Es ist eine der grössten Sensationen der WM-Neuzeit. Die hochgehandelten Kanadier um die Superstars Sidney Crosby und Nathan MacKinnon unterliegen im Viertelfinal dem krassen Aussenseiter Dänemark. «Unglaublich!», fällt dazu dem einzigen dänischen NHL-Spieler Nikolaj Ehlers zuerst ein.
Der ehemalige Junior des EHC Biel und Sohn von Trainer Heinz Ehlers (Meister mit Visp) war erst auf das letzte Gruppenspiel nach Herning gereist – wie (aber nicht zusammen mit) Nino Niederreiter, seinem Teamkollegen bei den Winnipeg Jets. Gegen Deutschland schaffte er trotz Jetlag im Schlussdrittel den 1:1-Ausgleich, wie dann auch im Viertelfinal gegen Kanada 2:17 Minuten vor Schluss. Eineinhalb Minuten später machte Nick Olesen die Sensation perfekt.
Deshalb ist die Schweiz nun in ihrem zweiten WM-Halbfinal in Folge am Samstag (18.20 Uhr) in Stockholm klarer Favorit. Mit den Dänen rechnete keiner. Nach dem 6:0-Erfolg gegen Österreich wurden Spieler und Trainer nur nach den möglichen Gegnern Schweden oder USA gefragt. Die Ausgangslage ist deshalb nicht ungefährlich, sollte die Schweizer indes nicht vom Weg abbringen.
«Ja, ein Halbfinal gegen Schweden wäre noch etwas spezieller», sagte der ehemalige Schweden-Legionär Kevin Fiala, der dort auch seine Frau kennengelernt hat. «Aber das ist ohnehin egal. Ein Halbfinal ist ein Halbfinal. Wir werden sicher alle sehr motiviert sein, egal, gegen wen.» Trotz seiner Vergangenheit in Schweden habe er noch nie im eindrücklichen Globen gespielt, verriet der Supertechniker von den Los Angeles Kings und MVP der letzten WM. Diese endete nach der Finalniederlage gegen Gastgeber Tschechien mit der Silbermedaille, der dritten in zwölf Jahren.
Nun will man noch einen Schritt weiter gehen, das strahlen im Schweizer Team von Spielern bis Betreuern alle mit jeder Faser aus. Die Stimmung ist gelöst, locker, aber doch hoch konzentriert. Dass man erstmals zwei Viertelfinals in Folge gewonnen hat, nachdem diese Hürde oft für grosse Enttäuschungen gesorgt hatte, nimmt eine grosse Last von den Schultern.
«Wir hören jetzt weniger auf euch (Medien)», sagt Fiala schmunzelnd. «Ehrlich gesagt, es war alles im Kopf. Wir sind sicher reifer geworden. Letztes Jahr haben wie diesen Test im Viertelfinal (gegen Deutschland) bestanden, das hat uns Selbstvertrauen gegeben.» Selber schaue er nie in die Medien, schon gar nicht während der Playoffs. «Das wichtigste ist, dass wir in unserem Raum Vertrauen in uns haben», so Fiala. «Das ist das einzige, was zählt.»
Es ist zu spüren, dass dieser Kitt in der Mannschaft top ist. Die Spieler mögen sich gegenseitig jeden Erfolg, jeden Skorerpunkt gönnen. Auch wenn einer überzählig ist oder eine kleinere Rolle übernehmen muss, dringt keinerlei Misston nach draussen. Goalie Leonardo Genoni, der in den letzten vier Spielen drei Shutouts feierte und nur ein Gegentor kassierte, formuliert es so: «Das Ergebnis ist mir eigentlich gleich, aber ich bin wirklich glücklich, wie wir als Mannschaft spielen», schwärmt der erfahrene Zuger. «Wie Stürmer von uns in der Defensivzone Schüsse blocken – das sind die Sachen, die es in den letzten vier Turniertagen braucht.»
Und die hochbezahlten NHL-Stars setzen Himmel und Hölle in Bewegung, um zum Nationalteam zu stossen. So wie Fiala, nachdem seine Frau das ungeborene zweite Kind verloren hatte. Oder Niederreiter nach dem Ausscheiden in den Viertelfinals der Stanley-Cup-Playoffs.
Aber eben auch wie Nikolaj Ehlers. «Das ist ein sehr spezielles Team, wir sind eine Familie, deshalb bin ich nach Hause gekommen», sagt der 29-jährige Stürmer über das dänische Team, das erstmals an einer WM überhaupt die Halbfinals erreichte, in einem Interview mit dem Fernsehen SRF in bestem Schweizerdeutsch. «Ich bin sehr, sehr stolz.» Er freut sich natürlich auf das Duell mit seiner einstigen Heimat, in der er seine ersten Hockeyschritte machte.
«Das wird lustig», ist er sich sicher. Aber auch: «Wir wissen, wie gut die Schweiz ist. Doch im Hockey kann immer alles passieren. Auch ein gutes Team kann mal einen schlechten Tag haben.» Die Schweizer wollen den Dänen diesen Gefallen nicht machen. Das Team von Patrick Fischer verfügt über das nötige Selbstbewusstsein, wie die Österreicher im Viertelfinal schmerzhaft feststellen mussten. Und sie sind genau Familie wie die Dänen, aber mit der grösseren Qualität. (riz/sda)
Come on Jungs: Go for Gold!
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