«Es gibt viel zu korrigieren», sagte Lucien Favre im Anschluss an den 4:1-Heimsieg gegen RB Leipzig. Obwohl Borussia Dortmund nach dem ersten Spieltag sofort die Tabellenführung übernommen hat. Obwohl man den direkten Konkurrenten aus Leipzig deutlich geschlagen hat. Doch der Schein trügt etwas, das weiss natürlich auch Lucien Favre.
Der Schweizer ist sich bewusst, dass das Resultat zu hoch ausgefallen ist. Und er hat genau gesehen, wie «Rasenball» Dortmund teilweise vor erhebliche Probleme stellte. Nichtsdestotrotz ist die Handschrift von Lucien Favre bereits deutlich zu sehen – wie die Erkenntnisse des Bundesliga-Starts von Dortmund zeigen.
Keine 30 Sekunden dauerte es, bis Borussia Dortmund in der neuen Saison den ersten Gegentreffer hinnehmen musste. Sowohl der Schweizer Nati-Spieler Manuel Akanji als auch Abdou Diallo machten dabei keine gute Figur.
Auch im Verlaufe des Spiels hatte die Dortmunder Hintermannschaft oftmals Mühe gegen die offensiv wirbligen Leipziger. Lucien Favre selbst betonte im Vorfeld mehrmals, dass die Abwehr noch Zeit brauche. Verständlich, zumal Akanji im letzten Winter und Diallo gar erst im Sommer zu Dortmund gestossen sind. Ausserdem ist Diallo erst 22 Jahre alt, Akanji 23. Das ist für ein Innenverteidiger-Duo noch sehr jung.
Diallo und Akanji werden im Verlaufe der Saison noch den einen oder anderen Fehler machen. Das ist in der Entwicklung allerdings völlig normal und ist ohne Erfahrung auf diese Position auch kaum anders möglich. Doch ebenso wird Favre beobachten können, wie das Duo an der Aufgabe wächst und sich steigert.
Dass Dortmund trotz einiger Unsicherheiten in der Defensive nur ein Gegentor kassierte, liegt vor allem am überragenden Torhüter Roman Bürki. Die Nummer 2 der Schweizer Nationalmannschaft musste in der letzten Saison nach einigen Wacklern viel Kritik einstecken und erhielt mit Landsmann Marwin Hitz, der aus Augsburg kam, grosse Konkurrenz.
Doch der Konkurrenzkampf scheint Bürki anzutreiben, er war gegen Leipzig der beste Mann auf dem Feld und sicherte mit grossartigen Paraden den Sieg.
Marco Reus ist seit April 2018 ohne Verletzung geblieben. Das sind jetzt fast fünf Monate, was bei einem anderen Fussballer eigentlich nicht nennenswert wäre. Doch für Pechvogel Marco Reus ist es die längste verletzungsfreie Zeit seit Februar 2013!
Reus, der in dieser Saison von Lucien Favre zum neuen Captain ernannt wurde, darf endlich wieder zeigen, was er kann. Vieles steht und fällt beim BVB mit ihm. Bleibt er fit, ist Schwarz-Gelb vieles zuzutrauen. Ein gesunder Marco Reus ist der beste deutsche Fussballer seit Lothar Matthäus.
Das Mittelfeld wird unter Lucien Favre zum neuen Dortmunder Prunkstück. Mit Thomas Delaney und Axel Witsel hat der BVB zwei hervorragende Transfers getätigt. Delaney macht als wuchtiger Zweikämpfer seine Teamkollegen besser, davon profitiert auch Witsel, der dadurch mehr Freiheiten hat und den Part des Spielmachers übernimmt.
Ausserdem hat Lucien Favre mit Mahmoud Dahoud seinen Ziehsohn zurück. Favre beförderte den damals 19-jährigen Dahoud in Mönchengladbach in die erste Mannschaft und formte den gebürtigen Syrier zum Bundesliga-Stammspieler.
Jetzt sind die beiden in Dortmund wieder vereint und Favre schenkt Dahoud das Vertrauen auf dessen Lieblingsposition im offensiven Mittelfeld. Der 22-jährige Dahoud dankte es mit einer starken Leistung und dem wichtigen 1:1 durch einen unkonventionellem Kopfball. Kein Platz fand Lucien Favre bisher für Mario Götze – braucht er ihn überhaupt?
«Wer nicht kontern kann, ist keine grosse Mannschaft», sagte Favre in seiner ersten Pressekonferenz als Dortmund-Trainer. Dass der 60-Jährige sein geliebtes Konterspiel der Mannschaft bereits teilweise vermitteln konnte, zeigte sich in einzelnen Situationen. Zwar wurden die Konter (mit Ausnahme des 4:1) nicht immer erfolgreich zu Ende gespielt, das schnell Umschalten der ganzen Mannschaft bei Balleroberungen ist jedoch schon gut zu beobachten.
Hier wird Lucien Favre noch viel Arbeit investieren, um Dortmund zu einer der besten Konter-Mannschaften Europas zu formen. Dass der Start vielversprechend aber noch nicht perfekt war, das sieht auch Ex-Kapitän Sebastian Kehl so, der als «Leiter Lizenzspielerabteilung» zwischen Mannschaft und Trainer vermittelt: «Wir haben eine Menge Qualität und die müssen wir einfach abrufen. Ich glaube, dass ein paar Rädchen gerade ineinander finden»