Der watson-Eismeister Klaus Zaugg blickt auf die neue National-League-Saison voraus, die am 14. September beginnt. In umgekehrter Reihenfolge seiner Prognose nimmt er alle Klubs der Liga unter die Lupe. Heute der fünfte von 14 Teilen – die Rapperswil-Jona Lakers.
Grössenwahn und finanzielle Abenteuer gehören längst der Vergangenheit an. Die Hockey-Firma der Lakers ist nach dem Abstieg von 2015 neu strukturiert und seither geduldig, umsichtig und beharrlich in die höchste Liga zurückgeführt worden. Nun wartet auf Präsident Konrad Müller nach der wirtschaftlichen und sportlichen Sanierung die nächste heikle Aufgabe: Gelingt es, die Lakers dauerhaft in der nationalen Spitzengruppe zu etablieren?
Wenn die Lakers diesen nächsten Schritt machen wollen, genügt es nicht mehr, dass Janick Steinmann die Talente aufspürt, die andere übersehen haben. Dann braucht er eine «Kriegskasse», die es ihm ermöglicht, die besten Spieler zu halten und ein paar Kaisertransfers zu machen. Für die Fortschritte der letzten Jahre, den Trainerwechsel zum richtigen Zeitpunkt (von Jeff Tomlinson zu Stefan Hedlund) gibt es fürs Sportliche und fürs übrige Management die Maximalnote.
Vom Aufstiegsteam von 2018 sind Melvin Nyffeler, Fabian Maier, Leandro Profico und Rajan Sataric immer noch dabei und nicht nur die vier, auch vergessene, übersehene Talente haben schier unfassbare Fortschritte gemacht und sind in die Business-Klasse der Liga befördert worden. Aber wann ist das Potenzial ausgereizt? Die Lakers stürmten vorletzte Saison sensationell in den Halbfinal und letzte Saison in der Qualifikation spektakulär auf Platz vier.
Im Sport möchte man immer besser werden. Für die Lakers dürfte das schwierig werden. Die Mannschaft ist zwar entwicklungsfähig. Aber besser sein als in der vorangegangenen Spielzeit hiesse für die Lakers eigentlich: Titelkandidat! Und das wäre vermessen. Inzwischen werden sie nämlich für ihren Erfolg bestraft: Sie haben aus Dominik Egli einen Nationalverteidiger gemacht und ihn vor einem Jahr an Davos verloren. Nun hat der SCB Marco Lehmann, bei den Lakers zum 30-Punkte-Stürmer gereift, mit noch mehr Geld abgeworben.
Die Frage ist ja auch: Ist ein Trainer, der im Playoff-Viertelfinal einen 3:0-Vorsprung verspielt hat, ein guter Trainer? Ja, er ist ein guter Trainer. Es war unmöglich, aus diesen Lakers mehr herauszuholen. Ein junges, unerfahrenes Team stürmte auf Platz 4 und in die Champions Hockey League, es war die beste Platzierung seit 15 Jahren. Stefan Hedlund gebührt dafür sehr viel Kredit.
Sein erstaunlicher Erfolg ist kein Zufall. Sondern das Produkt einer strukturierten Spielweise, eines perfekten Konzepts. Jahrelang hatten sich die Lakers meistens in die Rolle des Aussenseiters drängen lassen, der das Spieldiktat dem Gegner überlässt. Doch nun zelebrieren sie unter dem schwedischen Trainer ein sehr aggressives, attraktives, mitreissendes Angriffshockey, mit Konzentration auf den Scheibenbesitz, bis der Gegner einen Fehler begeht und sich eine Lücke öffnet.
Der demonstrative Glaube des Trainers an die Qualitäten einer Mannschaft macht jeden Spieler ein paar Zentimeter grösser, ein paar Kilo schwerer und ein paar Stundenkilometer schneller. Aber nun sind die Lakers in schwindelerregende Höhen aufgestiegen. Sich dort zu halten, ist noch schwieriger, als dorthin aufzusteigen.
Die Lakers kletterten als Überraschungsmannschaft der letzten Qualifikation auf den 4. Rang, nur 6 Punkte hinter Qualifikationssieger Zug, und sie erreichten erstmals die Champions Hockey League. Sportchef Janick Steinmann hat die spielerische Substanz auf dem Transfermarkt bewahrt und einige junge Spieler haben ihr Talent noch nicht voll entfaltet. Es gibt also Steigerungspotenzial. Und trotzdem nur Rang 10? Die Geschichte lehrt, dass es schwierig ist, eine Überraschungssaison zu bestätigen. Erst recht, wenn die Zusatzbelastung Champions Hockey League hinzukommt. Und die Abhängigkeit von Roman Cervenka (er wird im Dezember 37) wird unterschätzt. Die Lakers sind ein Spitzenteam – aber sie stehen von allen nominellen Spitzenteams auf dem dünnsten Eis.