Jetzt gehen die Olympia-Bewerbungen los – so stehen die Chancen der Nati-Spieler
Die NHL-Spieler sind zurück bei den Olympischen Spielen – zum ersten Mal seit Sotschi 2014. Das bedeutet, dass im kommenden Februar in Italien das beste Eishockey-Turnier seit über zehn Jahren ansteht. Da möchte natürlich jeder Spieler dabei sein und deshalb geniessen die Testländerspiele im November und Dezember, die sonst eher wenig Beachtung finden, bereits eine grosse Wichtigkeit. Denn es dürfte für einige Nati-Spieler bereits die letzte Chance sein, sich im Nationaldress für eine Teilnahme in Mailand zu empfehlen.
Die Schweizer Nati bestreitet von Donnerstag bis Sonntag die Euro Hockey Tour in Tampere und trifft dort auf Finnland, Schweden und Tschechien. Die Spieler, die für das Mini-Turnier aufgeboten wurden, werden ihr Bestes versuchen, Nationaltrainer Patrick Fischer und seine Crew von sich zu überzeugen, um im Februar für die Olympischen Spiele erneut aufgeboten zu werden.
Verteidiger (8): Tim Berni (Genève-Servette HC), Giancarlo Chanton (Genève-Servette HC), Michael Fora (HC Davos), Lukas Frick (HC Davos), Tobias Geisser (EV Zug), Nico Gross (HC Davos), Fabian Heldner (Lausanne HC), Sven Jung (HC Davos)
Stürmer (14): Nicolas Baechler (ZSC Lions), Christoph Bertschy (HC Fribourg-Gottéron), Attilio Biasca (HC Fribourg-Gottéron), Fabrice Herzog (EV Zug), Ken Jäger (Lausanne HC), Tino Kessler (HC Davos), Simon Knak (HC Davos), Tyler Moy (SCRJ Lakers), Valentin Nussbaumer (HC Davos), Dario Rohrbach (SCL Tigers), Sandro Schmid (HC Fribourg-Gottéron), Justin Sigrist (ZSC Lions), Dario Simion (HC Lugano), Calvin Thürkauf (HC Lugano)
Donnerstag, 17.30 Uhr: Schweiz – Finnland
Samstag, 12 Uhr: Schweiz – Schweden
Sonntag, 12 Uhr: Schweiz – Tschechien
Aber die Plätze sind natürlich beschränkt. 25 Spieler kann Fischer für das Turnier in Mailand aufbieten – traditionellerweise 14 Stürmer, 8 Verteidiger und 3 Goalies. Läuft alles normal und ohne Verletzungen, gehen sechs Plätze bei den Stürmern, drei bei den Verteidigern (ohne den verbannten Lian Bichsel) und einer bei den Goalies für die Schweizer NHL-Spieler drauf. Bleiben also noch acht freie Plätze für Stürmer, fünf für Verteidiger und zwei für Goalies.
Schauen wir uns mal an, welche Spieler aus dem aktuellen Aufgebot auch von der Olympiateilnahme träumen dürfen.
Gute Olympia-Chancen
Beginnen wir in der Verteidigung. Bei Schweizer Eishockey-Fans ist er längst ein Prügelknabe, aber Michael Fora vom HC Davos dürfte auch bei den Olympischen Spielen in Italien wieder im Schweizer Kader stehen. Patrick Fischer hat in den letzten vier Jahren bei keinem grossen Turnier (4x Weltmeisterschaften, 1x Olympia) auf den Tessiner verzichtet – und das hat durchaus seine Gründe. Fora ist ein grosser, kräftiger Rechtsschütze. Er kann offensiv Punkte beisteuern und hinten Schüsse blocken und Checks austeilen. Abzüge gibt es, weil Fora aufgrund seiner etwas ungelenken Art regelmässig ärgerliche Strafen kassiert.
An einem anderen HCD-Verteidiger führt in dieser Saison bislang ebenfalls kein Weg vorbei: Lukas Frick. Mit 18 Punkten aus 22 Spielen ist er offensiv so erfolgreich wie kein anderer Schweizer Verteidiger in der National League. Wir haben den Thurgauer bei den Roost Röthlisberger & watson Hockey-Awards schon letzte Saison zum besten Verteidiger der Liga gekürt. Und auch diese Saison beweist Frick seine grossen Allrounder-Fähigkeiten mit Toren, Assists, aber auch gutem Stellungsspiel und jeder Menge geblockten Schüssen.
Im Tor kämpft mit Sandro Aeschlimann ein dritter HCD-Akteur um den Olympiaplatz. Der 30-jährige Goalie käme wohl höchstens als Nummer 3 in Frage (hinter Leonardo Genoni und voraussichtlich Akira Schmid). Er spielt bislang eine konstante Saison, und hat die Nase statistisch gegenüber Stéphane Charlin vorn. Grössere Konkurrenz ist da Reto Berra, der sich bei Fribourg ebenfalls in Bestfom gezeigt hat und bislang der beste Schweizer Goalie der Liga war. Der 38-Jährige nach dem missglückten WM-Spiel gegen Österreich 2024 (vier Gegentore in 40 Minuten) eine mit Fischer abgesprochene Nati-Pause eingelegt. Aber wenn Berra in Tampere ähnlich überzeugt wie in der Liga, dann kann er womöglich die Reise nach Mailand buchen.
Vom aktuellen Nati-Kader besitzt wohl nur ein Stürmer gute Chancen auf eine Olympia-Teilnahme. Christoph Bertschy war in den letzten fünf Jahren bei allen Weltmeisterschaften sowie bei Olympia in Peking dabei. Fischer setzt also stets auf den Freiburger. Für ihn spricht seine Vielseitigkeit: Bertschy kann als Center und Flügel eingesetzt werden. Er kann in einem Powerplay punkten, aber auch als Viertlinienspieler Energie und Physis aufs Eis bringen. Mit seinem Tempo ist er auch in Unterzahl stets eine Gefahr für die Gegner.
Ein interessanter Fall ist Calvin Thürkauf: Vor zwei Jahren hätten wir gesagt: Er ist bei Olympia auf jeden Fall gesetzt. Doch seine 60-Punkte-Saison von 2023/24 konnte der Lugano-Captain – auch wegen Verletzungen – nie bestätigen. Trotzdem scheint der 28-Jährige ein idealer Systemspieler für Patrick Fischer: vielseitig, physisch, stark am Bullypunkt und mit viel offensivem Potenzial. Sofern er gesund bleibt, sollte er den Cut schaffen.
Aussenseiterchancen
Fischer setzt gerade in den hinteren Linien gerne auf junge, physisch starke Energiespieler. So haben in den vergangenen drei Jahren Ken Jäger, Nicolas Baechler, Simon Knak, Sandro Schmid oder Marco Miranda diese Rolle eingenommen. In einem Olympiakader mit allen NHL-Stars sind diese Plätze natürlich etwas knapper, da Stars wie Denis Malgin oder Sven Andrighetto in der Hierarchie etwas nach hinten rutschen.
Vom erwähnten Quartett hat Ken Jäger vermutlich die besten Karten für eine Olympia-Teilnahme – sofern er den Tritt wiederfindet. Der Saisonstart bei Lausanne (4 Punkte aus 22 Spielen) ist gewaltig missglückt. Für Jäger spricht, dass er ebenfalls als Center oder Flügel eingesetzt werden kann – und die gute letzte WM. Eine solche hat auch Simon Knak gespielt. Der Powerstürmer überzeugt bislang beim HCD mehr als Jäger und könnte für Fischer mit seiner Physis (187 cm/92 kg) eine interessante Option sein.
Sandro Schmid ist mehr Edeltechniker als physische Kraft, dafür ebenfalls vielseitig und in allen Situationen einsetzbar. Aber weil diese Qualitäten auch die NHL- und National-League-Stars mitbringen, könnte es für den Freiburger eng werden. Nicolas Baechler ist auf dem Weg zu seiner besten National-League-Saison. Doch weil er etwas eindimensionaler ist als der Rest dieses Quartetts, hat er wohl die geringsten Chancen auf eine Olympiateilnahme.
Tim Berni und Sven Jung waren beim Silbergewinn an der vergangenen WM dabei, wobei letzterer ohne Einsatz im Kader stand. Auch für Berni quasi als kleinere und leichtere Version von Dean Kukan dürfte es im Olympiateam kaum Platz haben.
Kaum Chancen
Tyler Moy, Tino Kessler, Dario Simion, Valentin Nussbaumer, Dario Rohrbach und Fabrice Herzog kann man alle einer ähnlichen Gruppe zuordnen: spielstarke Stürmer, deren Rollen bei Olympia aber schon von grösseren Schweizer Stars übernommen werden. Ein interessanter Name könnte jener von Attilio Biasca sein. Der Powerstürmer ist bei Fribourg gut in die Saison gestartet und bringt die bei Fischer beliebte Mischung aus Scoring, Physis und Flexibilität mit.
Der letzte Nati-Ernstkampf von Verteidiger Fabian Heldner liegt wohl zu lange zurück, um für Mailand 2026 eine Rolle zu spielen. Seine jüngeren Positionskollegen Tobias Geisser und Nico Gross haben zuletzt stagniert, während für Giancarlo Chanton ein solches Turnier wohl noch zu früh kommt.
So könnte das Schweizer Olympiakader aussehen
Doch wie wird das Schweizer Kader für die Olympischen Spiele am Ende konkret aussehen? Die Kollegen von nhl.com haben zuletzt einen Vorschlag gebracht, dessen Qualität sich allerdings in Grenzen hält. So waren etwa Pius Suter, Philipp Kurashev oder Akira Schmid nicht dabei.
Kurashev war zwar an seiner letzten WM (beim Silbergewinn von 2023/24) nicht unumstritten, sammelte er in acht Spielen doch nur zwei Skorerpunkte. Aktuell ist er bei den San Jose Sharks aber in blendender Form. Gleiches gilt für Akira Schmid, der die Vegas Golden Knights vergangene Nacht mit einem Shutout zum Sieg hexte. Sie dürften im Normalfall genau wie Pius Suter für das Turnier in Mailand gesetzt sein. Hier wäre unser momentaner Kadervorschlag für die Olympischen Spiele.
Der Vorschlag ist nicht komplett anders als jener von nhl.com, aber halt mit Berücksichtigung aller Schweizer NHL-Stars (abgesehen von Lian Bichsel aus bekannten Gründen). In diesem Kader wäre Sandro Aschlimann der dritte Goalie; Lukas Frick, Christian Marti, Simon Knak und Damien Riat müssten von den Feldspielern zuschauen.
