Hand aufs Herz. Wenn man dir sagt, du sollst dir eine Gewichtheberin vorstellen: Wie sieht die dann aus?
Vermutlich eher nicht so:
Sarah Davies ist Gewichtheberin. Sie gewann im vergangenen Jahr Silber an den Commonwealth Games, an der WM 2018 wurde die Britin in der Klasse bis 64 Kilogramm Neunte im Stossen, ein Jahr zuvor war sie WM-Sechste im Zweikampf. An den Olympischen Spielen 2020 in Tokio will sie Geschichte schreiben und als erste britische Gewichtheberin eine Medaille gewinnen.
Doch Sarah Davies ist auch noch auf einer zweiten Bühne zuhause. Die 26-Jährige aus Preston nördlich von Liverpool ist eine Schönheitskönigin. Kürzlich nahm sie als englische Vertreterin an den Wahlen zur Miss Intercontinental auf den Philippinen teil.
Für den Sieg reichte es Davies bei der Miss-Wahl in Manila nicht, den holte sich mit Karen Gallman eine Filipina. Dafür gewann Davies als Gewichtheberin schon viele Auszeichnungen.
Davies nutzt den Catwalk als Plattform – aber nicht nur für sich selber. Sie kämpft gegen stereotype Schönheitsideale und Körperbilder an, hält Vorträge dazu an Schulen.
Denn als Jugendliche litt Davies selber unter einem Körper, der nicht den gängigen Normen entsprach. Sie war Kunstturnerin, ambitioniert, mit grossen Träumen. Doch als 14-Jährige hörte sie entnervt auf, ihr muskulöser Körper mit dem breiten Kreuz und den stämmigen Oberarmen bot den Mitschülern reichlich Stoff für Mobbing. «Ich wollte irgendwann einfach nur noch normal sein», sagt Davies heute in der Zeit.
Mit dem Spitzensport schliesst sie fürs erste ab. Sie beginnt in Leeds ein Studium und lässt sich von Mitschülern dazu überreden, an einem Schönheitswettbewerb teilzunehmen. Prompt gewinnt sie ihn. Ein Moment, in dem es «Klick» macht. «Ich habe gemerkt, dass ich ein Vorbild für Mädchen sein kann, die sich so fühlen wie ich damals, die vielleicht anders aussehen und deshalb leiden», erinnert sich die 1,64 m grosse und 66 Kilogramm schwere Athletin. «Ich wollte ihnen zeigen, dass man auch ein gutes Körpergefühl haben kann, wenn man sich nicht zu Tode hungert. Meine Preise sind der Beweis, dass es geht.»
Die Studentin verliebt sich in einen Gewichtheber, den Olympiateilnehmer Jack Oliver. Und weil sie nun oft bei ihm im Trainingsraum ist, beginnt sie ebenfalls mit Reissen und Stossen. Mittlerweile ist der 28-Jährige nicht mehr nur Trainer und Freund, sondern auch Goldmedaillengewinner an den Commonwealth Games und ihr Verlobter.
Sarah Davies ist kein Teenager mehr, doch auch als erwachsene Frau muss sich noch für ihren Körper rechtfertigen. Das habe sie überrascht, gibt sie zu. Doch mit mittlerweile 26 Jahren geht sie entschlossen ihren Weg. Die Gewichtheberin und Schönheitskönigin ist und macht, was sie will: «Für mich bedeutet Feminismus, dass Frauen eben genau das tun können, was auch immer sie wollen.»