Die Nations League. Es ist müssig, darüber zu diskutieren, was man von ihr halten soll, ob sie nun Chabis und Geldmacherei der UEFA ist. Oder ein sinnvoller Ersatz für Testspiele und dank eines möglichen Titelgewinns einen höheren Stellenwert hat. Man lasse die Meinungen einfach stehen, es änderte ohnehin nichts.
Die Ränge an den beiden Spielorten Porto und Guimarães werden so oder so gut besucht sein an den Halbfinal- und Finalpartien, wenn die besten vier Teams der höchsten Nations-League-Liga aufeinandertreffen. Doch den Hype, den gibt es vor Ort bislang nicht.
Insbesondere aber sind es K.-o.-Spiele, die kein Trainer der Welt simulieren kann, egal, wie der Gegner hiesse. Bekanntlich scheitert die Schweiz an Grossanlässen in solchen Endspiel-Momenten stets; die überstandene Barrage gegen Nordirland im Herbst 2017 nicht mitgerechnet. Diese Tatsache verändert die Herangehensweise ans Final Four für die aktuelle Schweizer Generation, die sich altersmässig um den Stamm mit Granit Xhaka, Fabian Schär oder Xherdan Shaqiri langsam dem Zenit nähert. Von der man sagt, sie sei die vielleicht talentierteste, die das Land jemals gesehen hat.
Die zwei bevorstehenden Partien sind somit eine Art Schulstunde für den Erfahrungsschatz und kommende, höhere Aufgaben an einer EM oder WM, um es womöglich einmal in einen Viertelfinal zu schaffen. Gewiss werden die Tage in Portugal einen nächsten Ansatz liefern, wie weit diese Schweiz tatsächlich ist und was man von ihr halten soll in einem Feld mit Topnationen.
Es wäre schön, wenn das 5:2 gegen Belgien als Benchmark diente, aber so weit ist sie noch lange nicht. Ohnehin bleibt die Zuneigung zur Nationalmannschaft volatil. Sie ist abhängig vom Gebotenen, das in jüngster Zeit beileibe nicht schlecht war bis auf den WM-Dämpfer in Russland gegen Schweden. Und manchmal genügt den Zuschauern wie in der EM-Qualifikation nicht einmal das Topspiel gegen Dänemark, um sie ins Stadion zu locken. Der St.Jakob-Park blieb halb leer.
Nach dem Dänen-Spiel wurde zudem wieder einmal deutlich, wie kritisch Medien und Anhänger dem Nationaltrainer Vladimir Petkovic noch immer gegenüberstehen. Arrogant und fahrlässig sei es gewesen, Granit Xhaka bei der 3:0-Führung auszuwechseln. Wie konnte Petkovic nur so handeln? Die angebliche Verletzung Xhakas wurde nach dem 3:3 als Schutzbehauptung des Nationalcoachs abgetan. Dass der zentrale Mittelfeldspieler in der Folge drei Pflichtspiele mit Arsenal an der Leiste verletzt verpasste, interessierte im Nachgang niemanden. Da hatten es Petkovics Vorgänger leichter.
Petkovic kann eine gewinnende Art haben und lustig sein, wenn er sich fernab von Mikrofonen und TV-Geräten in privater Atmosphäre präsentiert. Dort kommt seine fehlende deutsche Sprachsicherheit auch nicht zum Tragen, und womöglich würde er in dieser Gesellschaft die Personalie Stephan Lichtsteiner anders erklären als der Öffentlichkeit. Vermutlich gäbe es keine Erklärungssätze wie: «Lichtsteiner hat in der Nations League ja nie gespielt, deshalb ist er nun nicht dabei.»
Dabei könnte man es auch so sehen: Petkovic geht im Final Four einfach seinen Weg konsequent weiter, den er zu Beginn der Nations League eingeschlagen hat mit dem Ziel, Neue und Junge einzubauen. Natürlich gibt es rationale Gründe wie das Alter oder die vergangene Klubsaison, die gegen Lichtsteiner sprechen. Die emotionalen sprechen für ihn. Die Causa ist es denn auch, die derzeit in Porto trotz Abwesenheit des Captains mitschwingt.
Nicht, dass sie diese Mannschaft in den zwei Spielen jetzt gross beschäftigt, aber sie beschäftigt den Trainer und die Medien und raubt damit den Fokus und Energie. Es geht um Fragen und das Mass der Loyalität, vielleicht auch um den würdigen Abschluss einer Nationalmannschaftskarriere, der in der Schweiz oft und zuletzt sogar in Deutschland bei Hummels, Boateng und Müller verpasst wurde; diesen würdigen Abschluss stellt Lichtsteiner auch selbst infrage, weil er so lange weitermachen will, bis «es mich verbläst». Und es wird richtig problematisch, wenn Trainer und Spieler über eine gemeinsame Geschichte mit zwei Endrunden verfügen, in denen man zusammenhielt und sich der gegenseitigen Treue sicher sein konnte.
Vielleicht wäre es ehrlicher, Petkovic würde Lichtsteiner sagen, dass er ihn nicht mehr brauchte – und genau das ist die Gretchenfrage. Die Antwort wird folgen, im Final Four, das Petkovic gewinnen will, und in der EM-Qualifikation, in der die Nati noch sechs Spiele zu absolvieren hat.
Petkovic ist ein fähiger Trainer mit Kommunikationsmängeln.