Was ist nur mit dem HC Lugano los? Eigentlich schien bei der Mannschaft aus dem Sottoceneri vieles zu stimmen. Man hat eine neue Identität gefunden mit einem jungen Trainer aus den eigenen Reihen und mit diversen Youngstern im Kader. Man gab sich bescheiden und trotzdem konnten die Tessiner in den letzten Playoffs den späteren Meister Servette fordern. Und nun in der neuen Saison hätte es eigentlich einen weiteren Schritt nach vorne geben sollen.
Stattdessen sind die Luganesi nach dem ersten Fünftel der Saison auf dem zweitletzten Platz zu finden. Mit zwölf Punkten aus elf Spielen ist in der National League einzig Ajoie noch schlechter. Die Probleme der «Bianconeri» sind vielschichtig.
Unfassbare 41 Gegentreffer hat Lugano in dieser Saison schon erhalten – also 3,73 Gegentore pro Spiel. Keine Verteidigung in der höchsten Schweizer Liga ist löchriger. Auch die Expected Goals lassen nichts gutes erahnen: Pro 60 Minuten 5-gegen-5-Eishockey lassen die Tessiner Chancen für 2,67 Gegentore zu. Das ist der viertschlechteste Wert der Liga.
Die genauen Probleme in der Hintermannschaft des HCL sind im Videostudium relativ schnell ersichtlich: Lugano macht zu viele Fehler im Spielaufbau und hat Mühe mit dem Tempo der Gegner. 31 Tore hat Lugano bei 5-gegen-5 in dieser Saison schon kassiert. Elf davon kamen nach schnellen Gegenstössen der Gegner, bei acht weiteren ging ein Puckverlust im Spielaufbau oder ein missglückter Klärungsversuch in der eigenen Zone voraus.
Gerade letztere Gegentore wären vermeidbar. Die Lugano-Spieler nehmen im Spielaufbau oft sehr viel Risiko mit langen Pässen. Diese landen häufig entweder direkt beim Gegner oder sind derart ungenau, dass die Scheibe von den Stürmern nicht kontrolliert werden kann, was ebenfalls in einem Puckverlust endet. Viel zu oft kreieren die Luganesi mit unbedachten Pässchen aus im Ansatz absolut ungefährlichen Situationen eine Torchance für die Gegner.
Ein Paradebeispiel dafür ist die unten zu sehende Aktion gegen Zug. Stürmer Michael Joly kontrolliert die Scheibe in der eigenen Zone und wird von Zugs Jan Kovar bedrängt. Er könnte den Puck mühelos zu Verteidiger Samuel Guerra spielen, der von hinter dem Tor das Spiel aufbauen will. Doch Joly wählt den Weg in die Ecke, wo Kovar nun die Passlinie zu Guerra abschneiden kann. Trotzdem versucht der Kanadier, den Puck zum Verteidiger zu spielen und verliert ihn prompt an den EVZ-Stürmer:
In einer Panikreaktion stürzen sich nun vier Lugano-Spieler auf Kovar. Der spielt den Puck auf Lino Martschini, der sich ebenfalls in die Zone geschlichen hat und vor dem Lugano-Tor vergessen ging. Martschini hat völlig freistehend keine Mühe, Goalie Niklas Schlegel zu bezwingen.
Offensichtlich sind auch die Probleme von Luganos Verteidigung, wenn sie in eine schnelle Rückwärtsbewegung gezwungen wird. Diese Situationen sind natürlich sehr schwierig zu verteidigen. Trotzdem werden Joey LaLeggia, Mirco Müller, Santeri Alatalo, Calle Andersson oder Samuel Guerra auffallend oft überlaufen – obwohl sie eigentlich als gute Skater gelten. Da stellt sich die Frage, ob die Taktik von Trainer Luca Gianinazzi nicht teilweise zu aggressiv ist, und seine Verteidiger auch deshalb anfällig auf schnelle Gegenstösse sind.
Nun wissen wir also, was die Probleme in Luganos Verteidigung sind. Diese könnten kaschiert werden, wenn stattdessen die Torhüter stark aufspielten. Das ist derzeit aber auch nicht der Fall. Auf dem Papier hätten die Bianconeri mit Mikko Koskinen und Niklas Schlegel ein starkes Duo zwischen den Pfosten. Schliesslich bringt Koskinen jahrelange NHL-Erfahrung mit und Schlegel hat in Lugano in den letzten Jahren konstant gute Leistungen gebracht.
Doch diese Saison ist das Duo noch nicht in Form. Natürlich werden die beiden Goalies von ihren Vorderleuten regelmässig im Stich gelassen. Doch sie schaffen es auch nicht nach Wunsch, diese Fehler der Feldspieler auszubügeln. Beide stehen aktuell bei einer Fangquote von 86,9 Prozent.
Das ist ungenügend, sagt alleinstehend aber noch nicht viel aus. Wichtig ist es daher, auch die Qualität der Chancen anzuschauen, mit denen sich die beiden Torhüter konfrontiert sahen.
Das zeigt, dass Koskinens bisherige Leistungen leicht unterdurchschnittlich waren. 16,6 Gegentore hätte der Finne aufgrund der zugelassenen erhalten müssen, 17 waren es tatsächlich. Er half Lugano nicht wirklich, schadete seiner Mannschaft aber auch nicht. Deutlich schlechter sieht die Bilanz von Niklas Schlegel aus. Der 29-Jährige sah sich mit Chancen für kumuliert 6,6 Tore konfrontiert, liess aber deren zehn zu.
Das Bittere an der Lugano-Krise ist, dass die Offensive im Grundsatz eigentlich funktionieren würde. Mit bislang 2,64 Toren pro Spiel befinden sich die Tessiner zwar knapp unter Ligadurchschnitt, aber pro 60 Minuten 5-gegen-5-Eishockey spielen sie sich Chancen für 2,6 Tore heraus. Das ist der viertbeste Wert der Liga noch vor Zug oder Spitzenreiter Fribourg-Gottéron.
Luganos grosse Problem ist die Effizienz. Es gelingt dem Team nicht, die herausgespielten Chancen auch in Tore umzumünzen. Die einzigen Spieler, die ausserhalb der Special Teams regelmässig treffen, sind Captain Calvin Thürkauf und Sniper Luca Fazzini. Insbesondere die ausländischen Stürmer tun sich schwer. Daniel Carr hat bei 5-gegen-5 zwei Tore erzielt, Mark Arcobello und Arttu Ruotsalainen je eines und Michael Joly war noch gar nie erfolgreich. Auch Giovanni Morini und Marco Zanetti haben noch eine Null zu Buche stehen.
Es zeigt sich also, dass die Lugano-Stürmer auch noch etwas vom Pech verfolgt sind. Nehmen wir Ruotsalainen als Beispiel: Seine Schusseffizienz lag letzte Saison in Kloten noch bei 9,89 Prozent. Nun in Lugano gehen nur 2,94 Prozent seiner Schüsse rein.
Ob der Finne Ende Saison auch wieder knapp unter zehn Prozent landet, lässt sich nicht sagen. Doch aufgrund seines Schusstalents darf erwartet werden, dass irgendwann eine Trendumkehr folgt und sich seine Schusseffizienz der letztjährigen Marke zumindest wieder annähert.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
5,2
09.22
5,2
09.23
5,2
01.24
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte