Am Montagabend (21 Uhr) tritt die Schweizer Nati in Bukarest zu ihrem EM-Achtelfinal an. Will das Team von Vladimir Petkovic endlich in den Viertelfinal eines grossen Turniers einziehen, muss ein grosser Brocken aus dem Weg geräumt werden – Weltmeister Frankreich, welcher die Hammergruppe F mit einem Sieg und zwei Unentschieden als Erstplatzierter beendete.
Auf dem Papier ist die Ausgangslage klar: Die Franzosen steigen als haushohe Favoriten ins Duell mit dem kleinen Nachbarn. Einerseits aufgrund der bisherigen Auftritte an dieser Euro, andererseits aufgrund der individuellen Klasse im Team der Franzosen. Doch wie gross war der Leistungsunterschied zwischen den Spielern der Schweiz und Frankreich bisher tatsächlich? Ein Blick auf die Statistiken zeigt, dass die Angelegenheit knapper werden könnte als erwartet.
Auf der Goalieposition hatte Frankreich bisher deutliche Vorteile gegenüber der Schweiz. Während Yann Sommer bereits fünf Mal hinter sich greifen musste, kassierte Hugo Lloris erst drei Gegentreffer – dabei zwei vom Elfmeterpunkt aus.
Zudem sprechen auch die Advanced Stats eine deutliche Sprache zugunsten des Tottenham-Keepers. Während Lloris aus dem Spiel heraus nur einen Gegentreffer trotz 2,3 erwarteten Gegentoren kassierte, musste Sommer fünf Gegentreffer hinnehmen, obwohl der erwartete Wert mit 3,4 um einiges tiefer ist.
Bei den Innenverteidigern ist die bisherige Turnierleistung relativ ausgeglichen. Auf Schweizer Seite überzeugte defensiv vor allem Nico Elvedi – von allen Innenverteidigern hatte er die meisten Tacklings und gemeinsam mit Manuel Akanji die meisten Interceptions. Die beiden Franzosen Raphael Varane und Presnel Kimpembe überzeugen dafür mit besonders grosser Sicherheit im Aufbauspiel – beide haben eine Passquote von deutlich über 90 Prozent.
Logisch erscheint im Hinblick auf die Statistiken zudem die Massnahme von Vladimir Petkovic, Ricardo Rodriguez in der Innenverteidigung und nicht mehr als linken Aussenläufer aufzustellen. Während seine offensiven Zahlen deutlich schlechter sind als diejenigen von Steven Zuber, überzeugt er defensiv vor allem mit seinen 20 Recoveries.
Auf den Aussenpositionen überragt vor allem Steven Zuber. Der Frankfurt-Söldner stand zwar nur gegen die Türkei in der Startformation, kommt offensiv mit drei Assists sowie 1,49 Expected Goals bei seinen Angriffsbeteiligungen aber dennoch auf die klar besten Werte aller vier Spieler. Dabei gilt es allerdings zu beachten, dass Zuber im Schweizer 3-4-1-2-System eine Rolle inne hat, die ihm grundsätzlich eine etwas offensivere Ausrichtung erlaubt als den Franzosen in ihrer defensiven Viererkette.
Bei den «Bleus» hat derweil Rechtsverteidiger Benjamin Pavard die etwas besseren Zahlen gegenüber seinem Bayern-Teamkollegen Lucas Hernandez. Pavard hat mehr erfolgreiche Tackles und Interceptions, zudem ist sein offensiver Einfluss mit 0,99 Expected Goals bei seinen Angriffsbeteiligungen deutlich höher. Die einzige Torbeteiligung hat bisher aber Hernandez auf dem Konto – er spielte in der Partie gegen Deutschland den Ball zur Mitte, welchen Mats Hummels im eigenen Tor versenkte.
Wie die bisherigen Statistiken erahnen lassen, dürfte Frankreich gegen die Schweiz vor allem im Mittelfeld einen klaren Vorteil haben. Grund dafür ist das bisher stark aufspielende Duo im Zentrum: Paul Pogba und N'Golo Kanté. Pogba überzeugt dabei vor allem offensiv – von den fünf Mittelfeldspielern, die am Montag auf dem Platz stehen dürften, hat er die meisten Expected Goals, die klar meisten Expected Assists, die meisten Schüsse und die meisten Dribblings auf dem Konto. Kanté übernimmt hingegen die defensiveren Aufgaben, seine acht Interceptions sind der fünftbeste Wert aller Spieler bisher.
Die Statistiken verraten zudem, wie wichtig die Rolle von Granit Xhaka im Schweizer Team ist. Der Arsenal-Legionär spielte deutlich mehr Pässe als Teamkollege Freuler und mit Abstand die meisten aller Schweizer. Zudem hatte er von allen fünf Spielern die meisten erfolgreichen Tackles.
Im Vergleich der beiden offensiven Mittelfeldspielern hatte Xherdan Shaqiri bisher den etwas grösseren Einfluss als Antoine Griezmann. Der Basler war an drei der vier Schweizer Tore beteiligt, hat bisher doppelt so viele Expected Goals auf dem Konto und lief etwas mehr als der Franzose. Griezmann hingegen blieb bisher etwas unter den Erwartungen: In der Gruppenphase gelang ihm nur eine einzige Torbeteiligung gegen Ungarn.
Von den vier gesetzten Stürmern hat bisher einer die statistisch klar beste EM gespielt – erfreulicherweise ist dies ein Schweizer. Zwar hat Breel Embolo an dieser Endrunde erst eine Torbeteiligung auf dem Konto, doch die Zahlen zeigen, wie gut die Leistungen des Gladbachers tatsächlich waren. Embolo hat die meisten Expected Goals, die meisten Expected Goals bei Angriffsbeteiligungen, die meisten Abschlüsse und er sprintete bisher am schnellsten.
Der einzige der vier Stürmer, der noch keine einzige Torbeteiligung hat, ist derweil überraschenderweise Kylian Mbappé – der Shootingstar hat «nur» einen Penalty gegen Portugal rausgeholt. Dennoch zeigen die Zahlen, wie gefährlich der PSG-Stürmer eigentlich auch an der EM ist: Seine 1,29 Expected Goals sind der mit Abstand beste Wert aller Franzosen, seine 17 Dribblings sind zudem über alle Mannschaften gesehen der bisherige Bestwert.
Schaut man sich nur die Zahlen der einzelnen Spieler an, scheint die Ausgangslage für die Schweizer Nati im Achtelfinal gegen die Franzosen gar nicht so schlecht zu sein. Mit Paul Pogba und N'Golo Kanté verfügt der Weltmeister zwar über ein formstarkes und hochkarätiges Mittelfeld-Duo und mit Hugo Lloris über den statistisch besseren Torhüter, mit Xherdan Shaqiri und Breel Embolo hat die Schweiz aber zwei Offensivspieler im Kader, welche bisher mehr Einfluss hatten als ihre französischen Pendants.
Dennoch sind die Zahlen etwas mit Vorsicht zu geniessen. Mit Wales, Italien und der Türkei hatte das Team von Vladimir Petkovic die insgesamt schwächeren Gegner als Frankreich, welches sich bereits mit Deutschland, Ungarn und Portugal messen musste. So kommen die Franzosen automatisch auf die etwas weniger starken Werte.