Am Samstagabend (18.30 Uhr) kommt es in Dortmund zum heiss erwarteten Duell mit den Bayern. Dem «Klassiker». Dem Spitzenduell der Bundesliga. Wobei Spitzenduell eigentlich nicht das ganz exakte Wort ist. Die Münchner stehen auf dem dritten Platz, der BVB folgt punktgleich auf Platz 4. Beide Teams blieben bisher hinter den Erwartungen zurück.
Die Bayern gewannen am letzten Spieltag erstmals nach vier Ligaspielen wieder. Zuvor resultierten drei Unentschieden und eine Niederlage in Augsburg. Bei den Dortmundern lief es besser, bis sie am vergangenen Wochenende beim 2:3 in Köln den Sprung an die Tabellenspitze verpassten. Aus acht Spielen holten die beiden Topanwärter auf die Meisterschaft jeweils bloss 15 Punkte.
Beide Teams führten im Sommer einen Umbruch durch. Viele Spieler gingen, und viele Neue stiessen zum Kader. Das wurde als Chance für die Bundesliga, vor allem aber natürlich für die Dortmunder betrachtet. Bewahrheitet sich dies jetzt? Immerhin sind die Dortmunder gleichauf mit dem Serienmeister.
Nicht ganz. Denn obwohl beide Klubs bisher gleich viele Zähler einfahren konnten, ist ein klarer Unterschied zu erkennen. Während Borussia Dortmund nur einen Treffer mehr erzielt als kassiert hat, pflügen die Bayern mit einem Torverhältnis von 23:6 vermeintlich durch die Liga. Dazu kommen fünf aberkannte Treffer – alle von Sadio Mané. Doch die Tormaschinerie der Münchner, die zum Saisonstart 15 Toren in drei Spielen erzielte, ist zwischenzeitlich ins Stocken geraten.
Während der vier Spiele langen Sieglos-Serie erzielten die Bayern im Schnitt nur ein Tor pro Spiel. Das kam nicht ganz unerwartet. Ein Torjäger wie Robert Lewandowski – mit 41 Toren in einer Saison der beste in der Bundesligageschichte – lässt sich nicht einfach ersetzen. Auch nicht mit einem Sadio Mané. Zumal die Spielverläufe trotz der ausbleibenden Siege oftmals ein klares Bild zeichneten. Gegen Borussia Mönchengladbach und Union Berlin waren die Bayern klar spielbestimmend, auch gegen Stuttgart und Augsburg hatte der Favorit ein Chancenplus.
Nur konnten sie sich nicht mehr auf ihren Superstürmer verlassen, der gefühlt auch aus drei halben Chancen vier Tore machen konnte. Der flinke und wendige Mané ist ein ganz anderer Spielertyp als Mittelstürmer Lewandowski. Die Umstellung braucht Zeit. Das 4:0 gegen Leverkusen zeigte zuletzt aber, dass sich der Rest der Liga auch vor der variablen Offensive um den Senegalesen, Leroy Sané und Jungstar Jamal Musiala fürchten muss – und dass der Umbruch bei den Bayern bereits deutlich weiter vorangeschritten ist.
Denn beim BVB sieht dies anders aus. Die Offensive wirkt oftmals harmlos, eine zündende Idee scheint zu häufig nicht zu zünden oder gar nicht erst vorhanden zu sein. Erst elf Tore erzielten die Schwarz-Gelben, die im letzten Jahr noch die zweitbeste Offensive der Liga stellten. Sinnbildlich dafür steht Anthony Modeste. Der wuchtige Mittelstürmer erzielte letzte Saison 20 Tore für Köln. Im August wechselte er als kurzfristiger Ersatz für den an Hodenkrebs erkrankten Sébastien Haller zum Ligarivalen und kam dort bisher noch gar nicht in Fahrt. Ein Tor in zehn Spielen steht auf seinem Konto.
Der Transfer ist bisher ein Missverständnis. Der Franzose passe nicht richtig ins System, heisst es von vielen Seiten. Und das sieht man auch in den Spielen: Modeste muss mit Flanken gefüttert werden, er ist einer der Kopfball-gefährlichsten Spieler der Liga. Nur gehört dies nicht zum Spiel der Dortmunder. So wartet der 34-Jährige oft vergeblich im Strafraum.
Auch deshalb darf Youssoufa Moukoko auf immer mehr Einsatzzeit und vielleicht gar einen Stammplatz hoffen. In der Champions League stand er am Mittwoch beim 4:1-Sieg in Sevilla bereits von Beginn weg auf dem Platz. Im Derby gegen Schalke war er mit seinem Treffer der Held. Darauf wird der Grossteil der 81'365 Zuschauerinnen und Zuschauer, die am Samstagabend im Stadion erwartet werden, auch gegen die Bayern hoffen.
Doch in den letzten Direktduellen wurden die Hoffnungen der BVB-Fans selten erfüllt. Seit November 2018 wartet Dortmund auf einen Sieg gegen die Bayern. Die letzten sieben Spiele entschied der FCB allesamt für sich. Und auch jetzt geht der Rekordmeister als Favorit in die Partie. Dies sieht auch Dortmund-Coach Edin Terzic so: «Wir brauchen nicht nur eine taktisch gute Leistung, sondern auch Mut im Eins-gegen-eins, denn sie werden nicht viele Chancen zulassen.» Trotz des Sieges in Sevilla schreibt der «Kicker»: «Gegen Bayern wird sich der BVB steigern müssen.»
Die Münchner haben sich beim 5:0 gegen Viktoria Pilsen schon mal warm geschossen und Kräfte geschont. Gegen Dortmund erwartet Bayern-Trainer Julian Nagelsmann eine etwas andere Partie als in den letzten Duellen: «Es wird sicher einen Tick kontrollierter. Dortmund verteidigt immer wieder sehr tief.» Zudem versprach er ein «sehr gutes Spiel». Beide Teams müssen aber auf wichtige Akteure verzichten. Den Gastgebern fehlt Marco Reus definitiv, Mats Hummels und Goalie Gregor Kobel sind fraglich. Bei den Bayern ist Thomas Müller nach seiner Corona-Erkrankung noch nicht wieder fit.
Dennoch wird es wohl für beide Mannschaften eine wegweisende Partie. Siegt Dortmund, werden die Fans der Schwarz-Gelben von der ersten Meisterschaft seit der Saison 2011/12 träumen. Gewinnt Bayern, ist das eine weitere Bestätigung für den angezählten Trainer Nagelsmann, dass sich sein Team auf dem richtigen Weg befindet und der Umbruch voranschreitet.