Am Donnerstag wurde Bo Henriksen in seiner Heimat eine grosse Ehre zuteil. Der 50-Jährige wurde als dänischer Trainer des Jahres ausgezeichnet. «Das ist ein grosses Ding», sagte Henriksen am Tag danach, strich aber gleichzeitig heraus: «Es geht nicht nur um mich, sondern um den ganzen Verein. Um meine Co-Trainer, den ganzen Staff und natürlich auch um die Spieler. Nur wenn wir erfolgreich sind, kann ich das gewinnen.» Und erfolgreich ist Henriksens Team definitiv.
Acht Runden vor Schluss steht Mainz 05 auf Platz 4 der Bundesliga – Frankfurt zog mit dem Sieg gegen Stuttgart am Samstag vorbei. Bisher war das Bestresultat seit dem erstmaligen Aufstieg ins deutsche Oberhaus ein 5. Platz in der Saison 2010/11. Jetzt winkt gar die erste Teilnahme an der Champions League in der Vereinsgeschichte. Mit einem Sieg in Dortmund (heute Sonntag, 17.30 Uhr) könnte der Klub aus der Stadt am Rhein einen grossen Schritt in Richtung Königsklasse machen. Bisher schaffte es Mainz zweimal in die Europa League bzw. den Vorgängerwettbewerb UEFA-Cup.
Es ist ein Höhenflug, den vor einem guten Jahr nicht einmal der kühnste Optimist beim Karnevalsverein vorhergesagt hätte. Am 13. Februar 2024 übernahm Henriksen, kurz nachdem er den Vertrag beim FC Zürich aufgelöst hatte, die Mainzer auf dem vorletzten Tabellenplatz. Zwölf Punkte hatte Mainz aus 21 Spielen geholt, das rettende Ufer war neun Zähler entfernt. Optimist Henriksen versprühte trotzdem von Beginn an positive Energie und hauchte dem Klub so neues Leben ein. Aus den verbleibenden 13 Spielen resultierten 23 Punkte, Mainz beendete die Saison noch auf dem 13. Platz.
Sportchef Christian Heidel machte auch die Art des Dänen für den Aufschwung verantwortlich. Es hätte einen Kontrast zum eher ruhigen Vorgänger Jan Siewert gebraucht, erklärte Heidel kürzlich gegenüber der NZZ: «Wir mussten einen positiv Verrückten herholen, der den ganzen Laden auf den Kopf stellt.» Dafür war Henriksen, dem schon beim FCZ der Spitzname «Happy Bo» verpasst wurde, genau der Richtige. «Bo ist in die Kabine gekommen und hat erst einmal alle lautstark wachgerüttelt», so Heidel.
Rund um den Klub entstand eine neue Euphorie, wie es sie in Mainz schon zu Zeiten von Jürgen Klopp (2001 bis 2008), der den Klub zum ersten Mal in die Bundesliga geführt hatte, oder der «Bruchweg Boys» unter Thomas Tuchel (2009 bis 2014) gegeben hatte. Pro Spiel pilgern über 32'000 Fans ins Stadion, nur 2011/12 waren es mehr. Neben dem Erfolg liegt das vor allem auch an der ansteckenden Energie Henriksens. Vor jedem Heimspiel geht er vor die Fankurve und feuert die Fans an, macht sie heiss. Genauso, wie er auch sein Team heiss macht.
Henriksen nun schlicht als Motivator darzustellen, würde ihm aber nicht gerecht, findet Kicker-Reporter Michael Ebert. «Gemeinsam mit seinen Co-Trainern ist er dafür verantwortlich, dass sich die Mannschaft sehr weiterentwickelt hat seit dem Saisonstart, wo es ja auch noch gerumpelt hat.» Nach neun Spielen stand Mainz mit zehn Punkten auf Platz 13. Nach dem starken Finish in der letzten Saison war dies fast etwas enttäuschend, aber auch den Abgängen der Leistungsträger Brajan Gruda (Brighton), Leandro Barriero (Benfica) und Sepp van den Berg (Brentford) geschuldet.
Dann drehte Mainz auf. Es schlug erst Borussia Dortmund 3:1 und gewann dann auch fünf der nächsten sechs Spiele. Seit Februar befinden sich die 05er nach einem kleinen Zwischentief wieder in hervorragender Form. In sechs Partien gab es vier Siege und keine Niederlage – plötzlich ist Mainz in der Bundesliga die Nummer eins hinter Rekordmeister Bayern München und Titelverteidiger Bayer Leverkusen. Die Stimmung im Team ist dementsprechend gut. «Wir haben Spass in jedem Training und lernen jeden Tag dazu», schwärmt Henriksen.
Wie schon in Zürich setzt er auf eine stabile Defensive mit einer Dreierkette und schnellem Umschaltspiel. Mit 28 Gegentoren stellt Mainz nach dem Tabellenführer aus München die beste Hintermannschaft der Liga, mit 44 Toren aber nur die siebtbeste Offensive. Dennoch hat Mainz mit Jonathan Burkardt (15 Bundesliga-Tore) einen der besten deutschen Stürmer.
Der 24-Jährige ist ein Beweis für die gute Arbeit von Henriksen und seinen Co-Trainern. Im Interview mit watson sagte der Coach in Bezug auf die Entwicklung seines damaligen Stürmers Aiyegun Tosin einmal: «Im Leben geht es immer um Beziehungen, den Glauben an andere und Vertrauen. Ich war selbst Stürmer und weiss, wie wichtig Vertrauen besonders für einen Stürmer ist.»
Doch Henriksen weiss nicht nur, wie er seine Angreifer anpacken muss. Neben Burkardt, der unter Henriksen erstmals für die deutsche Nationalmannschaft nominiert wurde, kehrte Nadiem Amiri während der letzten Länderspielpause nach viereinhalb Jahren wieder in die DFB-Elf zurück. Der 28-jährige Mittelfeldmotor (7 Tore, 3 Assists), der im Januar 2024 nach zweieinhalb schwierigen Jahren in Leverkusen nach Mainz kam, blühte unter Henriksen regelrecht auf.
Damit wecken die beiden natürlich auch Interesse von anderen Klubs. Besonders hinter Burkardt soll neben Bayern und Eintracht Frankfurt auch die halbe Premier League her sein. Dies werde ihn aber nicht beeinflussen, sagte Henriksen vor dem Spiel bei Borussia Dortmund. «Er ist eine Maschine und denkt nur ans nächste Spiel. Das ist sein Verein und er will alles für ihn geben, das sieht man in seinem Herzen», so der Däne. Auch der 22-jährige Paul Nebel dürfte nicht ewig zu halten sein. Bei einer gewissen Summe muss Mainz seine Spieler nach wie vor ziehen lassen.
Mit den Millionen aus der Champions League könnte dieser Zeitpunkt vielleicht etwas herausgeschoben werden. Aber vorerst zählt nur das nächste Spiel, wie Henriksen mehrfach betont. «Gegen grosse Klubs wie den BVB müssen wir natürlich Respekt haben», sagt der Mainz-Trainer, der die Favoritenrolle trotz der schwachen Saison der Dortmunder, die aktuell bloss Platz 11 belegen, nicht akzeptieren will. Dennoch macht Henriksen eine Kampfansage: «Wir wollen unser eigenes Spiel spielen, egal wo.»