Eigentlich sind Statistiken nur die Krücken der Ratlosen auf dem Weg zu einer Prognose. Wenn wir einfach Statistiken aus der Vergangenheit hervorkramen und ein wenig Zahlen vergleichen, riskieren wir bei einer Prognose nichts. Aber wir übersehen so einen entscheidenden Faktor: Die innere Verfassung eines Teams, die in keiner Statistik aufscheint.
Statistisch scheint alles klar: Gottéron erreicht gegen die ZSC Lions den Final und Titelverteidiger Zug braust über den HC Davos hinweg. Aber ist wirklich alles so klar? Nein, ganz und gar nicht. Erfreulich viele Zeichen deuten auf unberechenbare Halbfinals der wilden Kerle.
Wir kennen aus der Geschichte ein paar Beispiele, wie eine Mannschaft in den entscheidenden Tagen zusammenfindet und wie im Rausch bis zum Titel stürmt. Der Trainer spielt eigentlich keine Rolle mehr. Im Training kann sowieso während der Tage der Entscheidung nichts mehr gelernt und eingeübt werden. Die Leitwölfe führen das Team, regeln mehr oder weniger alles, auch die Taktik und es ist eigentlich egal, was der Trainer erzählt, tut oder unterlässt.
#Playoffs2022 🏆
— National League & Swiss League (@NLSLOfficial) April 6, 2022
Das sind die Halbfinal-Paarungen:
🏒 @official_EVZ vs @HCDavos_off
🏒 @FrGotteron vs @zsclions
Los geht's am Freitag, 08.04.2022 um 20.00 Uhr. Les matchs débuteront le vendredi 8 avril 2022 à 20h00. Ci vediamo venerdì, 08.04.2022 alle 20.00 pic.twitter.com/6mk3NooNZx
Die Boshaften sagen, so sei Harold Kreis 2006 mit Lugano und 2008 mit den ZSC Lions Meister geworden. Und das ist auch der Grund, warum Lars Leuenberger als Meistertrainer in Bern zu Unrecht nicht in hohen Ehren steht und in einem Atemzug mit Bill Gilligan oder Kari Jalonen genannt wird. Immerhin hat er den SCB im Frühjahr 2016 nach einer schweren Krise erst in die Playoffs und dann vom 8. Platz aus zum bis heute spektakulärsten Titelgewinn geführt. Die Boshaften mäkeln auch, Hans Kossmann könne eigentlich wenig dafür, dass die ZSC Lions 2018 Meister geworden seien.
Aber das ist respektlos. Die weniger Boshaften sagen es anders: Ein kluger Trainer spürt eben, wenn die Spieler auf einer Mission sind, lässt sie weitgehend gewähren und konzentriert sich auf schlaues Coaching und sorgfältige Verwaltung der Energie. Ehre, wem Ehre gebührt! Ein Meistertrainer hat alles richtig gemacht. Die letzte Wahrheit steht immer oben auf der Resultatanzeige. Punkt.
Nun haben wir in beiden Halbfinals eine sehr ähnliche Situation. Zwei Trainer stehen intern und extern in der Kritik. Aber ihre Teams sind nach überstandenen, dramatischen Viertelfinals auf einer Mission.
Die ZSC Lions gelten gegen Gottéron nach allerlei fachlichen Kriterien bloss als Aussenseiter. An der Bande steht mit dem berühmten Rikard Grönborg ein Trainer, dessen Entlassung während des Viertelfinals sogar vom «Tages-Anzeiger» offen thematisiert worden ist. Bei Gottéron ist hingegen die Position des Trainers so gefestigt wie nie mehr seit dem letzten Final von 2013. Christian Dubé steht in höchstem Ansehen und die Stadt rockt. In wenigen Minuten war die Halbfinal-Startpartie ausverkauft. Statistisch (Klassierung in der Qualifikation, Anzahl Plus- und Minustore) ist Gottéron besser. Aber das heisst eigentlich gar nichts.
Ignorieren die Zürcher inzwischen weitgehend ihren ungeliebten Coach? So scheint es. Die «Jungmillionäre» sind im Verlaufe des Viertelfinal-Dramas gegen Biel zu einer verschworenen Einheit zusammengewachsen. Nun sind sie auf einer Mission. Mit genug Talent, um den Final zu erreichen. Ja, um gar Meister zu werden. Nach vielen Irrungen und Wirrungen in den letzten Monaten ist es gelungen, die Balance zwischen Offensive und Defensive zu finden. Aber wichtiger noch als die Taktik sind bei den Zürchern die Emotionen, die wochenlang gefehlt haben. Und vielleicht entscheidend: Jakub Kovar ist der bessere Torhüter als Reto Berra.
Gottéron ist ohne Krise durch die Saison gekommen und taktisch sattelfest wie seit Menschengedenken nicht mehr. Aber wie reagiert die Mannschaft, wenn der Puck auf einmal nicht mehr ihren Weg gehen will? Wenn der Widerstand hartnäckig wird? Gottéron kommt nur in den Final, wenn Trainer Christian Dubé seinen charismatischsten Spieler – Chris DiDomenico – weiterhin so subtil zu führen vermag wie während der Qualifikation und des Viertelfinals gegen Lausanne. Der Kanadier ist Playoff-Topskorer und Gottérons wichtigster, emotionalster Einzelspieler. Sage mir, wie Chris DiDomenico spielt und ich sage dir, ob Gottéron in den Final kommt. Er ist einer der wilden Kerle in diesem Halbfinal.
Höchstens 51:49 für Gottéron.
Keine Hockeyfirma verfügt über eine so perfekte Infrastruktur wie der EV Zug. Kein Trainer geniesst intern und extern zurecht einen so formidablen Ruf wie Dan Tangnes. Der kluge Perfektionist mit hoher Sozialkompetenz gilt als einer der Besten in Europa. Und Leonardo Genoni ist ein Goalie-Titan, der die Spiele gewinnt, die auf dem Weg zur Meisterschaft gewonnen werden müssen. Beim HCD hütet hingegen mit Sandro Aeschlimann ein ehemaliger EVZ-Junior das Tor, der gerade zum ersten Mal in seiner Karriere eine Playoff-Serie überstanden hat. Er ging in Zug, als Leonardo Genoni 2019 kam.
Da scheint also alles klar zu sein. Aber mit Andres Ambühl haben auch die Davoser einen Veteranen, der Meister kann. Trainer Christian Wohlwend hat zwar einen weiterlaufenden Vertrag, kann aber nicht hundertprozentig sicher sein, dass er nächste Saison an der Bande steht. Aber ähnlich wie die ZSC Lions gegen Biel sind auch die Davoser in einem wilden Viertelfinal (gegen die SCRJ Lakers) noch enger zusammengerückt und in der 7. Partie in Rapperswil-Jona zeigten sie ihr bisher bestes Spiel. Dank oder trotz Christian Wohlwend? Diese Frage ist respektlos und boshaft. Und doch berechtigt.
Die Favoritenrolle kann für die Zuger zum Problem werden. Wir wissen noch nicht, wie gut sie mit Widerstand umgehen können, wenn der Puck erstmals seit zwei Jahren nicht ihren Weg gehen will.
Nicht mehr als 55:45 für Zug.
Sicher scheint nur eines: Die Halbfinals werden uns grossartige Unterhaltung bescheren.
Davos wird von Zug völlig überfahren und Zürich hätte eigentlich schon von Biel in die Ferien geschossen werden müssen. Das lag oftmals nicht mal am guten Kovar, sondern an der völligen Unfähigkeit der Bieler im Abschluss. Fribourg wird kaum so viele 100%ige liegen lassen.
Sollte ich damit nicht recht behalten, umso besser, dann hat sich meine Saisonkarte mehr gelohnt.
Lasst die Spiele beginnen💪