«Ruheeeeee!» Die Ansage von Niko Kovac hallte über den gesamten Sportplatz des FC Rottach-Egern. Der Trainer des FC Bayern wollte mit seinen Stars Pressingsituationen einstudieren, doch das hochbezahlte Personal war für einen kurzen Moment nicht ganz bei der Sache.
So brachte Kovac, als Coach eher Arbeiter denn Philosoph, Dampf in die Sache. «Druck machen, Lewy, Druck machen, Feuer», schrie der 47-Jährige Torjäger Robert Lewandowski hinterher, den auffällig dynamischen Neuzugang Sarpreet Singh motivierte er: «Go, Sarpreet, pressure, pressure.»
Druck – es ist wohl der Begriff, der die momentane Gemengelage beim Rekordmeister am besten beschreibt. Im Trainingslager am Tegernsee, ziemlich genau 56 Kilometer südlich von München, soll das aufbereitet werden, was Borussia Dortmund dem Double-Gewinner beim 0:2 im Supercup lehrreich aufgezeigt hatte – zum Beispiel eine eklatante Anfälligkeit im Umschaltspiel.
Dass der BVB nachweislich fussballerisch, und nicht nur rhetorisch offensiv, der grosse Widersacher um die Meisterschaft ist, begrüssen die Münchner ausdrücklich. In einer Souveränität, in der sich ein Branchen-Gigant nun mal präsentiert. Stellvertretend tat dies auf dem Trainingsgelände in Rottach-Egern, malerisch an der Südspitze des Sees gelegen, Leon Goretzka. Ausgerechnet, ein Ex-Schalker!
«Ich fand es letztes Jahr teilweise albern, bei neun Punkten Vorsprung immer noch nicht davon zu sprechen, dass sie Meister werden wollen», sagte der deutsche Nationalspieler in Richtung Dortmund: «Mit dem Kader, den sie jetzt haben, sind ihre Ansprüche gerechtfertigt. Trotzdem hat mir gefallen, dass sie gesagt haben, dass die Meisterschaft nur über Bayern geht. Das kam ja auch schon aus unserem Lager.»
Worte wie Balsam auf das Spannungsbarometer der Bundesliga. Goretzka wirkte ob der Eindrücke aus Dortmund sichtlich motiviert. «Das letzte Spiel, ein Prestigeduell, in diesem Stadion, war ein Highlight. Das hat einen Vorgeschmack gegeben auf das, was uns erwartet», meinte der 24-Jährige energisch: «Für mich könnte es morgen schon losgehen. Ich bin heiss!»
Auf Temperatur ist offenkundig auch sein Trainer. Die Stimme nach nur einer Trainingseinheit schon rau, die Arme verschränkt, liess Kroate Kovac seine Startruppe am Ende der Einheit eine Viertelstunde am Stück Sprints absolvieren. Dabei hatte der eine oder andere Spieler schon davor eilig nach einem isotonischen Getränk gegriffen.
Mit übereinander geschlagenen Beinen, sommerlich in beiger Chinohose und weissem Hemd gekleidet, verfolgte Hasan Salihamidzic das Geschehen. Der Sportdirektor konnte am Dienstag immer noch nicht die sehnlichst erwartete Botschaft verkünden: Leroy Sané wechselt nach München.
Insofern es diese überhaupt geben wird? Als Drucklöser? «Ich bin nicht sein Pressesprecher», meinte Niklas Süle über den begehrten DFB-Kollegen aus Manchester – und hatte für die Medienrunde zwei Botschaften mitgebracht.
Die an das Umfeld, dass der Audi Cup mit zwei Tests gegen Fenerbahce Istanbul (6:1) und Tottenham Hotspur (5:6 i.E.) wohl zu viel Kraft gekostet habe. Und die an Dortmund, dass die Bayern im Supercup «die klar bestimmende Mannschaft» gewesen seien.
«Es war das dritte Spiel in einer Woche, ich glaube, dass wir da nicht ganz frisch im Kopf waren», erklärte der Abwehrriese – und tadelte sein Team für Schwächen im Umschaltverhalten bei Ballverlust: «Dass wir Fehler in der Vorwärtsbewegung gemacht haben und gegen die schnellen Dortmunder unsortiert waren, ist natürlich gefährlich. Das hat teilweise an das Hinspiel (3:2 für den BVB, Anm. d. Red.) in der Bundesliga erinnert.»
Darin waren sich Goretzka und Süle einig. Und darin, dass der FC Bayern trotzdem hätte gewinnen müssen. Goretzka: «Wir haben das Spiel über weite Strecken kontrolliert und waren die bessere Mannschaft.» Dass der BVB die Bayern an der Ehre gepackt hat, hatten schon die Bilder der Bosse Uli Hoeness und Karl-Heinz Rummenigge aus dem Dortmunder Stadion gezeigt.
Die Eindrücke aus dem Trainingslager bestätigen das – was auch Süle zu spüren bekam. «Niki, du musst doch breit machen», brüllte Weltmeister Manuel Neuer seinen Mannschaftskollegen nach einem Gegentor hinterher. Idylle am Tegernsee? Der FC Bayern in der Druckkammer!
Heja BVB