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Eishockey: Passend zum Stadion – NHL-Bandengeneral Crawford wird ZSC-Coach

ZSC Lions Cheftrainer Marc Crawford waehrend dem Eishockey-Meisterschaftsspiel der National League A zwischen den ZSC Lions und dem HC Davos am Samstag, 27. Februar 2016, im Hallenstadion in Zuerich.  ...
Nach sechs Jahren in der NHL kehrt Marc Crawford zum ZSC zurück.Bild: KEYSTONE
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Wunderbar passend zum NHL-Stadion: NHL-Bandengeneral Marc Crawford wird neuer ZSC-Trainer

Die ZSC Lions ersetzen «Systemfanatiker» Rikard Grönborg (54) durch den charismatischen NHL-Bandengeneral Marc Crawford (61). Und in Davos oben stehen wir am Anfang eines weiteren Trainer-Dramas.
28.12.2022, 14:2228.12.2022, 15:11
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Ein Trainerwechsel mit hohem Unterhaltungswert und kleinen Schwindeleien. Wie es sich für ein Unternehmen der Hockey- und Unterhaltungsindustrie in Zürich gehört.

Mitte Dezember fragt der Agent von Rikard Grönborg besorgt, ob es wahr sei, dass Marc Crawford noch während der Saison nach Zürich zurückkehre. Er habe Sven Leuenberger schon gefragt, doch der habe ihm glaubhaft versichert, Marc Crawford sei kein Thema.

Zuerichs Trainer Rikard Groenborg reagiert im Eishockeyspiel der National League zwischen den ZSC Lions und Ajoie am Mittwoch, 30. November 2022, in der Swiss Life Arena in Zuerich. (KEYSTONE/Ennio Le ...
Seine Tage an der Bande des ZSC sind gezählt: Rikard Grönborg muss gehen.Bild: keystone

Diese kleine Schwindelei sei Sven Leuenberger verziehen, ja sie gereicht ihm zur Ehre. Gute Sportchefs decken ihre Karten nicht auf. Schon gar nicht, wenn es um den Trainer geht. Hätte Sven Leuenberger Rikard Grönborgs Agenten die Wahrheit gesagt und treuherzig erzählt, ja, ja, man verhandle mit Marc Crawford, dann wäre der ZSC-Sportchef zwischen alle Stühle gefallen.

Nun also kommt Marc Crawford. Per sofort. Dass die Verhandlungen etwas länger gedauert haben, hat einen Grund: Der charismatische NHL-Bandengeneral kommt nicht nur bis Saisonende. Er hat gleich einen Vertrag für zwei weitere Jahre bis 2025 herausgeholt. Da waren doch längere Verhandlungen nötig.

Die «Geister des Hallenstadions» haben sich auch in der wunderbaren neuen Arena eingenistet.

Die ZSC Lions haben es, wie es einem modernen Hockeyunternehmen gut ansteht, mit modernen Trainern versucht. Also mit Schweden, die das System über die Individualität und tägliche Befindlichkeiten stellen, aber umgekehrt eben auch sehr viel Wert auf die Eigenverantwortung der Spieler legen. Wer boshaft ist, spricht von Hockey-Sozialismus. Der Schwede Hans Wallson ist 2016 wie ein Hockeygott empfangen worden. Er musste das Hallenstadion am 29. Dezember 2017 durch den Hinterausgang verlassen. Der «Haudegen» Hans Kossmann holte anschliessend 2018 den bisher letzten Titel für die Zürcher.

Zuerichs Trainer Hans Kossmann im zweiten Eishockey Playoff-Finalspiel der National League zwischen den ZSC Lions und dem HC Lugano, am Samstag, 14. April 2018, im Zuercher Hallenstadion. (KEYSTONE/Me ...
Der letzte Meistertrainer der ZSC Lions: Hans Kossmann.Bild: KEYSTONE

Nun hat Rikard Grönborg, im Sommer 2019 im Hallenstadion wie ein nordischer Hockeygott empfangen und zu diesem Zeitpunkt der teuerste Trainer Europas, die neue ZSC-Arena soeben durch den Hinterausgang verlassen. Womit wir wissen: Die «Geister des Hallenstadions» haben sich auch in der wunderbaren neuen Arena eingenistet.

Zwei hoch dotierte Systemschweden sind in Zürich gescheitert (mit Johan Lundskog übrigens soeben auch einer in Bern). Es ist eben schwierig, den Mittelweg zwischen «taktischer Prinzipienreiterei» und der Flexibilität, dem Wechselspiel zwischen Wattestäbchen- und Schmirgelpapier-Psychologie zu finden, die halt auch zu diesem rauen Spiel gehören. Nur den von den Hockey-Göttern Auserwählten gelingt das so gut wie Zugs Dan Tangnes.

Zugs Cheftrainer Dan Tangnes freut sich nach ihrem Sieg im siebten Playoff-Final Eishockeyspiel der National League zwischen dem EV Zug und ZSC Lions am Sonntag, 1. Mai 2022, in der Bossard Arena in Z ...
Zugs Meistertrainer Dan Tangnes.Bild: keystone

Die ZSC Lions kehren nun also zurück zum urigen, emotionalen und weniger wissenschaftlichen, zum wahren Hockey. Der Unterhaltungswert wird im Quadrat steigen.

Rikard Grönborg ist nicht am fehlenden Sachverstand gescheitert. Sondern an zu viel Fachwissen und Selbstvertrauen. Um es etwas vereinfacht zu formulieren: Der mehrfache Weltmeister-Coach hat seine unbestrittene fachliche Autorität über die besonderen Anforderungen des täglichen Umganges mit jungen Männern gestellt, die lieber spielen als arbeiten. Darum sind sie ja Hockey-Profi geworden.

Rikard Grönborg hat die Kabine – also die leidenschaftliche Unterstützung der Spieler – verloren.

Die fachliche Überlegenheit hat zu einer gewissen Form der Arroganz geführt. Oder in einem Satz: Rikard Grönborg hat die Kabine – also die leidenschaftliche Unterstützung der Spieler – verloren. Und darüber hinaus hat er, diplomatisch äusserst ungeschickt, alle guten Ratschläge von Sportchef Sven Leuenberger rundweg ignoriert. Dabei dürfte ihm auch die fehlende Erfahrung im Tagesgeschäft als Klubtrainer (er ist in Schweden als Nationaltrainer zu Ruhm und Ehre gekommen) zum Verhängnis geworden sein.

Die ZSC Lions spielen in einem NHL-Stadion und nun bekommen sie mit Marc Crawford einen wahren NHL-Bandengeneral. 16 Jahre Cheftrainer in der NHL, Coach des kanadischen NHL-Olympia-Teams von 1998, Stanley Cup-Sieger 1996, NHL-Coach des Jahres 1995. Zwischendurch bildete er sich in Europa weiter und coachte von 2012 bis 2016 vier Jahre bereits einmal die ZSC Lions (Meister 2014, Cupsieger 2016), kehrte nach Nordamerika zurück und arbeitete die letzten vier Jahre als Vize-Bandengeneral (Assistent) in Ottawa und Chicago.

Blick in die Swiss Life Arena, das Stadion der ZSC Lions, fotografiert am Freitag, 14. Oktober 2022 in Zuerich. (KEYSTONE/Christian Beutler)
Die neue Arena der ZSC Lions.Bild: keystone

Der 61-jährige Kanadier ist eigentlich der perfekte Chef für die ZSC Lions: flexibel bei der Führung des Teams im Spiel. Bei der Zusammenstellung der Linien ist die Tagesform wichtiger als der taktische «Jahresplan». Er hat keine Scheu, einen Star durch ein junges Talent zu ersetzen. Grosse Namen haben ihn sowieso noch nie beeindruckt: 1998 scheiden die Kanadier im Olympischen Halbfinal im Penaltyschiessen gegen Tschechien aus – Marc Crawford hat Wayne Gretzky, den Grössten aller Zeiten, nicht zum Penalty antreten lassen.

Die ZSC Lions haben zwar eine so ausgeglichene Mannschaft mit Tenören in allen vier Linien, dass theoretisch ein Systemcoach Erfolg haben müsste. Aber eben nur theoretisch: In der Kabine sitzen auch selbstbewusste Alphatiere, die nur bei einem charismatischen, grossen Chef parieren. Marc Crawford hat so viel NHL-Sternenstaub auf den Kleidern, dass auch einer wie beispielsweise Sven Andrighetto gehorcht. Womit wir nicht etwa sagen, Sven Andrighetto sei Rikard Grönborg nicht folgsam gewesen. Aber er hat halt bei seinen spielerischen Tätigkeiten nie den Eindruck erweckt, er würde für seinen Trainer durchs Feuer gehen.

ZSC Lions Stuermer Sven Andrighetto aergert sich waehrend dem Eishockey-Meisterschaftsspiel der National League zwischen den SC Rapperswil-Jona Lakers und den ZSC Lions am Mittwoch, 14. September 2022 ...
Spielte selbst in der NHL: ZSC-Star Sven Andrighetto.Bild: keystone

Die ZSC Lions haben das grosse Trainerspektakel hinter sich. Der HC Davos hat es noch vor sich: Der Vertrag von Cheftrainer Christian Wohlwend läuft am Ende der Saison aus. Aber er wird seit November von Sportchef Jan Alston bei den Vertragsgesprächen hingehalten. Entweder kommt es zeitnah zu einem klaren «Ja» oder «Nein» oder zum Eklat. Jan Alston findet die Lösung im Buch der Bücher. Im Evangelium des Matthäus lesen wir nämlich unter Kapitel 5, Vers 37: «Deine Rede aber sei Ja! Ja! Nein! Nein! Was darüber ist, ist vom Übel.»

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HCD, SCB, ZSC und? Diese Klubs wurden schon Schweizer Hockey-Meister
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HCD, SCB, ZSC und? Diese Klubs wurden schon Schweizer Hockey-Meister
HC Davos: 31 Titel, 6 seit 1986; zuletzt Meister: 2015.
quelle: keystone / ennio leanza
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26 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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LilyLullaby
28.12.2022 15:44registriert Januar 2021
Ich habe in Winkel unter Crawford und Cookson gewohnt - war eine tolle zeit mit vielen gratis-tickets und viel apfelwähe 😅😊
Ich freue mich auf ihn - er hat eine gute linie.
Neues stadion - neuer/alter trainer - win/win 😊💪🏼
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maylander
28.12.2022 14:47registriert September 2018
Optimaler Zeitpunkt für den Wechsel.
Grönborg wäre so oder so weg gewesen. Die Spieler können sich jetzt nicht mehr hinter dem Lameduck Grönborg verstecken sondern müssen liefern, insbesondere da Crawford bleiben wird.
Also alles Richtig gemacht vom Sportchef.
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Thomas Meister
28.12.2022 18:06registriert April 2019
Grönborg war beim ZSC von Anfang an falsch. In der ersten Saison holten sie Platz 1, leider gab es keine Playoffs. Dann scheiterten sie kläglich im Halbfinal gegen Servette. Wieso? Weil Grönborg seine Taktik nicht anpasste sondern weiter so spielen liess wie er es für richtig hält. Dann führte man im Final 3:0. Zug änderte die Linien und passte die Taktik an. Grönborg spielte weiter mit dem gleichen System und änderte nichts.
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Josi bei Preds-Sieg weiter on fire – Fiala und Moser treffen ebenfalls
Roman Josi zeigt einen weiteren eindrücklichen Auftritt in der NHL und sichert den Nashville Predators mit zwei Toren den 4:1-Sieg in Seattle. Auch Kevin Fiala und Janis Moser treffen.

Im letzten Drittel machte Josi den Unterschied. Der Berner Verteidiger erzielte das 2:1 im Powerplay und das 3:1 mit einem Schuss von der blauen Linie fast unmittelbar nach einem Bully. «Das ist der Grund, weshalb er – meiner Meinung nach – der beste Verteidiger der Welt ist», meinte Nashvilles Coach Andrew Brunette nach dem Match. «Er macht einfach solche Dinge wie heute und entscheidet Spiele. Dank seiner Qualität und seinem Leadership können wir uns immer auf ihn stützen.»

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