Sport
Eishockey

SCB: Beat Gerber und ein Phantom-Spiel, das es womöglich nie gegeben hat

Berns Beat Gerber im Eishockey Meisterschaftsspiel der National League zwischen dem SC Bern und dem EV Zug, am Freitag, 10. September 2021 in der PostFinance Arena in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
«Bidu» Gerber im Dress des SC Bern.Bild: keystone

Rekordmann Beat Gerber und ein Phantom-Spiel, das es womöglich nie gegeben hat

Das Wembley kennt sein Phantom-Tor, das Schweizer Eishockey seit kurzem das Phantom-Spiel von Beat Gerber. Dem Noch-Rekordspieler der National League wird ein Match aus der Statistik annulliert. Die Geschichte dahinter.
04.10.2024, 15:56
Dominik Moser / Keystone-SDA
Mehr «Sport»

Beat «Bidu» Gerber hat den SC Bern zwei Jahrzehnte lang geprägt. Er ist sechsfacher Schweizer Meister und hält mit 1270 Spielen in der National League einen Liga-Rekord – so zumindest lauten die Zahlen, als der ehemalige Verteidiger im Frühling 2023 nach 20 Profisaisons seine Schlittschuhe an den Nagel hängt.

Schon nächste Woche dürfte Gerber vom Davoser Kultstürmer Andres Ambühl als Rekordspieler abgelöst werden. «Büehli» wird ebenfalls mit 1270 Partien zum alleinigen Rekordhalter aufsteigen. Dahinter steckt eine kuriose Geschichte.

Saison 2001/02 im Fokus

Zahlen lügen nicht, sagt der Volksmund. Trotzdem lohnt es sich, gewisse Statistiken genauer unter die Lupe zu nehmen. Als sich die Nachrichtenagentur Keystone-SDA im August daran macht, die Liste des 1000er-Klubs (mit allen Spielern mit 1000 und mehr Partien in der National League) wegen des sich anbahnenden Rekords von Ambühl auf Vordermann zu bringen, stösst sie auf ein Kuriosum: Bei der Liga wird Gerber mit 1270 Spielen ausgewiesen, in der eigenen Statistik erscheint der stille Chrampfer, der nie das Rampenlicht gesucht hat, jedoch mit «nur» 1269 Matches an der Spitze.

Eine erste Analyse zeigt: Die Saison 2001/02 macht den Unterschied. Damals trug Gerber noch das Trikot seines Jugendklubs SC Langnau, über Weihnachten spielte er mit der Schweiz an der U20-WM in Tschechien, in einem Team mit … Andres Ambühl.

Portrait von Beat Gerber, Verteidiger mit der Nr. 2 der SCL-Tigers, Schlittschuhclub Langnau, aufgenommen am 2. August 2001 in Langnau. (KEYSTONE/Lukas Lehmann)
Jungspund Gerber im Sommer 2001 in Langnau.Bild: KEYSTONE

In der öffentlich zugänglichen und in Eishockey-Kreisen weitherum bekannten Statistik-Plattform «elitesprospects.com» wird Gerber mit 39 Qualifikationsspielen für Langnau geführt. In einer anderen Statistik von Urs Keel sind es nur 38. Keel war früher der offizielle Statistiker des Eishockey-Verbandes, Keystone-SDA beliefert er noch heute mit wertvollen Daten.

Alte Telegramme durchforsten

Keystone-SDA beauftragt Keel damit, die Zahl zu überprüfen, und bittet zugleich den pensionierten Sportjournalisten Werner Haller, sein Archiv zu durchstöbern. Der «Statistik-Papst aus dem Emmental» lässt ausrichten, er sei die damals aus der «Berner Zeitung» ausgeschnittenen Telegramme der Saison 2001/02 durchgegangen und sei zu folgendem Ergebnis gekommen: Beat Gerber wurde in 44 Qualifikationsspielen 28 Mal eingesetzt, zehn Mal war er im Aufgebot und auf dem Matchblatt, wurde aber nicht eingesetzt.

Im Gegensatz zum Fussball oder Basketball erscheint im Eishockey das Spiel als solches in der Statistik, auch wenn ein Spieler keine einzige Sekunde zum Einsatz kommt. Im Handball ist die Handhabung gleich.

Haller bestätigt also die 38 Spiele. Daraufhin konfrontiert Keystone-SDA die National League mit den Fakten. Die Kommunikationsabteilung richtet aus, dass man den Zahlen von «eliteprospects.com» vertraue und deshalb an den 1270 Spielen festhalten wolle. Die 1999 gegründete Plattform würde ihre Daten von der Liga beziehen, hiess es. Ein Wechselspiel, das heute funktioniert – aber ob es das auch vor über 20 Jahren tat?

Die Nummer 2 von SCB-Legende Beat "Bidu" Gerber wird unter das Hallendach hochgezogen, vor dem Eishockey Meisterschaftsspiel der National League zwischen dem SC Bern und HC Lugano, am Freita ...
Gerbers Rückennummer 2 hängt in Bern mittlerweile unter dem Hallendach.Bild: keystone

Keystone-SDA ist skeptisch, schreibt «eliteprospects.com» an, erläutert den Fall mit allen Details, erhält bis heute aber keine Antwort. Doch dann die Überraschung: Die Statistik-Plattform hat ihre Zahlen in Beat Gerbers Profil nach unten korrigiert, von 39 auf 38 und entsprechend von 1270 auf 1269.

Liga lenkt im zweiten Anlauf ein

Nun liegt der Ball wieder bei der National League. Diesmal lenkt die Liga ein. Nach internen Abklärungen entscheidet man, die Anzahl der Spiele von Beat Gerber anzupassen. Dem langjährigen SCB-Verteidiger wird also ein Spiel «geklaut».

Wie das Phantom-Spiel den Weg in die Statistik-Bücher gefunden hat, kann sich die National League nicht erklären. Sie bestätigt aber, dass alles, was vor 2007 geschehen ist, an externe Daten angebunden sei, hauptsächlich an solche von Keel. Die Liga will deshalb ihre Daten zu einem späteren Zeitpunkt genauer überprüfen.

Marc Wieser (HCD), links, und Andres Ambuehl, beim Eishockey Spiel der National League zwischen dem HC Davos und dem EHC Kloten, am Dienstag, 17. September 2024, im Eisstadion in Davos. (KEYSTONE/Gian ...
HCD-Captain Andres Ambühl wird Beat Gerber bald auf Rang 2 der ewigen Liste verdrängen.Bild: keystone

Vorerst gehört die Bühne aber Andres Ambühl. Und die Sache mit dem «Spiel-Klau» hat zumindest für den Bündner und den HCD auch etwas Gutes. Statt am 12. Oktober mit einem Auswärtsspiel in Pruntrut gegen Ajoie wird der «ewige Büehli» sein Rekordspiel nun am Donnerstag im Heimspiel gegen den SC Bern bestreiten können. Gegen den ehemaligen Klub des aktuellen Rekordhalters. Immer unter dem Vorbehalt, dass sich Ambühl nicht verletzt, krank wird oder sich eine Sperre einhandelt. (ram/sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Der 1000er-Klub des Schweizer Eishockeys
1 / 21
Der 1000er-Klub des Schweizer Eishockeys
Bislang 18 Eishockeyspieler (Stand: 2.3.2024) schafften es auf 1000 oder mehr Spiele in der höchsten Schweizer Spielklasse. Das sind sie:
Auf Facebook teilenAuf X teilen
30 Jahre Meme-Gold: Welche Tele-Züri-Perlen kennst du?
Video: ch media
Das könnte dich auch noch interessieren:
15 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
chrimark
04.10.2024 18:22registriert November 2016
Nun, Bidu wird damit Leben können. Wer ein echter Eishockey Fan ist, mags dem Bühli gönnen. Gruss aus der Bundesstadt.
311
Melden
Zum Kommentar
avatar
Only G
04.10.2024 16:24registriert Dezember 2016
Büali macht ja noch 2 Saisons. Da ist dann egal mit welchem Spiel der alte Rekord geknackt wurde
315
Melden
Zum Kommentar
avatar
Dominic Knecht
04.10.2024 18:18registriert März 2024
Und dabei geht oft noch vergessen, das Büeli eine Saison in Amerika verbracht hatte. Sonst hätte er den Rekord schon letztes Jahr geknackt
261
Melden
Zum Kommentar
15
    Ambris Warten auf Kubaliks Antwort – mehr als Warten auf Godot?
    Ambri hat die Saison mit dem Erreichen des Play-In und einer besseren Klassierung als Lugano gerettet. Das Glück der nächsten Saison hängt an den Ausländern.

    Am Ende feiern die Fans Torhüter Janne Juvonen. Er wird Ambri nach dieser Saison verlassen. 96,43 Prozent der Pucks hat er pariert und den Sieg (2:1) gegen die Lakers «gestohlen». Sportdirektor Paolo Duca wird es mit Wohlgefallen registriert haben: Die Verpflichtung des Finnen in der letzten Phase der Qualifikation 2021/22 war also doch kein Fehltransfer.

    Zur Story