Während in der Schweiz schon die Playoff-Finalisten Zug und Bern feststehen, beginnt die heisse Phase der Meisterschaft in Übersee erst. In der Eastern Conference der NHL werden die Playoffs zum Kampf der Giganten. Nicht weniger als fünf der acht Teams dürfen sich realistische Hoffnungen auf den Titel machen.
Hier geht's zum Playoff-Spielplan.
Auf den ersten Blick ist die Sache glasklar. Die Tampa Bay Lightning dieser Saison sind eines der besten Teams der NHL-Geschichte. Von 82 Spielen in der Regular Season haben sie 62 gewonnen und damit den Rekord der Detroit Red Wings aus der Saison 1995/96 egalisiert. Die Floridianer haben 325 Tore erzielt und nur 222 erhalten.
Und auf den zweiten Blick? Nun, da sind die Lightning immer noch ziemlich klarer Favorit, obwohl Columbus sich an der Trade Deadline mit Matt Duchene und Ryan Dzingel noch massiv verstärkt hat. Tampa verfügt über die bessere Top-Linie, die grössere Kadertiefe, die bessere Verteidigung (auch weil den Blue Jackets Ryan Murray noch verletzt fehlt) und die besseren Special Teams.
Wenn etwas für die Blue Jackets spricht, ist es die momentane Form. Das Team aus Ohio musste bis zuletzt um die Playoffs kämpfen und hat von den letzten acht Spielen sieben gewonnen. Sie sind bereits voll im Playoff-Modus, während Tampa gemütlich (aber dennoch mit lauter Siegen) zur President's Trophy tuckerte.
Bei Tampa ist die Auswahl riesig. Andrei Vasilevsky, Victor Hedman oder Brayden Point wären alles gute Varianten. Doch an Topskorer Nikita Kucherov – er sammelte in der Regular Season 128 Punkte – führt kein Weg vorbei.
Auch bei Columbus ist es ein Russe: Artemi Panarin. Der 27-Jährige hat nach einer schwachen ersten Märzhälfte seine Form rechtzeitig wiedergefunden.
Haben die «Bolts» wirklich eine Schwäche? Uns ist zumindest 82 Spiele lang keine aufgefallen. Wenn man will, kann man sagen, dass der Erfolgsdruck nach einer solchen Saison riesig ist. Wenn Tampa jetzt den Cup nicht holt, wann dann?
Columbus-Headcoach John Tortorella hat seit 2013 keine Playoff-Serie mehr gewonnen. Die Blue Jackets in ihrer Franchise-Geschichte noch nie. Und das soll sich nun ausgerechnet gegen Tampa ändern?
Sergei Bobrovski ist einer der besten Torhüter der Welt, gewann schon zwei Mal die Vezina Trophy. In der Regular Season ist er zu bombastischen Leistungen fähig, doch in den Playoffs konnte er seine Klasse noch nie zeigen. Sehen wir nun Quali-Bobrovski oder Playoff-Bobrovski?
Dean Kukan hat sich mit guten Leistungen in den letzten Spielen einen Stammplatz in der Verteidigung der Blue Jackets (vorwiegend im dritten Paar) erkämpft. Spielt er so weiter, dürfte er diesen auch in den Playoffs behalten.
Ein Knaller von einer ersten Runde! Die Boston Bruins (3.) und die Toronto Maple Leafs (7.) gehören beide zu den besten acht Teams der Liga. Doch weil sie das Pech haben, mit Tampa in der Division zu sein, treffen sie schon in der ersten Runde aufeinander.
Es verspricht ein äusserst ausgeglichenes Duell zu werden. Toronto verfügt über den ausgeglicheneren Sturm, Boston über die besser besetzte Verteidigung. Auf der Goalieposition sind beide Teams stark. Am Ende dürften Details den Unterschied ausmachen.
Eine lobende Erwähnung verdient Bruins-Coach Bruce Cassidy. Der 53-Jährige, der seinerzeit auch mal kurz für den EHC Biel spielte, hat Boston souverän durch eine von Verletzungen geprägte Saison geführt. Die grösste Stärke der Bruins ist allerdings die Goalieposition. Tuukka Rask und Jaroslav Halak sind beide gut genug, um bei den meisten Teams die Nummer 1 zu sein. Solche Ausgeglichenheit auf dieser wichtigen Position ist Gold wert.
Bei Toronto sticht die Kadertiefe im Sturm am meisten hervor. Neuzugang John Tavares spielt die beste Saison seiner Karriere. Mitch Marner und Auston Matthews sind genial wie eh und je. Und dann hat man auch noch William Nylander, Jasperi Kapanen oder Andreas Johnsson.
Torontos Stärke ist Bostons Schwäche: Die Kadertiefe im Sturm. Wenn es darum geht, Tore zu produzieren, ist das Team aus Massachusetts zu sehr von der Top-Linie um Brad Marchand, Patrice Bergeron und David Pastrnak abhängig. Spätestens ab der dritten Linie wird das Kader sehr dünn.
Den Fans der Maple Leafs dürfte die Verteidigung Kopfzerbrechen bereiten. Mit Morgan Rielly hat man nur einen Top-Verteidiger. Der Rest ist eher Durchschnitt. Umso mehr wird Goalie Frederik Andersen gefordert sein. Im Gegensatz zu den Bruins hat Toronto keinen gleichwertigen Ersatz für zwischen die Pfosten.
Boston ist wie erwähnt von Brad Marchand und seinen Linienpartnern abhängig. Der Flügel kann mit seiner Genialität Spiele entscheiden, leistet sich aber auch immer wieder Undiszipliniertheiten. Kassiert er in den Playoffs eine Sperre, könnte das den Unterschied zugunsten Torontos ausmachen.
Der Titelverteidiger aus Washington ist auch dieses Jahr wieder einer der Favoriten auf den Stanley Cup. Zum vierten Mal in Serie haben sie sich den Titel in der Metropolitan Division geholt. Alex Ovechkin und Co. haben zwar nicht immer überzeugt – im Januar legten sie eine Niederlagenserie von sieben Spielen hin –, die Playoff-Qualifikation war aber nie in Gefahr.
Die Saison von Carolina verlief anders. Die meiste Zeit lagen die Hurricanes hinter den Playoff-Plätzen zurück. Mit einem starken Endspurt nach der Trade-Deadline (und dem Zuzug von Nino Niederreiter), schafften sie den Sprung in die «Postseason» aber doch noch. Die Form stimmt also beim Team aus Raleigh. Dennoch gehen die «Caps» als Favorit in die Serie.
Letztes Jahr hat Alex Ovechkin bewiesen: Er kann Pittsburgh schlagen. Er kann Stanley-Cup-Sieger werden. Und er kann feiern. Verdammt ausdauernd und verdammt unterhaltsam. Das alles will «Ovi» dieses Jahr nochmals erleben und beweisen. Er ist vielleicht der beste Torschütze, den das Eishockey je gesehen hat und wird auch mit 33 Jahren nicht müde. Ein heisser Ovechkin ist eine Gefahr für jedes andere Team.
Da passt es aus Sicht der Hurricanes gut, dass ihre grösste Stärke die Verteidigung ist. Carolina haben zwar keinen absoluten Star-Verteidiger, doch die Defensive ist über drei Paare äusserst ausgeglichen, stabil und auch produktiv.
Washington muss wegen einer Verletzung an der Achillessehne auf Verteidiger Michal Kempny verzichten. Eine grosse Schwächung, spielte der Tscheche doch im Top-Paar mit John Carlsson. So wird aus einer guten nur noch eine durchschnittliche Defensive.
Welcher Torhüter geht bei Carolina als Nummer 1 in die Serie? Petr Mrazek (27) und Curtis McElhinney (35) spielten beide eine solide, aber keine überragende Regular Season. Es ist zwar gut, über zwei ausgeglichene Goalies zu verfügen, doch etwas stabiler als das Duo der Hurricanes dürften sie schon sein.
Todd Reirden (Washington) und Rod Brind'Amour (Carolina) bestreiten beide ihre ersten Playoffs als NHL-Headcoach. Wer schafft es, seine Mannschaft besser auf den Gegner einzustellen? Und wer hat vielleicht noch ein taktisches Ass im Ärmel?
In beiden Teams steht je ein Schweizer im Kader – allerdings in ziemlich unterschiedlichen Positionen. Nino Niederreiter hat seit dem Trade zu Carolina seine Rolle als offensiver Antreiber wieder entdeckt. Seine Tore und Assists werden für die Hurricanes entscheidend sein. Jonas Siegenthaler muss bei Washington wohl vorerst mit der Rolle des Zuschauers vorlieb nehmen. Aber wer weiss, vielleicht bietet sich für den jungen Verteidiger doch noch die Chance auf einen Playoff-Einsatz.
Die New York Islanders hätte vor der Saison und nach den Abgängen von John Tavares und weiteren Teamstützen kaum jemand in den Playoffs erwartet. Und noch viel weniger, dass sie in einer Playoff-Serie gegen Pittsburgh Heimvorteil haben würden. Doch der neue Coach Barry Trotz hat dem Team eine Defensiv-Philosophie eingeimpft, die in der Regular Season bestens funktioniert hat.
Die Saison von Pittsburgh war dagegen eher ein Flickwerk. Die Playoff-Teilnahme konnten sich die Pinguine erst kurz vor dem Ende der Regular Season sichern. Konstanz erreichten sie auch nach der Trade-Deadline und den Zuzügen von Jared McCann und Nick Bjugstad nicht wirklich. Doch Sidney Crosby und Co. sind immer bereit, wenn es in die Playoffs geht. Sie wissen genau was es braucht, um eine Serie zu gewinnen.
Das defensiv geprägte Spiel von Barry Trotz hat auch seinem Torhüterduo mit Robin Lehner und Thomas Greiss eine starke Saison ermöglicht. Mit Fangquoten bei 5-gegen-5 Feldspielern von 93,4 Prozent (Lehner) und 93,7 Prozent (Greiss) sind sie das statistisch beste Duo der NHL. Dafür wurden die beiden auch mit der Jennings-Trophy ausgezeichnet.
Sidney Crosby knackte diese Saison zum ersten Mal seit 2014 wieder die 100-Punkte-Marke und zeigte damit, dass er noch nicht auf dem absteigenden Ast ist. Und Playoff-Crosby spielt sowieso immer mit einer anderen Intensität als Regular-Season-Crosby.
Die Defensive bei Pittsburgh ist nicht überragend besetzt, doch Kris Letang alleine macht dort vieles wett. Eine Schwäche, die der Starverteidiger nicht nach Wunsch korrigieren kann, ist das Penalty Killing. Pittsburgh wehrt 79,7 Prozent aller Unterzahlspiele erfolgreich ab. Das ist nicht miserabel, aber auch nicht besonders gut.
Den Islanders fällt das Toreschiessen extrem schwer. Beste Offensivkraft ist Matt Barzal mit 62 Punkten, bester Torschütze Captain Anders Lee mit 28 Toren. Auch das Powerplay funktioniert nicht nach Wunsch. Kein Wunder, dass Coach Barry aus Trotz voll auf die Defensive setzt.
Matt Murray ist erst 24, hat aber schon zwei Stanley Cups gewonnen. 2017 führte der Goalie Pittsburgh zum Titel. Doch seither sind seine Leistungen alles andere als konstant. Schafft er in den Playoffs den Turnaround? Genügend Talent ist jedenfalls vorhanden.
Luca Sbisa hat bei den Islanders in der zweiten Saisonhälfte nur noch ein Spiel absolviert. Er wird auch in den Playoffs kein Faktor sein.
Ich werde aber bis zuletzt hoffen, dass es ein kanadisches Team macht. Am liebsten die Maple Leafs.