Die Swiss League, wie wir sie heute kennen, ist wohl bald Geschichte. Gestern hat die National League beschlossen, auch künftig eine Ligagrösse von 14 Mannschaften beizubehalten, keinen direkten Auf- und Abstieg einzuführen und dem Unterhaus auch nicht mit einer direkten Finanzspritze auszuhelfen.
Das hat natürlich Folgen. watson-Eismeister Klaus Zaugg prophezeit, dass die zweithöchste Schweizer Eishockey-Liga so bald zur Amateurliga, oder zumindest zum Halbprofitum verkommt. Und der «Blick» titelte: «National League beerdigt die Swiss League».
Die Swiss League (ehemals NLB) hat hierzulande den Ruf, eine Ausbildungsliga zu sein. Was also, wenn diese Spielklasse plötzlich wieder auf verbessertes Amateur-Niveau zurückfällt? Hat das künftig Auswirkungen auf das Niveau in der National League und langfristig auch in der Nationalmannschaft?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir zunächst anschauen, wie viele Spieler in der National League eine Vergangenheit in der Swiss League haben. Wir sind die Kader aller 14 Oberklassigen durchgegangen und haben analysiert, wie viele Spieler vor dem Durchbruch in der National League (25 oder mehr Spiele in einer Saison als Feldspieler, 15 Spiele als Goalie) in der Swiss League aktiv waren und wie viele Partien sie in der zweithöchsten Liga gemacht haben.
Es sind doch einige. National-League-Kader umfassen durchschnittlich 28 Spieler. Rund acht davon haben vor ihrem Durchbruch im Oberhaus jeweils in der Swiss League gespielt (ohne Import-Spieler). Bevor diese den Sprung in die National League schafften, absolvierten sie durchschnittlich 86 Partien im B.
Der HC Ajoie müsste eigentlich ausser Betracht gelassen werden. Die Jurassier, die 2021 aufgestiegen sind, haben immer noch viele Spieler im Kader, die über Jahre in der Swiss League zum Stamm gehörten. Deshalb sind sie sowohl bei der Anzahl Spieler und der Menge an NLB-Partien ganz vorne zu finden.
Die Spieler lassen sich grundsätzlich in drei Kategorien aufteilen: Aufsteiger, Farmteam-Profiteure und Spätzünder. Erstere spielen in der zukünftigen Qualität von National League und Nationalteam keine Rolle. Es sind Spieler wie Jordane Hauert, Reto Schmutz oder Michael Loosli, die mit ihren Teams in die oberste Spielklasse aufgestiegen sind und sich so dort etabliert haben. Ohne Aufstieg wären sie vermutlich ihre ganze Karriere im Unterhaus geblieben.
Die Spätzünder sind von den Namen her interessant. Da gibt es etwa Killian Mottet, der sich in Sierre, Lausanne und Ajoie drei Jahre in der Swiss League herumschlug, ehe er bei Gottéron eine echte Chance erhielt und sich bis zum Topskorer und Nationalspieler mauserte. Joel Genazzi, ein anderer Schweizer WM-Fahrer, absolvierte vor seinem Durchbruch in der NLA ebenfalls 129 Spiele in der zweiten Liga, um sich den letzten Schliff zu holen. So spannend das auch ist: Es sind Einzelfälle und somit vernachlässigbar.
Mit Abstand die grösste Gruppe sind die Farmteam-Profiteure. Spieler, die bei National-League-Organisationen unter Vertrag standen, aber zwischenzeitlich in die Swiss League ausgeliehen wurden. Der grösste Teil von ihnen stammt aus den Organisationen der ZSC Lions (mit GCK) und des EV Zugs (mit der EVZ Academy). Aber auch andere Klubs wie Bern (an Visp und Langenthal) oder Davos, Ambri und Lugano (an Biasca) leihen immer wieder Spieler aus.
Diese Spieler wurden in jungen Jahren in die Swiss League geschickt, um dort Spielpraxis zu sammeln. Bekannte Beispiele sind etwa die Baltisberger-Brüder beim ZSC, Tobias Geisser und Yannick Zehnder beim EVZ oder Luca Hischier einst in Bern. Sie spielen im Alter zwischen 17 und 21 Jahren durchschnittlich 30 und 90 Spiele in der Swiss League.
In diesem Alter ist die technische Ausbildung mehrheitlich abgeschlossen. Natürlich kann man sich weiter verbessern, das geht dann aber vor allem über Spielpraxis (auch in Über- und Unterzahl). Das kann auch in einer Halbprofi-Liga weiterhin gemacht werden, zumal das Niveau nicht viel anders sein dürfte als bislang bei den GCK Lions, Winterthur, den Ticino Rockets oder der EVZ Academy. Es fällt aber auch auf: Die meisten grossen National-League-Spieler schaffen den direkten Sprung von den Junioren ins Oberhaus. Die Swiss League ist also weniger Ausbildungsliga, als Mittel zum Zweck, wenn es um Spielpraxis geht.
Bei den Torhütern spielte die Swiss League in der Vergangenheit eine zentralere Rolle. Leonardo Genoni, Reto Berra, Sandro Aeschlimann, Niklas Schlegel, Philipp Wüthrich, Melvin Nyffeler, Ludovic Waeber, Tim Wolf, Damiano Ciaccio – die Liste der National-League-Goalies, die sich in der Swiss League den letzten Schliff holten, ist lang.
Das ist nur logisch, schliesslich hat es in einer Mannschaft nur Platz für zwei Torhüter und spielen kann jeweils nur einer aufs Mal. Statt in der National League auf der Bank zu versauern, konnten junge Keeper eine Liga tiefer Spielpraxis und Erfahrung sammeln. Das sollte grundsätzlich auch künftig bei einer veränderten Swiss League möglich sein.
Das Problem ist eher ein anderes: Aufgrund der erhöhten Ausländeranzahl in der National League gibt es immer mehr ausländische Torhüter, die den Schweizern die Plätze zwischen den Pfosten wegnehmen. Das heisst: Auch wenn sie sich in der Swiss League bewähren, ist nicht garantiert, dass die Schweizer Keeper in der National League dann auch zum Einsatz kommen.
Die drohende Abwertung der Swiss League zum Halbprofitum bringt natürlich trotzdem ihre Herausforderungen mit sich. Einerseits droht, viel Hockeykultur verloren zu gehen. Olten, Langenthal, Visp oder La Chaux-de-Fonds sind Zweitliga-Teams mit viel Tradition und einer guten Fankultur. Ob es sie in dieser Form auch künftig geben wird und was das für Auswirkungen für die Eishockeykultur und Nachwuchsarbeit in diesen Regionen bedeutet, ist schwierig abzuschätzen.
Die grössten Schweizer Hockeytalente werden weiterhin Unterschlupf in den National-League-Organisationen finden. Doch in der Breite könnte das hiesige Eishockey verlieren. Mit dem Wegfall der Swiss League als zweite Profiliga gibt es für Schweizer Spieler weniger Möglichkeiten, mit Hockey Geld zu verdienen. Sollte das eintreffen, dürften künftig weniger Nachwuchsspieler voll auf die Karte Eishockey setzen. Die Schweiz hat im Vergleich zu den besten Eishockeynationen bereits heute weniger lizenzierte Spieler.
Die Swiss League wird ihrem Ruf als Ausbildungsliga nur bedingt gerecht. National-League-Klubs mit Farmteams nutzen sie hauptsächlich, um jungen Spielern Spielpraxis zu geben. Gerade beim ZSC kommen talentierte Junge schon mit 16 oder 17 Jahren bei den GCK Lions zum Einsatz. Ansonsten sind National-League-Spieler mit NLB-Vergangenheit aber Aufsteiger oder Ergänzungsspieler. Die wirklich guten NL-Spieler schaffen meist den direkten Sprung von den Junioren in die erste Mannschaft.
Ein grosser Qualitätsverlust in der National League und der Schweizer Nationalmannschaft sind vorerst noch nicht zu befürchten. Einbussen dürfte es dagegen in der Breite des Schweizer Eishockey geben und auch Schweizer Torhüter haben es künftig schwer. Das liegt aber noch viel mehr an der Ausländeranzahl in der National League als an der Ausgangslage in der Swiss League.