In schlechten Phasen erinnert man sich gerne an die schönen Momente im Leben. Lino Martschini tut dieser Tage gut daran, ein wenig in den persönlichen Erinnerungen zu kramen. Am 21. Januar feierte der Stürmer des EV Zug seinen 24. Geburtstag. Und er tat dies mit Stil. Gegen den SC Bern steuerte er beim 6:0-Sieg der Zuger gleich drei Treffer bei. Waren das noch Zeiten!
Jetzt, zweieinhalb Monate später, ist der Gemütszustand bei Lino Martschini ein komplett anderer. Der beste Zuger Torschütze der Qualifikation (23 Tore in 50 Partien) wartet in den Playoffs immer noch auf seinen ersten Treffer. Zwölf Spiele, null Tore, lautet die ernüchternde Bilanz.
Die ist umso bitterer, als dass der EV Zug gerade jetzt, angesichts des 0:2-Rückstands in der Finalserie gegen den SC Bern, dringend auf die Tore seines Topskorers angewiesen wäre. Aber der Eindruck verstärkt sich: Je länger die Playoffs dauern, umso verkrampfter und unglücklicher agiert Martschini.
«Die Erinnerung an positive Erlebnisse hilft immer», sagt Martschini, angesprochen auf seinen Geburtstags-Hattrick. Vieles, ja eigentlich fast alles spielt sich während der Playoffs im Kopf ab. Da kommt Dr. Saul Miller, der in der Schweiz mittlerweile schon fast legendäre Sportpsychologe, der in dieser Saison auch den EV Zug unterstützt, zum Einsatz.
Er sagt: «Lino ist ein Goalgetter, der Topskorer der Mannschaft. Wenn er auf dem Eis ist, muss er signalisieren, dass er den Puck auf seinem Stock haben und um jeden Preis ein Tor erzielen will», erklärt Miller. Was ganz simpel tönt, ist in Zeiten der notorischen Erfolglosigkeit natürlich ungleich komplexer punkto Umsetzung. «Es geht darum, Situationen, in denen er zuvor regelmässig erfolgreich war, immer wieder zu visualisieren und den Fokus auf diese erfolgreichen Momente zu legen», sagt Miller.
Zugs Trainer Harold Kreis ist bei der Analyse von Martschinis Torflaute ungleich direkter und nennt die Probleme beim Namen: «In den Playoffs musst du dir die Tore erkämpfen. In die Zonen des Spielfelds gehen, wo es wehtut, Ablenker kreieren.»
Was nach einer Auflistung aller gängigen Klischees tönt, trifft den Kern von Martschinis Problem aber ziemlich präzis. Während der Qualifikation findet der flinke Flügelstürmer auf dem Eis die Freiheiten, die ihm jetzt, wenn es um die Wurst geht und um jeden freien Quadratzentimeter gekämpft wird, fehlen. Ein Phänomen, welches übrigens schon an der letzten Eishockey-WM zu beobachten war. Auf internationalem Niveau hatte Martschini in einem von physischer Spielweise geprägten Umfeld ebenso Mühe, sich zu behaupten. Dass die fehlende Körpergrösse – er ist lediglich 1,68 Meter gross – in solchen Situationen kein Vorteil ist, liegt auf der Hand.
Umso wichtiger wäre es für Martschini, dass endlich mal einer seiner Abschlussversuche im Tor landet. Und es ist ja auch nicht so, dass der Zuger Topskorer nie gefährlich vor dem gegnerischen Gehäuse auftauchen würde. 43-mal hat Martschini in den bisher zwölf Playoff-Partien aufs Tor geschossen – fast viermal pro Spiel. Nur Berns Mark Arcobello hat es öfters versucht (53-mal).
Mit der Trefferquote aus der Qualifikation (fast 13 Prozent) müsste der Zuger Topskorer schon mindestens fünfmal ins Schwarze getroffen haben. Aber eben: die Playoffs und die Qualifikation sind zwei verschiedene paar Schuhe. Umso mehr, als dass Martschinis Stamm-Center Josh Holden sichtlich angeschlagen ist und bei weitem nicht mehr denselben Einfluss hat wie zu seinen besten Zeiten.
Trotz der aktuellen Misere stehen die Chancen rein statistisch betrachtet also nicht schlecht, dass bei Lino Martschini der Torfluch doch noch gebannt wird. Es gäbe keinen besseren Zeitpunkt als heute Abend in der Postfinance-Arena. «Es ist Playoff-Final, die geilste Zeit des Jahres. Wenn nicht jetzt, wann dann?», weiss auch der vom Glück verlassene Goalgetter, dass er liefern muss, wenn seine Mannschaft ins Meisterrennen zurückkehren will. Sonst bleibt der Geburtstags-Hattrick die einzige schöne Erinnerung dieser Saison.