Ein Trainerwechsel mit hohem Unterhaltungswert und kleinen Schwindeleien. Wie es sich für ein Unternehmen der Hockey- und Unterhaltungsindustrie in Zürich gehört.
Mitte Dezember fragt der Agent von Rikard Grönborg besorgt, ob es wahr sei, dass Marc Crawford noch während der Saison nach Zürich zurückkehre. Er habe Sven Leuenberger schon gefragt, doch der habe ihm glaubhaft versichert, Marc Crawford sei kein Thema.
Diese kleine Schwindelei sei Sven Leuenberger verziehen, ja sie gereicht ihm zur Ehre. Gute Sportchefs decken ihre Karten nicht auf. Schon gar nicht, wenn es um den Trainer geht. Hätte Sven Leuenberger Rikard Grönborgs Agenten die Wahrheit gesagt und treuherzig erzählt, ja, ja, man verhandle mit Marc Crawford, dann wäre der ZSC-Sportchef zwischen alle Stühle gefallen.
Nun also kommt Marc Crawford. Per sofort. Dass die Verhandlungen etwas länger gedauert haben, hat einen Grund: Der charismatische NHL-Bandengeneral kommt nicht nur bis Saisonende. Er hat gleich einen Vertrag für zwei weitere Jahre bis 2025 herausgeholt. Da waren doch längere Verhandlungen nötig.
Die ZSC Lions haben es, wie es einem modernen Hockeyunternehmen gut ansteht, mit modernen Trainern versucht. Also mit Schweden, die das System über die Individualität und tägliche Befindlichkeiten stellen, aber umgekehrt eben auch sehr viel Wert auf die Eigenverantwortung der Spieler legen. Wer boshaft ist, spricht von Hockey-Sozialismus. Der Schwede Hans Wallson ist 2016 wie ein Hockeygott empfangen worden. Er musste das Hallenstadion am 29. Dezember 2017 durch den Hinterausgang verlassen. Der «Haudegen» Hans Kossmann holte anschliessend 2018 den bisher letzten Titel für die Zürcher.
Nun hat Rikard Grönborg, im Sommer 2019 im Hallenstadion wie ein nordischer Hockeygott empfangen und zu diesem Zeitpunkt der teuerste Trainer Europas, die neue ZSC-Arena soeben durch den Hinterausgang verlassen. Womit wir wissen: Die «Geister des Hallenstadions» haben sich auch in der wunderbaren neuen Arena eingenistet.
Zwei hoch dotierte Systemschweden sind in Zürich gescheitert (mit Johan Lundskog übrigens soeben auch einer in Bern). Es ist eben schwierig, den Mittelweg zwischen «taktischer Prinzipienreiterei» und der Flexibilität, dem Wechselspiel zwischen Wattestäbchen- und Schmirgelpapier-Psychologie zu finden, die halt auch zu diesem rauen Spiel gehören. Nur den von den Hockey-Göttern Auserwählten gelingt das so gut wie Zugs Dan Tangnes.
Die ZSC Lions kehren nun also zurück zum urigen, emotionalen und weniger wissenschaftlichen, zum wahren Hockey. Der Unterhaltungswert wird im Quadrat steigen.
Rikard Grönborg ist nicht am fehlenden Sachverstand gescheitert. Sondern an zu viel Fachwissen und Selbstvertrauen. Um es etwas vereinfacht zu formulieren: Der mehrfache Weltmeister-Coach hat seine unbestrittene fachliche Autorität über die besonderen Anforderungen des täglichen Umganges mit jungen Männern gestellt, die lieber spielen als arbeiten. Darum sind sie ja Hockey-Profi geworden.
Die fachliche Überlegenheit hat zu einer gewissen Form der Arroganz geführt. Oder in einem Satz: Rikard Grönborg hat die Kabine – also die leidenschaftliche Unterstützung der Spieler – verloren. Und darüber hinaus hat er, diplomatisch äusserst ungeschickt, alle guten Ratschläge von Sportchef Sven Leuenberger rundweg ignoriert. Dabei dürfte ihm auch die fehlende Erfahrung im Tagesgeschäft als Klubtrainer (er ist in Schweden als Nationaltrainer zu Ruhm und Ehre gekommen) zum Verhängnis geworden sein.
Die ZSC Lions spielen in einem NHL-Stadion und nun bekommen sie mit Marc Crawford einen wahren NHL-Bandengeneral. 16 Jahre Cheftrainer in der NHL, Coach des kanadischen NHL-Olympia-Teams von 1998, Stanley Cup-Sieger 1996, NHL-Coach des Jahres 1995. Zwischendurch bildete er sich in Europa weiter und coachte von 2012 bis 2016 vier Jahre bereits einmal die ZSC Lions (Meister 2014, Cupsieger 2016), kehrte nach Nordamerika zurück und arbeitete die letzten vier Jahre als Vize-Bandengeneral (Assistent) in Ottawa und Chicago.
Der 61-jährige Kanadier ist eigentlich der perfekte Chef für die ZSC Lions: flexibel bei der Führung des Teams im Spiel. Bei der Zusammenstellung der Linien ist die Tagesform wichtiger als der taktische «Jahresplan». Er hat keine Scheu, einen Star durch ein junges Talent zu ersetzen. Grosse Namen haben ihn sowieso noch nie beeindruckt: 1998 scheiden die Kanadier im Olympischen Halbfinal im Penaltyschiessen gegen Tschechien aus – Marc Crawford hat Wayne Gretzky, den Grössten aller Zeiten, nicht zum Penalty antreten lassen.
Die ZSC Lions haben zwar eine so ausgeglichene Mannschaft mit Tenören in allen vier Linien, dass theoretisch ein Systemcoach Erfolg haben müsste. Aber eben nur theoretisch: In der Kabine sitzen auch selbstbewusste Alphatiere, die nur bei einem charismatischen, grossen Chef parieren. Marc Crawford hat so viel NHL-Sternenstaub auf den Kleidern, dass auch einer wie beispielsweise Sven Andrighetto gehorcht. Womit wir nicht etwa sagen, Sven Andrighetto sei Rikard Grönborg nicht folgsam gewesen. Aber er hat halt bei seinen spielerischen Tätigkeiten nie den Eindruck erweckt, er würde für seinen Trainer durchs Feuer gehen.
Die ZSC Lions haben das grosse Trainerspektakel hinter sich. Der HC Davos hat es noch vor sich: Der Vertrag von Cheftrainer Christian Wohlwend läuft am Ende der Saison aus. Aber er wird seit November von Sportchef Jan Alston bei den Vertragsgesprächen hingehalten. Entweder kommt es zeitnah zu einem klaren «Ja» oder «Nein» oder zum Eklat. Jan Alston findet die Lösung im Buch der Bücher. Im Evangelium des Matthäus lesen wir nämlich unter Kapitel 5, Vers 37: «Deine Rede aber sei Ja! Ja! Nein! Nein! Was darüber ist, ist vom Übel.»
Ich freue mich auf ihn - er hat eine gute linie.
Neues stadion - neuer/alter trainer - win/win 😊💪🏼
Grönborg wäre so oder so weg gewesen. Die Spieler können sich jetzt nicht mehr hinter dem Lameduck Grönborg verstecken sondern müssen liefern, insbesondere da Crawford bleiben wird.
Also alles Richtig gemacht vom Sportchef.