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Interview

FCZ-Coach Henriksen will trotz der jüngsten Erfolge «bescheiden bleiben»

Zuerichs Cheftrainer Bo Henriksen reagiert im Fussball Meisterschaftsspiel der Super League zwischen dem Grasshopper Club Zuerich und dem FC Zuerich im Letzigrund, am Sonntag, 19. Februar 2023 in Zuer ...
Bo Henriksen holte mit dem FCZ bisher 24 Punkte in 15 Spielen.Bild: keystone
Interview

FCZ-Coach Henriksen: «Wenn ich das beantworten würde, wäre ich dümmer, als ich aussehe»

Nach dem miserablen Start in die Super-League-Saison trennte sich der FC Zürich früh von Trainer Franco Foda. Sein Nachfolger Bo Henriksen brachte den FCZ wieder zurück in die Erfolgsspur und lässt die Fans auch wieder von grösseren Zielen träumen.
02.04.2023, 11:4303.04.2023, 15:49
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Seit Bo Henriksen Mitte Oktober das Amt des Cheftrainers beim FC Zürich übernommen hat, holte er 24 Punkte aus 15 Spielen in der Super League. Nur drei dieser Partien gingen unter der Leitung des charismatischen Dänen verloren. Lediglich Leader YB holte in der Zeit, seit Henriksen in Zürich ist, mit 31 Punkten mehr Punkte als der Stadtklub. Heute (16.30 Uhr) will der amtierende Meister auswärts gegen den FC St.Gallen seine Erfolgsserie weiter ausbauen.

Worauf lag der Fokus in der Länderspielpause, zumal ja durchaus einige Akteure für ihre A-Nationalmannschaft oder für Nachwuchs-Nationalteams im Einsatz waren?
Bo Henriksen:
Es ist immer komisch, wenn man nur acht bis zwölf Spieler zur Verfügung hat. Doch wir kannten diese Situation ja bereits aus der Phase vor Weihnachten, in welcher wir auch nicht optimal trainieren konnten. Wir tun allerdings alles, um die Spieler, die hier sind, dennoch bestmöglich fit zu halten.

Und wie funktioniert das bei den Spielern, die auf Reisen sind?
Meine grösste Aufgabe ist es hier, mein Physio-Team zu bitten, mich über den Zustand der Spieler, die bei ihren Nationalteams sind, auf dem Laufenden zu halten.

Wie kann man sich das vorstellen?
Unser Physio-Team bleibt in Kontakt mit den Physios der jeweiligen Nationalteams und informiert sich bei diesen über den Zustand unserer Spieler.

Wann kam der letzte Spieler von seiner Reise mit dem Nationalteam zurück?
Der letzte Spieler kam erst am Donnerstagabend zurück nach Zürich, aber das ist normal, so ist es einfach im Fussball.

«Wir haben grosse Qualitäten im Verein, nicht nur bei den Spielern auf dem Platz, sondern auch im Staff und bei allen anderen Beteiligten im Verein.»

Nach dem Sieg gegen den FC Luzern konnten Sie aus 15 Spielen bislang 24 Punkte holen, nur YB holte in dieser Phase mit 31 Punkten mehr. Worin liegt ihr Erfolgsgeheimnis? Oder besitzen sie magische Kräfte?
Ich glaube nicht an Magie, ich vertraue auf harte Arbeit. Ich glaube, wenn alle zusammenarbeiten, an einem Strang ziehen und ein gemeinsames Ziel verfolgen, dann haben wir die besten Chancen, um zu gewinnen. Wir haben grosse Qualitäten im Verein, nicht nur bei den Spielern auf dem Platz, sondern auch im Staff und bei allen anderen Beteiligten im Verein. Diese Qualitäten liegen darin zu erkennen, wo unsere Stärken, aber auch wo unsere Schwächen liegen. Es müssen einfach viele Dinge stimmen, doch das Wichtigste ist, dass wir im Kollektiv zusammenarbeiten. Ich habe nichts Spezielles getan. Ich habe hoffentlich nur mein Bestes gegeben, um zu erkennen, wo unsere Stärken liegen. Ich bin extrem stolz auf meine Spieler, welche sich von Tag eins an voll reingehängt haben. Die Führungsspieler waren mir dabei von Beginn an eine grosse Hilfe, um meine Ideen umsetzen zu können.

«Sie mussten den Ball nach vorne bringen und ich glaube, das lag ihnen nicht wirklich.»

Beim letzten Aufeinandertreffen mit St.Gallen gab es einen knappen Sieg, trotz einer frühen Roten Karte für Bledian Krasniqi. Wie stehen die Chancen bei einem Spiel elf gegen elf über 90 Minuten?
Ich denke, das ändert nichts. Die meisten Spiele in dieser Liga sind, wenn man sich alle Daten und Statistiken ansieht, sehr ausgeglichen. Jedes Team hat etwa eine 50-prozentige Chance auf den Sieg. Da ist nur ein Team, das besser ist als alle anderen und dann sind da neun Klubs, die alle etwa auf demselben Niveau spielen. Das Spiel gegen St.Gallen wird ein komplett anderes wie beim letzten Mal. Denn als wir mit zehn gegen elf spielten, musste St.Gallen das Spiel machen. Sie mussten den Ball nach vorne bringen und ich glaube, das lag ihnen nicht wirklich. Vielleicht werden wir ihnen wieder das Spiel überlassen, wir werden sehen.

Das letzte Aufeinandertreffen zwischen dem FCZ und dem FCSG.Video: YouTube/SRF Sport

Unter Franco Foda wich der FCZ stark vom Spielstil aus der Meistersaison ab. Sie setzen jetzt wieder vermehrt auf hohes Tempo und schnelle Angriffe. Jetzt treffen sie mit dem FCSG auf einen Gegner, der statistisch gesehen die schnellsten Angriffe fährt. Können sie gegen so einen Gegner Ihrer Spielphilosophie überhaupt treu bleiben? Oder braucht es gegen solch eine Mannschaft einen anderen Matchplan?
Wenn ich Ihnen diese Frage beantworten würde, wäre ich dümmer, als ich aussehe. Aber logischerweise haben wir einen Matchplan und auch einen Plan B, falls unser Plan A nicht aufgehen sollte. Und wenn wir wieder in Unterzahl geraten sollten, haben wir ja sowieso bessere Chancen. Das Wichtigste für uns ist, dass unser Matchplan klar ist und natürlich schauen wir dabei auch auf den Gegner. Aber in erster Linie geht es um unsere Spielidee. Wir haben es im letzten Spiel gegen St.Gallen bereits gezeigt: Bis zur Roten Karte haben wir viel wirklich gut nach vorne gespielt. Wir wollen natürlich elf gegen elf spielen, schliesslich ist St.Gallen ein gutes Team, vor dem ich grossen Respekt habe, aber keine Angst. Es wird in jedem Fall ein tolles Spiel, ich habe gehört, dass das Stadion ausverkauft ist und wir freuen uns darauf. Es ist eines der Spiele in dieser Saison, das wir unbedingt gewinnen wollen.

In den letzten zehn Super-League-Spielen musste der FCZ lediglich eine Niederlage beim 0:2 in Lugano hinnehmen. Als amtierender Meister kann der Blick in der Tabelle nun ja nur noch nach oben gerichtet sein?
Ich weiss, dass die Fans sich wünschen, dass wir in der Tabelle nach oben schauen. Aber ich erinnere mich, dass wir nach zehn Spielen lediglich vier Punkte hatten, als ich kam, und ich bin bescheiden genug, um zu wissen, wo wir herkommen. Das ist wichtig, denn im Fussball kann alles ganz schnell gehen. Wir sehen die Entwicklung der Mannschaft und wenn wir anfangen zu denken, dass wir besser sind, als es tatsächlich der Fall ist, dann werden wir Probleme bekommen. Wir sind immer noch nur fünf Punkte vom Barrage-Platz entfernt und das Wichtigste ist, dass wir da unten rauskommen. Wenn Sie mich in zwei, drei oder vier Wochen nochmals danach fragen, kann es vielleicht schon wieder ganz anders aussehen.

Aiyegun Tosin erlebte unter Ihrer Leitung einen echten Aufschwung. Wie haben Sie es geschafft, das Maximum aus ihm herauszuholen?
Das weiss ich nicht. Aber ich denke, im Leben geht es immer um Beziehungen, den Glauben an andere und Vertrauen. Ich war selbst Stürmer und weiss, wie wichtig Vertrauen besonders für einen Stürmer ist, auch wenn ich selbst mit dem nötigen Selbstvertrauen nicht so oft getroffen habe wie Tosin. Seitdem ich hier bin, trainiert er fantastisch und arbeitet wirklich hart. Er profitiert dabei natürlich auch von der guten Arbeit seines Sturmpartners Jonathan Okita, der ihm schon viele Treffer aufgelegt hat. Ich halte Aiyegun Tosin für einen tollen Stürmer und jetzt gelingt es ihm auch öfter, in die Gefahrenzone zu kommen, was das Wichtigste für einen Stürmer ist. Er kommt häufiger in gute Abschlusspositionen. Zu Beginn haben wir viel über seine Laufwege gesprochen und wie er in gefährlichere Positionen kommt. Das zahlt sich jetzt aus und nicht nur er, sondern das ganze Team profitiert davon. Ich bin unglaublich stolz auf ihn und hoffe, er kann so weitermachen.

Foto Manuel Geisser 19.02.2023 Stadion Letzigrund Fussball Herren Super League Saison 2022/2023 Grasshopper Club Zuerich - FC Zuerich. 1:2 Bild : Zweifachtorschuetze Aiyegun Tosin - Bo Henriksen Train ...
Bo Henriksen hat grosses Vertrauen in Aiyegun Tosin.Bild: www.imago-images.de

Sie haben Jonathan Okita angesprochen. Franco Foda setzte ihn häufig auch auf dem Flügel ein. Sie lassen ihn nun im Sturmzentrum spielen. Was sind Ihre Überlegungen hinter diesem Positionswechsel?
Zu Beginn meiner Zeit hier hatte das Team grosse Probleme, Tore zu schiessen. Wir strahlten kaum Torgefahr aus, was extrem wichtig ist, um Spiele gewinnen zu können. Mittlerweile sieht man auch, dass wir nicht mehr nur aus Standards unsere Tore erzielen, sondern auch aus dem Spiel heraus. Was auch an Okita liegt.

«Dafür war Okita aufgrund seiner Schnelligkeit und seiner Qualität in Eins-gegen-Eins-Situationen ein entscheidender Faktor.»

Wie macht er das Team spezifisch besser?
Eine Sache, an der wir vermehrt gearbeitet haben, sind Läufe in die Tiefe. Wir brauchten mehr vertikale Laufwege in unserem Spiel. Dafür brauchten wir mehr Spieler, die in die Tiefe des Raumes gehen können. Damit die Spieler den Ball nicht zu lange in den Füssen halten müssen. Dafür war Okita aufgrund seiner Schnelligkeit und seiner Qualität in Eins-gegen-Eins-Situationen ein entscheidender Faktor. Natürlich könnte ich ihn auch auf dem Flügel einsetzen, aber aktuell ist er im Sturmzentrum wichtiger. Dort schafft er für die anderen Spieler Räume zwischen den Linien. Das ist wichtig für unser Spiel, da wir viele Spieler haben, die diese Räume gut bespielen können. Auf dem Flügel haben wir auch ohne ihn genug Spieler, welche dort spielen können, aber wir haben zu wenig Spieler, welche diese tiefen Laufwege machen können, deshalb spielt er im Sturm.

«Ich glaube an ihn, denn er hat das gewisse Etwas, um ein richtig guter Spieler zu werden – auch auf internationalem Niveau.»

Zuletzt spielte sich FCZ-Eigengewächs Calixte «Junior» Ligue vermehrt in den Blickpunkt, wie sehen Sie seine Entwicklung und ist er in Zukunft auch ein Kandidat für die Startelf?
Zu 100 Prozent. Ich bin ein grosser Fan von ihm, denn er besitzt unglaubliches Entwicklungspotenzial. Nicht nur wegen seiner fussballerischen Fähigkeiten, sondern auch wegen seiner Einstellung. Für ihn spielt es keine Rolle, ob er in der U21 spielt oder in der Super League. Junior gibt immer alles, um zu gewinnen, und lässt sich nicht von den Dingen um ihn herum ablenken. Er ist einfach auf die Dinge fokussiert, die in diesem Moment für sein Spiel wichtig sind. Natürlich gibt es noch viele Dinge, die er lernen muss, aber er hat unfassbares Potenzial. Ich denke, ab Sommer wird er dann eine noch grössere Rolle im Team einnehmen können und ich hoffe, er kann nächste Saison oft von Beginn an spielen. Ich glaube an ihn, denn er hat das gewisse Etwas, um ein richtig guter Spieler zu werden – auch auf internationalem Niveau.

Bei welchem Ihrer Spieler sehen Sie aktuell noch das grösste Entwicklungspotential?
Ich glaube, da gibt es viele und das ist das Grossartige in diesem Klub. Man sieht es an unserer U21, welche wieder wirklich guten Fussball spielt. Ein gutes Beispiel ist Bledian Krasniqi, der viele Spiele für uns von Beginn an gemacht hat und auch oft in der U21 zum Einsatz kommt. Er ist ein Spieler, den ich jederzeit bringen kann und der ebenfalls grosses Potenzial besitzt.

«Es ist wichtig zu wissen, was früher gut lief und in welchen Abläufen sich die Spieler wohlfühlen.»

Diente Ihnen die Spielidee von André Breitenreiter aus dem Vorjahr als Inspiration?
Als ich hierhergekommen bin, war das Wichtigste für mich, zu gewinnen. Darum hab ich viel mit den Leadern der Mannschaft und auch mit den Spielern, die während der Meisterschaftssaison bereits hier waren, gesprochen. Natürlich können wir viele positive Dinge aus der Meisterschaftssaison ziehen und es ist wichtig zu wissen, was früher gut lief und in welchen Abläufen sich die Spieler wohlfühlen. Das ist auch wichtig für mich, um herauszufinden, wie wir eine gute Atmosphäre schaffen können, um den Spielern wieder zu Selbstvertrauen zu verhelfen. Logisch habe ich mir dafür auch Spiele aus der letzten Saison angesehen, doch das Team, welches wir aktuell haben, ist nicht das gleiche wie letztes Jahr. Aber ich wäre ja dumm, wenn ich mir nicht die guten Dinge aus der letzten Saison anschauen würde.

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8 Kommentare
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Dickes Brötchen
02.04.2023 14:05registriert März 2016
Man muss ihn einfach mögen. Sympatischer Typ. Manchmal etwas überemotional aber das macht ihn halt aus.
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