Das ganze Spiel über rennt Dortmund an, versucht den Schalker Abwehrriegel zu knacken, prallt immer wieder ab. Ein ums andere Mal ist ein Bein dazwischen, pariert Goalie Alexander Schwolow oder fliegt der Ball knapp am Tor vorbei. Bis zur 79. Minute, als Marius Wolf in die Mitte flankt und Youssoufa Moukoko zwischen zwei Gegenspielern zum Kopfball kommt. 1:0.
Ein Grossteil der 81'000 Zuschauerinnen und Zuschauer im Dortmunder Stadion bricht in Jubel aus. Doch einer schreit am lautesten. Der Torschütze. Moukoko schreit alles heraus. Freude, Frust, Erleichterung. «Es fühlt sich so wunderschön an. Unfassbar. Davon habe ich schon in der Jugend jeden Tag geträumt», sagte der 17-Jährige nach dem Spiel gemäss ARD. Doch er erklärte auch: «Ich hatte Wut im Bauch, weil ich von Anfang an spielen wollte.» Moukoko gilt bereits seit Längerem als Wunderkind, doch bis anhin konnte er sich beim BVB noch nicht vollends durchsetzen.
Im Alter von zehn Jahren kam er mit seiner Mutter aus Kamerun nach Deutschland zu seinem Vater. Zuvor lebte er bei seinen Grosseltern in der kamerunischen Hauptstadt Yaoundé. In Deutschland angekommen, dauerte es nicht lange, bis er erstmals ins Fussballtraining ging. «Ich war gerade einen Tag in Hamburg, da sind wir zum Trainingszentrum von St. Pauli gefahren», sagte Moukoko in einem Interview mit «SportBild». Zu Beginn hatte er noch keine Fussballschuhe. In Kamerun hatte er «nur auf der Strasse gespielt».
Anderthalb Jahre blieb er bei St. Pauli, bevor er in die Dortmunder Jugend wechselte. Dort ging es für ihn richtig los. Mit 12 spielte er bereits in der U17-Bundesliga, schoss in zwei Jahren 90 Tore, bevor er in die U19 aufstieg. Auch dort schlug er ein, erzielte in 20 Ligaspielen 24 Tore. Doch es regte sich auch ein erstes Mal Aufregung um den damals 14-Jährigen. Der Stürmer hatte einen Sponsoring-Vertrag mit Nike unterschrieben, der ihm über 10 Millionen Euro einbringen könnte. Eine Menge Geld für einen Jugendlichen, bei dem keineswegs garantiert ist, dass er es überhaupt zu den Profis schaffen würde.
Moukoko liess sich davon aber genauso wenig beirren wie von den immer wiederkehrenden Fragen zu der Richtigkeit seines Alters, obwohl eine vom deutschen Konsulat in Kamerun ausgestellte Geburtsurkunde ebendieses beweist. Auch, um Moukoko vor dieser Diskussion zu schützen, schirmten der BVB und der deutsche Fussballverband, für dessen Jugendnationalteams er spielte, ihn lange von den Medien ab. Moukoko liess seine Leistungen für sich sprechen.
Die waren so gut, dass er im Sommer 2020 mit 15 Jahren in den Profikader aufrückte. Er musste jedoch noch bis zu seinem 16. Geburtstag warten, um eine Spielberechtigung zu erhalten. Als er diese endlich hatte, debütierte er im November unter Lucien Favre gegen Hertha BSC im Alter von 16 Jahren und einem Tag. Sebastian Kehl, damaliger Lizenzspielerchef und jetziger Sportdirektor des BVB, sagte dem kicker: «Sein Weg beginnt jetzt erst.»
Damit sollte er recht behalten. Und der Weg sollte ein steiniger werden. Denn so dominant er bei den Junioren auftrat, so schwer tat er sich bei den Profis. In seinem sechsten Bundesligaspiel erzielte er sein erstes Tor als Profi. Doch er blieb auch immer wieder blass, kam auf dem Feld nicht wirklich zurecht. Oftmals ging vergessen, dass er halt eben erst 16 Jahre alt ist. Zudem kamen ihm immer wieder Verletzungen in die Quere.
In der letzten Saison hätte er sich dann als zweite Option im Sturm hinter Erling Haaland etablieren sollen. Nur verpasste er knapp die Hälfte der Saison verletzt oder angeschlagen. Ausserdem gab er zu, dass ihm der Rhythmus im Profifussball noch Probleme bereitete. «Der ist ganz anders als im Juniorenfussball. Damit musste ich erst mal klarkommen», sagte er vor dieser Saison. Sein Körper sei noch nicht so weit gewesen. Doch er gelobte Besserung: «Ich arbeite jeden Tag daran, damit ich das nötige Level erreiche.» In der Saison könne er dann voll angreifen.
Wie das aussieht, zeigte er in den ersten Spielen der Saison bereits. Obwohl er oftmals nur von der Bank kam, weil ihm mit Anthony Modeste nach der Erkrankung von Sébastien Haller wieder ein Stürmer vor die Nase gesetzt wurde, erzielte er in sechs Spielen bereits zwei Tore und bereitete weitere zwei vor.
Beim 3:1-Sieg in Freiburg war er schon entscheidend am Sieg beteiligt. Als er 20 Minuten vor Ende eingewechselt wurde, lag Dortmund noch 0:1 hinten. Moukoko war bei allen Toren direkt involviert. Dies übertrumpfte er jetzt noch. Mit seinem Siegtor im Revierderby, dem für BVB-Fans wichtigsten Spiel des Jahres. Und dann schrie er alles heraus. Frust, Freude und Erleichterung. Und kündigte gleichzeitig an, dass er angekommen ist, wo er schon lange hin wollte.