Der watson-Eismeister Klaus Zaugg blickt auf die neue National-League-Saison voraus, die am 14. September beginnt. In umgekehrter Reihenfolge seiner Prognose nimmt er alle Klubs der Liga unter die Lupe. Heute der sechste von 14 Teilen – der EHC Biel.
Vor sieben Jahren ist Biel in den neuen Tempel eingezogen. Als graues Entlein, das um die sportliche Existenz zappeln musste. Inzwischen ist der EHC Biel eine finanziell und sportlich stabile Eishockeyfirma geworden. Die Hoffnung auf den ersten Titel seit 1983 ist der Dynamo, der die Bieler mit Strom versorgt. 2019 war es fast so weit: Erstmals seit 28 Jahren gelang der Einzug in den Halbfinal und mit einem Heimsieg gegen den SCB wäre Biel in den Final eingezogen und dort mit Zug fertiggeworden. Seither reichte es in der Qualifikation noch zu den Plätzen 5, 7 und 6.
Inzwischen ist klar: Biel hat nicht die Mittel, um durch Transfers meisterlich zu werden wie in den letzten Jahren die ZSC Lions, Zug, Lugano, Davos oder der SCB. Um zum Titelfavoriten aufzurüsten, müssten wohl zwei Millionen investiert werden. Dann wäre Biel aber noch nicht Meister, sondern erst Kandidat.
Es braucht Geduld und die ewige Hoffnung, dass es durch kontinuierliche Entwicklung irgendeinmal doch gelingen wird. Das Publikum wartet geduldig, wenn im Tempel Abend für Abend das Hochamt des spektakulären Hockeys zelebriert wird und es eine Freude ist, sich mit dem Klub zu identifizieren. Das ist bisher gut gelungen: Gemessen an den investierten Mitteln haben die Bieler die höchste, beste Spielkultur der Liga. Noch ist das Spektakel zu zerbrechlich, um den Stresstest Playoffs bis zum meisterlichen Ende zu bestehen.
Zu Biels Hockeykultur passt Trainer Antti Törmänen. Sein künstlerischer Einfluss auf unser Hockey kann nicht hoch genug bewertet werden. Und doch befindet er sich in seiner 6. Saison in Biel in einer undankbaren Lage: Mehr als eine Halbfinalqualifikation darf nicht erwartet werden, und das ist bei Lichte besehen halt eine sportliche Stagnation.
Stagnation ist bei der dem Sport eigenen Dynamik so gefährlich wie Deflation in einer Volkswirtschaft. Der SCB-Meistertrainer von 2013 braucht viel pädagogisches Geschick und Fingerspitzengefühl, um die Dynamik im Team hochzuhalten.
Eine simple Statistik zeigt uns, wo Biels Problem liegt. So gross das Spektakel, so gut die Unterhaltung, so offensiv die Spielweise: Am Ende waren es letzte Saison nur 154 Tore. Das sind 23 weniger als Zug, und Biel war offensiv nur die Nummer 7 der Liga.
Es gibt ein paar Fragen zur Offensive: Fehlen auf den Aussenbahnen schnelle Schweizer Flügel, um die Dynamik auch im 3. und 4. Block hochzuhalten? Kommt Damien Brunner endlich einmal verletzungsfrei durch die Saison? Wie gut und konstant ist Jesper Olofsson wirklich? Skort er fleissig wie in der ersten oder kaum noch wie in der zweiten Hälfte der letzten Saison? Wird Gaëtan Haas vom ersten bis zum letzten Spiel der Saison ein charismatischer offensiver Leitwolf sein?
Sportchef Martin Steinegger hat zwar beim einheimischen Personal nicht aufgerüstet und sogar leicht an Substanz (die 14 Tore von Michael Hügli) verloren. Aber mit Harri Säteri ist die Torhüterposition besser besetzt. Wie kommen wir also dazu, nun die schlechteste Klassierung seit 2016 (12.) zu prognostizieren? Acht offensive Schlüsselspieler sind 30 oder älter. Es ist nicht ganz auszuschliessen, dass nach der offensiven Flut, die letzte Saison im neuen Stadion mit 154 Toren ihren Höchststand erreicht hat, nun vorübergehend eine offensive Ebbe und ein Rückschritt um drei Ränge folgt. Was kein Problem sein muss: Nach der Ebbe folgt immer die nächste Flut.