in den Playoffs wieder da sind. Das wäre dann sein Meisterstück.
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