Ein letzter Blick noch auf die Resultattafel, dann die Gewissheit: Nein, es gibt kein verfrühtes Weihnachtsgeschenk. Die Schweiz siegt in Lettland 3:0 – aber auch Konkurrent Portugal erfüllt beim 1:0 in Ungarn seine Pflicht. Die Kontrahenten marschieren weiter im Gleichschritt. Es wäre auch zu schön gewesen, wären die Portugiesen in Ungarn gestolpert. Noch immer beträgt der Schweizer Vorsprung an der Spitze damit drei Punkte.
Für die direkte WM-Qualifikation reichen nun zwei Unentschieden in den letzten Spielen gegen Ungarn und Portugal. Es deutet alles auf den Showdown am 10. Oktober. Und diesen darf die Schweiz nicht verlieren, sonst muss sie in die Barrage. Es wird die ultimative Herausforderung für diese Schweizer Equipe. In Lissabon hat sie die Chance, zu zeigen, dass sie wirklich schon reif ist für einen Coup.
Es hatte fast schon etwas Philosophisches, als Nationaltrainer Vladimir Petkovic vor dem gestrigen Spiel erklärte, niemand würde ewig siegen und niemand würde ewig in Schwierigkeiten feststecken. Schweiz gegen Lettland, das war auch: Acht Siege in Serie gegen acht Niederlagen in Serie. Man ertappte sich plötzlich beim Gedanken, ob die Schweizer Rekordserie nicht doch plötzlich unerwartet schnell enden könne. Zum Beispiel dann, wenn man sich rund um diese Schweizer Mannschaft vielleicht etwas zu sehr ans Gewinnen gewöhnt hat.
Es kam nicht soweit. Neun Siege sind es mittlerweile am Stück. Und gestern egalisierte das Team unter Petkovic eine weitere Bestmarke. 14 Spiele hintereinander sind die Schweizer mittlerweile ohne Niederlage. Das ist so, weil das Out im Penaltyschiessen gegen Polen im EM-Achtelfinal in der Statistik als Unentschieden gewertet wird.
Noch heute denken viele Schweizer Nationalspieler ab und zu an dieses Penalty-Drama. Das Spiel gestern hat bestimmt nicht dazu beigetragen, die Wunden zu heilen. Im Gegenteil. Blerim Dzemaili verschoss einen Penalty derart kläglich, dass man einerseits davon ausgehen musste, er wolle den Ball direkt bis nach Montreal zu seinem neuen Klub schiessen. Ober aber jener Schweizer Penalty-Generation von 2006 Konkurrenz machen. Damals schied Köbi Kuhns Mannschaft im WM-Achtelfinal gegen die Ukraine aus – sämtliche Schweizer Schützen (Streller, Barnetta, Cabanas) scheiterten jämmerlich.
Für Dzemaili persönlich endete der Abend doch noch versöhnlich. Er erzielte das zweite Schweizer Tor einfach etwas später. Beim zweiten Penalty des Spiels – beide Male durch Mehmedi herausgeholt – musste er dann trotzdem Rodriguez den Vortritt lassen, der die Aufgabe auch souverän erledigte. Was bleibt sonst nach diesem Auftritt in Riga? Bemerkenswert ist vor allem eines: Nur zwei Teams in ganz Europa sind in dieser Qualifikations-Kampagne noch ungeschlagen. Die Schweiz und Weltmeister Deutschland. Allein schon dieser Fakt zeigt, wie gut die Mannschaft von Petkovic unterwegs ist. Natürlich waren einige Gegner von beschaulicher Qualität. Das galt auch für dieses Lettland von gestern. Aber das ist in anderen WM-Qualifikationsgruppen auch so. Der Sieg in Lettland war nie in Gefahr. Es war ein souverä- ner Schweizer Auftritt. Einziger Makel waren vielleicht die 15 Minuten vor der Pause, als die Schweizer – nach Dzemailis Fehlschuss etwas geschockt – nachliessen. Ansonsten aber gibt es nichts zu mäkeln. Im Gegenteil. Es spricht für sie, auch in Lettland mit der nötigen Konzentration und Seriosität an die Aufgabe herangegangen zu sein.
Genauso bemerkenswert ist die Frühform von Haris Seferovic. Auch gestern war es der Stürmer, der die Weichen zum Sieg stellte. Mit der ersten Chance erzielte er das 1:0. Beim 2:0 trat er als Vorbereiter auf. Ein Seferovic in Bestform, das kann in Portugal bestimmt nicht schaden. Bis dahin kann er, dessen Bezeichnung «der Mann aus Sursee» (Staatsfernsehen) bald Kult wird, bei seinem neuen Verein Benfica Lissabon noch weiter Fahrt aufnehmen. Es gilt: Der Zug in Richtung Russland rollt. Aber der Weg an die WM bleibt weit und beschwerlich. Zu gut ist Portugal in Form. Daran ändert auch ein Schweizer Sieg in Lettland nichts.