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Eishockey NL: Drama, Baby, Drama – die beste Saison der Geschichte

Gotterons Jacob De la Rose wird von den Fans gefeiert, nach dem Eishockey Meisterschaftsspiel der National League zwischen dem HC Fribourg Gotteron und HC Ambri-Piotta, am Freitag, 6. Januar 2023 in d ...
Kein Stadion erreicht eine so hohe Auslastung wie die BCF Arena in Fribourg.Bild: keystone
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Drama, Baby, Drama – die beste Saison der Geschichte

Nie zuvor in der Geschichte (seit 1908) sind so viele Männer, Frauen und Kinder in die Stadien geeilt wie in der laufenden Saison. Bereits zwei Runden vor Schluss steht ein neuer absoluter Publikumsrekord fest. Wir lernen daraus: Wenn es rockt auf dem Eis, dann rockt es auch in der Kasse. Und nun kommt auch noch ein neuer Modus.
02.03.2023, 09:4402.03.2023, 19:06
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Eishockey ist ein Schauspiel, das live am meisten Spass macht. Richard Wagners «Walküre» ist im Opernhaus etwas ganz anderes als in einer TV-Übertragung. Jedes Spiel wird heute live vom Farbfernsehen übertragen. Es wäre möglich, zu Hause zu bleiben. Doch seit die Pandemie vorüber ist, strömen mehr Fans in die Stadien als je zuvor in der Geschichte. Es ist, wie es ist: Nach einer Krise geht es noch wilder zu und her als vor einer Krise. Im Guten wie im Bösen. Das war schon immer so, das ist heute so, das wird immer so sein.

Die National League erlebt einen Jahrhundert-Boom. Noch haben alle Klubs ein Heimspiel ausstehend und schon steht der neue absolute Zuschauerrekord: 2'441'917 Tickets sind im Laufe der Qualifikation verkauft worden. In der letzten kompletten Saison (2018/19) vor der Pandemie waren es 2'084'688. Nun kommt noch je eine Heimpartie hinzu.

Diese Saison haben also mehr als eine halbe Million mehr Fans ein Ticket gekauft. Auch der Schnitt pro Spiel ist höher als vor der Pandemie: 6977 pro Partie. Die Rekordmarke steht bei 7026 pro Spiel aus der Saison 2015/16. Aber insgesamt kamen damals in der erst 12 Teams umfassenden NLA bei 25 Heimspielen insgesamt «nur» 2'107'778 Zusehende, was ebenfalls einen bisherigen Bestwert darstellt.

Für diesen Boom gibt es im Wesentlichen fünf Gründe.

1

Die Aufstockung auf 14 Teams. Logisch: Mehr Spiele ergeben letztlich mehr Publikum. Diese Saison werden in der Qualifikation 364 Partien ausgetragen. Rekord. Letzte Saison waren es erst 334.

2

Der Ausbau der Infrastruktur. In Biel, Zug, Lausanne, Pruntrut, Zürich, Fribourg und Ambri sind neue Stadien gebaut worden. Mit dem Komfort steigt der Erlebniswert und es gelingt, neue Fans anzulocken. Wer einmal im Stadion war, kehrt wieder.

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Impressionen vom ersten Spiel in Ambris neuer Valascia
Am 11. September 2021 brach in der Leventina eine neue Zeitrechnung an. Der HC Ambri-Piotta trug sein erstes Heimspiel im neuen Stadion aus.
quelle: keystone / alessandro crinari
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3

Die Ausgeglichenheit der Liga. Wir können tagelang über das Niveau des Spiels diskutieren und fehlende Intensität, die zu hohe Anzahl Ausländer kritisieren oder sonstige fachliche Kritik anbringen. Das Publikum interessiert sich nicht dafür. Das Publikum will Drama. Es muss «um etwas» gehen. Oder wie es der grosse Heinrich Heine einmal gesagt hat: «Vergnügen ist nichts anderes als ein höchst angenehmer Schmerz». Dieser Schmerz ist das Hoffen und Bangen, das Leiden und Zittern mit dem eigenen Team. Drama, Baby, Drama. Noch nie hat es davon so viel gegeben wie diese Saison. Das Hoffen und Bangen, das Leiden und Zittern geht auch zwei Spiele vor Schluss unvermittelt weiter.

4

Das Niveau. Das Lauf- und Tempohockey der National League bietet nach der NHL die beste Unterhaltung. Die Partien der National League sind im Durchschnitt wesentlich attraktiver als das gut strukturierte, taktisch geprägte Spiel in Schweden und Finnland. Dass sich unsere Klubs in der Champions Hockey League gegen die taktisch überlegenen Skandinavier nicht durchsetzen können, hat keinerlei Einfluss auf das Publikumsinteresse an der nationalen Meisterschaft.

Geneve-Servette's defender Henrik Toemmernes #7 celebrates his goal with his teammate Geneve-Servette's forward Valtteri Filppula #51 after scoring the 3:3, during a National League regular  ...
Tempo und Tore: Die National League liefert Spektakel.Bild: keystone

5

Die Erhöhung von vier auf sechs Ausländer. Sie ist der Schlüssel zur Ausgeglichenheit. Sechs gute Ausländer können ein durchschnittliches Team besser machen und durch die ganze Qualifikation tragen. Vier sind dazu nicht in der Lage. Diese Erhöhung ist eine Herausforderung für die Sportchefs. Wer bei der Rekrutierung des ausländischen Personals versagt, wird dafür bestraft. Welche längerfristigen Auswirkungen diese Erhöhung auf sechs Ausländer auf unser Hockey und auf die wirtschaftliche Stabilität der Klubs haben wird, ist ein ganz anderes Thema. Kurzer Wahn, lange Reue? Wir wollen jetzt nicht grübeln. Drama, Baby, Drama.

Zuerichs Alexandre Texier jubelt nach seinem Tor zum 1:0 im Eishockeyspiel der National League zwischen den ZSC Lions und dem Genf Servette HC, am Dienstag, 21. Februar 2023 in der Swiss Life Arena in ...
Spieler wie Alexandre Texier erhöhen die Qualität in der National League.Bild: keystone

Der Boom wird aus drei Gründen weitergehen.

1

Der SC Bern. Die Klubs dürften nächste Saison den aktuellen Schnitt halten können und der SCB als Publikums-Krösus wird nicht ewig in der Krise verharren. Mittelfristig werden die Berner wieder mehr als 16'000 Fans pro Spiel anlocken. So wie zuletzt in der Meistersaison 2018/19.

2

Neuer Modus. Eine stimulierende Wirkung dürfte auch der neue Modus haben. Ab nächster Saison gibt es keine Pre-Playoffs mehr. Sondern Play-ins. Die gehen so: 7. gegen 8. und 9. gegen 10. Hin- und Rückspiel. Bei Gleichstand unabhängig vom Torverhältnis Verlängerung im 2. Spiel. Es ist also möglich, dass das Hinspiel unentschieden endet. Erstes Spiel beim schlechter klassierten Team. Der Sieger aus 9. gegen 10. ist aber noch nicht in den Playoffs. Der letzte Platz in den Playoffs wird zwischen dem Verlierer 7. gegen 8. und dem Sieger 9. gegen 10. mit Hin- und Rückspiel ermittelt.

3

Weltpolitische Lage. Die grossrussische KHL wird auch in den nächsten Jahren keine Konkurrentin auf dem Spielermarkt sein. Auch dann nicht, wenn der Ukraine-Krieg beendet wird. In den nächsten fünf bis sieben Jahren werden die Arbeitsplätze in der National League neben jenen in der nordamerikanischen NHL weiterhin die attraktivsten sein und das sportliche Niveau der Liga kann gehalten werden. Die höchste schwedische Liga ist bei der Verpflichtung der ausländischen Spieler die härteste Konkurrentin.

Zuerichs Mikko Lehtonen, links, und Lucas Wallmark bejubeln das Tor zum 2:4 im Eishockey Qualifikationsspiel der National League zwischen dem EV Zug und den ZSC Lions am Sonntag, 27. November 2022 in  ...
Sie kamen beide aus der KHL zu den ZSC Lions: Lucas Wallmark und Mikko Lehtonen (l.).Bild: keystone

Der Boom hat allerdings eine gefährliche Schattenseite. Der National League geht es so gut und sie ist im ersten Jahr der Selbständigkeit (juristisch vom Verband gelöst), dass der «Klub-Egoismus» immer grösser und die Rücksicht auf die Gesamtinteressen unseres Hockeys ständig kleiner wird. Eine Reduktion der höchsten Liga von 14 auf 12 Teams, um die Basis (die Swiss League) zu stärken, ist in weite Ferne gerückt.

Das Darben der zweithöchsten Spielklasse (Swiss League), die auf der entscheidenden Stufe (17 bis 22 Jahre) aus dem Ruder gelaufene Nachwuchsmeisterschaft (die besten Talente «fliehen» nach Nordamerika und Skandinavien), die hausgemachten Probleme im Amateurhockey, Coaches und Sportchefs, die jungen Talenten keine Chance geben, Auflösung von Farmteams, der Trend, die Mehreinnahmen nicht in die Ausbildung, sondern in die Spielerlöhne zu investieren – das sind alles Faktoren, die unser Eishockey mittelfristig in die Bredouille bringen werden.

Auch hier gilt: Kurzer Wahn, lange Reue. Aber wir wollen nicht Grübeln. Drama, Baby, Drama.

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66 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Mr. Steinberg
02.03.2023 11:06registriert Mai 2022
Die beste Saison der Geschichte und keiner schaut hin. Ist natürlich ein bisschen überspitzt formuliert. Aber die Reichweite ist in dieser Saison deutlich kleiner. Ich wünsche mir Hockey Aktuell auf SRF zurück.
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James R
02.03.2023 11:16registriert Februar 2014
Die National League funktioniert und es ist ein gutes Produkt. Nur steht es auf tönernen Füssen, wenn man es nicht schafft, die Swiss League wieder richtig anzubinden.
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CuJo
02.03.2023 10:10registriert Mai 2018
Es ist einfach falsch zu behaupten, dass die Erhöhung des Ausländerkontingents zu mehr Ausgeglichenheit führt. Davon ausgehend, dass bei der Ausländerwahl keiner der Sportchefs "id'Schissi" greift, werden die grossen Clubs auch da künftig profitieren, weil sie mit mehr Geld bessere Ausländer verpflichten können oder im Laufe der Saison nochmals neue Ausländer dazuholen, wenn der eine oder andere ungenügend ist. Die guten CH-Spieler landen dann einfach in der 3. oder 4. Linie. Aktuell scheint man in Langnau und Genf einfach die besseren Sportchefs zu haben als in Bern oder Lugano.
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