Beim nächsten Schritt der Gleichberechtigung im Sport müssen sich die Männer den Frauen anpassen. Erstmals nehmen Männer bei einer WM im Synchronschwimmen teil. Das Outfit bei der Premiere ist so unterschiedlich wie die Reaktionen auf das erste gemischte WM-Duett in der bunten Welt des Synchronschwimmens.
Vorkämpfer Bill May aus den USA schwimmt dezent geschminkt in bunter Badehose. Russlands Favorit Alexander Malzew sorgt im Badeanzug im Look eines Rotarmisten, den der Krieg von seiner Liebe trennt, für den Hingucker. Mit seiner Partnerin Darina Walitowa könnte der 20-Jährige bei der WM in Kasan wohl nur durch den Sieg gegen fünf andere Paare für Anerkennung in der dominierenden Synchronschwimm-Nation sorgen.
«Bei uns gibt es unterschiedliche Meinungen. Ich habe kein Problem, meine artistischen und balletttänzerischen Fähigkeiten zu zeigen», sagt Malzew diplomatisch. Er weiss zu gut, dass allein sein Outfit – Gelatine im Haar, Schminke, hautenger Uniformbody – weite Teile der russischen Öffentlichkeit polarisiert.
Russlands Sportminister Witali Mutko hatte im Vorfeld der WM die neue Ära in der bisher reinen Frauensportart als «dumme» und «fehlerhafte» Entscheidung gegeisselt. Auch Olympiasiegerin Swetlana Romaschina sprach sich «kategorisch gegen Männer in unserer Sportart» aus.
Vor weiteren Fragen zur kritischen Haltung seines Heimatlandes bat die russische Trainerin zum Aufbruch vom Interview-Marathon mit dem Hinweis, ihr Schützling könnte sich im nassen Badeanzug erkälten. Während Malzew gerne über seine sportliche Leistung Auskunft gab, sprudelte es aus Bill May ob der sporthistorischen Dimension nur so hinaus. «Ein Traum wurde wahr, ich bin so stolz, dabei zu sein», sagte der 36-Jährige nach einem langen Kampf.
Der Amerikaner gewann Ende der Neunzigerjahre die Goodwill Games, durfte aber nicht bei Weltmeisterschaften oder Olympia antreten. Er beendete seine sportliche Laufbahn, trat beim Cirque du Soleil auf und kehrte nach elf Jahren zurück, als der Weltverband FINA im letzten Herbst überraschend den Männerbann aufhob.
«Es ist auch Geschäftsmodell. Wenn die Medien darüber berichten, kann es uns nur recht sein», sagte FINA-Generaldirektor Cornel Marculescu eher kühl kalkulierend zu den Beweggründen. May und seine Mitstreiter sehen das emotionaler. «Beim Eiskunstlauf geht es doch mit Frauen und Männern auch, warum nicht im Synchronschwimmen?», fragte May.
Beim kunstvollen Synchronschwimmen müssen die Athleten beispielsweise durch Schminke oder bunte Outfits auffallen, um die entfernt sitzenden Zuschauer oder Kampfrichter noch zu erreichen. Im Vorkampf trat dagegen der junge Italiener Giorgio Minisini am Körper unrasiert an. «Natürlich haben einige Vorurteile, aber ich mache das, was ich am besten kann», sagte er zu den Reaktionen in seiner Heimat. Familie und Freunde würden ihn aber unterstützen, nachdem sie sich seinen Sport angesehen haben. (pre/si/dpa)