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Wie Travis Dermott die Pride-Tape-Regeln der NHL ins Lächerliche zieht

NHL, Eishockey Herren, USA Minnesota Wild at Washington Capitals Jan 17, 2023 Washington, District of Columbia, USA Washington Capitals right wing Tom Wilson 43 stands on ice during warmup with rainbo ...
Tom Wilson von den Washington Capitals mit Pride-Tape am Stock. Bild: IMAGO/USA TODAY Network

Wie ein einzelner Verteidiger die Pride-Tape-Regeln der NHL ins Lächerliche zieht

Die NHL wollte in dieser Saison die Verwendung von Pride-Tape an den Stöcken der Spieler verbieten. Der Schuss geht jetzt schon nach hinten los.
24.10.2023, 10:4224.10.2023, 18:55

Unterstützung für die LGBTQ+-Community treibt die NHL und deren Anführer seit Monaten um. In der vergangenen Saison kam es zu grosser Medienaufmerksamkeit, als einzelne Spieler sich weigerten, an den sogenannten Pride-Nights mit speziellen, mit regenbogenfarbenen Designs versehenen Aufwärmtrikots aufs Eis zu kommen.

Vancouver Canucks' J.T. Miller wears a pride-themed warmup jersey before the team's NHL hockey game against the Calgary Flames on Friday, March 31, 2023, in Vancouver, British Columbia. (Dar ...
Themen-Aufwärmtrikots wie dieses der Vancouver Canucks sind in der NHL nicht mehr erwünscht. Bild: keystone

Kontroversen mögen die Herren an der NHL-Spitze aber gar nicht. Deshalb haben sie in diesem Sommer eine Änderung bei diesen Themennächten beschlossen: Spezielle Aufwärmtrikots wird es nicht mehr geben. Nicht für Pride-Night. Nicht zur Unterstützung im Kampf gegen den Krebs. Nicht für militärische Feiertage. Doch kurz vor dem Saisonstart machte ein zusätzliches Memo der Liga die Runde: Neu soll auch die Verwendung von Pride-Tape – also regenbogenfarbenes Grip Tape für den Stock – verboten werden.

Sofort gab es kämpferische Reaktionen. Scott Laughton, Stürmer der Philadelphia Flyers, kündete an: «Ihr werdet mich trotzdem mit Pride-Tape sehen. Wenn sie etwas sagen wollen, dann sollen sie. Aber das wird nichts an meiner Unterstützung fir die Pride-Community ändern.» Andere Spieler – darunter Connor McDavid, Morgan Reilly oder Zach Hyman – äusserten ihre Enttäuschung über den Entscheid der Liga. Und auch Minnesota-Verteidiger Jon Merril sagte: «Wenn wir das Tape trotzdem verwenden, was will die Liga machen? Mich vom Eis nehmen? Mich bestrafen? Dann sieht die Liga extrem schlecht aus.»

Update:
Am Dienstagabend berichten mehrere kanadische Journalisten übereinstimmend, dass die NHL die Regel, die das Verwenden von Pride-Tape verbieten sollte, wieder zurückgenommen hat.

Tatsächlich stand die neue Regel von Beginn weg auf wackeligen Beinen. Denn im NHL-Regelbuch steht bei Regel 10.1:

«Klebeband jeder Farbe kann an jeder Stelle um den Schläger gewickelt werden, um ihn zu verstärken oder die Puck-Kontrolle zu verbessern.»

Wie absurd das Memo an die Spieler war, hat nun Travis Dermott bewiesen. Der Verteidiger der Arizona Coyotes ist beileibe kein Star, der durch sein Geld oder seinen Status geschützt ist. Bei den Coyotes verdient der 26-Jährige 800'000 Dollar pro Saison und damit 50'000 Dollar über dem Liga-Mindestlohn.

Am vergangenen Samstag war Dermott der erste NHL-Spieler, der trotz des angekündigten Verbots mit Pride-Tape am Stock auflief. Der Verteidiger kündigte das nicht gross an, auch seine Mannschaftskollegen oder die Teamverantwortlichen wussten nichts davon. Erst im Laufe des Spiels fiel es Zuschauern auf, dass etwas Regenbogenfarbe an Dermotts Stock klebt.

«Mein Gedankengang war: ‹Also gut, ich mache das und kümmere mich später um die Konsequenzen.› Ich hoffe so, einen positiven Einfluss auf Menschen zu haben, die einen solchen positiven Einfluss brauchen», erklärte Dermott seine Aktion später bei «The Athletic». Es sei einfach zu vergessen, dass Probleme existieren, wenn sie nicht direkt vor einem stehen. Es sei einfach zu vergessen, dass es eine Gruppe von Menschen gibt, die das Gefühl hat, hier nicht hinzugehören. Und der Kanadier ist sich sicher: «Wenn wir aufhören, daran zu denken, dann wird es gefährlich.»

Er hätte nicht erwartet, dass seine Aktion derart grosse Wellen schlage. Aber Konsequenzen seitens der Liga blieben bislang aus – auch bei der NHL scheint man sich der Tatsache bewusst, wie schlecht das in der Öffentlichkeit aussehen würde.

Und: «Ich habe gespürt, dass ich meine komplette Mannschaft als Unterstützung im Rücken habe», sagt Dermott. Tatsächlich deutet derzeit viel daraufhin, dass die Liga zurückkrebst und die Pride-Tape-Weisung wieder rückgängig macht. Die Liga denke gar über einen speziellen Tag nach, an dem Spieler mit ihrem Equipment auf Organisationen oder Umstände aufmerksam machen können, die ihnen wichtig sind, berichtet der renommierte NHL-Journalist Chris Johnston.

Auch in anderen Bereichen der (kanadischen) Gesellschaft regt sich Widerstand gegen die neuen NHL-Regeln. Scotiabank – die drittgrösste Bank des Landes – verteilt derzeit an diversen Standorten und in Zusammenarbeit mit den Herstellern gratis 5000 Rollen Pride-Tape.

Dass Travis Dermott erst im fünften Saisonspiel mit Pride-Tape am Stock auflief, hatte übrigens logistische Gründe: «Ich habe mein Pride-Tape beim Umzug von Vancouver nach Arizona verloren und musste zuerst wieder bestellen.» Heute Nacht beim Spiel gegen die LA Kings werde er darauf verzichten. Er habe nun schon für genügend Aufmerksamkeit gesorgt und sei nicht auf einen Krieg mit der Liga aus.

Am kommenden Freitag veranstalten die Arizona Coyotes, wo auch Janis Moser unter Vertrag steht, als erstes NHL-Team in dieser Saison und unter den neuen Regeln wieder eine Pride-Night. Es ist zu erwarten, dass Dermott dann nicht als einziger Spieler der Coyotes gegen die Pride-Tape-Regelung verstösst. Er sagt: «Wir werden weiterhin darüber sprechen, auch wenn die Liga dagegen ist. Als Sportler haben wir eine so grossartige Plattform, um Liebe zu verbreiten. Und ich finde, wenn wir diese Liebe nicht verbreiten, was zum Teufel tun wir dann?».

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73 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Tao Baibai „Killer“
24.10.2023 11:08registriert Januar 2020
Überlasst es doch einfach den Spielern welches "Bändeli" sie tragen wollen oder nicht. Dieses Zitat war noch nie passender: "Ech mein jede cha mache was er will, well jede stohd dezue was er macht"
1947
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Ichsagstrotzdem
24.10.2023 11:03registriert Juni 2016
Werbung ist das eine, die Spieler für ein politisches Statement zu (miss-)brauchen geht m.E. eindeutig zu weit.
Auf freiwilliger Basis ist das natürlich etwas ganz anderes.
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Atavar
24.10.2023 11:15registriert März 2020
Organisierte Solidaritätsbekundungen von Unternehmen durch ihre Mitarbeiter sind mMn mindestens fragwürdig. Auch ein positiver Effekt steht für mich absolut in Zweifel.

Wenn jemand - wie Dermott hier - das allerdings aus freien Stücken (und damit wohl, weil er sich wirklich mit dem Thema identifiziert) tut, sehe ich eher altruistische denn imagebasierte Motive.
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