Um es etwas überspitzt auf den Punkt zu bringen: die Schweizer fliegen an dieser WM. Die Deutschen gehen zu Fuss. Schweiz gegen Deutschland ist in einem gewissen Sinne immer auch ein wenig ein Kampf der Hockey-Kulturen. Erst recht in Riga. Die Schweizer haben das schnellste WM-Team ihrer Neuzeit. Offensiv sind sie ausgeglichener besetzt (und dadurch besser) als die WM-Silberteams von 2013 und 2018.
Das Spiel der Schweizer ist Tempo, Kreativität und Präzision.
Die Deutschen setzen mehr auf Kraft, Wucht und Geradlinigkeit. Drei von vier Linien sind langsamer als jene der Schweizer. Aber eher robuster.
Zuletzt hat es bei Titelturnieren – bei der WM 2010 in Mannheim im Viertelfinal und beim Olympischen Turnier 2018 im Achtelfinal - geheissen: Eishockey ist, wenn am Ende doch Deutschland gegen die Schweiz gewinnt. 2010 verlieren wir 0:1 und 2018 1:2 nach Verlängerung.
Wenig Tore, viele Strafen: 2010 endet der Viertelfinal gar mit einer vaterländischen Prügelei mit 121 Strafminuten und dem rauen, wehrhaften Riesen Timo Helbling als tapferen Helden.
Wird wieder mehrheitlich Rumpelhockey gespielt, wird Hockey in erster Linie gearbeitet und nicht gespielt, dann sind die Deutschen im Vorteil.
Die Frage ist also: welches Hockey werden wir morgen im Viertelfinal sehen (15.15 Uhr)? Wenn die Schweizer ihr Tempospiel durchsetzen, wenn sie fliegen, wenn es eine Lauf- und Tempopartie gibt – dann ist das Vorrücken in den Halbfinal möglich.
Wenn hingegen so gespielt wird, wie es die Deutschen wollen, wenn der Spielfluss durch Zweikämpfe «gebrochen», wenn Eishockey gearbeitet wird, dann hat die Mannschaft von Patrick Fischer ein Problem.
Statistisch haben wir in Riga nicht das beste WM-Team nach der Gruppenphase. Bei der Silber-WM 2013 in Stockholm hatten wir alle sieben Vorrundenpartien gewonnen. 2018 reichte es in Kopenhagen nach drei Niederlagen in der Gruppenphase (gegen Tschechien, Russland und Schweden) am Ende doch für den Final. Und nun in Riga? Trotz zwei verlorenen Spielen (0:7 Schweden, 1:4 Russland) sind wir so gut wie noch nie in der Ära von Patrick Fischer, die mit der WM 2016 in Moskau begonnen hat.
Drei Punkte führen zu dieser positiven Beurteilung.
Dass es eine Auseinandersetzung zwischen Talent und solidem Handwerk wird, zeigt ein Blick in die Statistik: Kein deutscher Stürmer hat mehr als drei Tore erzielt. Hingegen hat Grégory Hofmann sechsmal und Timo Meier viermal getroffen.
Aber eben: Die helvetische Offensive läuft nur, wenn es die Deutschen zulassen, dass «unser» Hockey gespielt wird.
P.S. Der letzte Sieg über Deutschland in einem WM-Spiel, das über Weiterkommen oder Ausscheiden ohne «wenn» und «aber» entscheidet, liegt recht lange zurück: am 4. Mai 2004 gewinnt die Schweiz in Prag die letzte Zwischenrundenpartie gegen Deutschland 1:0. Die Schweiz kommt in den Viertelfinal, die Deutschen müssen heimreisen und Nationaltrainer Hans Zach tritt zurück.
Zwei waren damals dabei, die auch am Donnerstag eine Schlüsselrolle spielen werden: Nationaltrainer Patrick Fischer und Andres Ambühl stürmten für die Schweiz.
Für Andres Ambühl ist Prag 2004 mit 20 die erste WM. Er kommt in sieben Partien auf zwei Punkte (1 Tor/1 Assists). Nun hat er in Riga 17 Jahre später in 7 Spielen schon 5 Punkte (alle Assists) gebucht.
Wir haben einen Scouting-Report aus der Saison 2003/04 gefunden. Schon damals ist sein Talent erkannt worden. Aber dass er 17 Jahre später noch besser sein würde, das konnten wir noch nicht ahnen …
3:1 für die 🇨🇭
Man finde den Wiederspruch. Aber sonst gebe ich dem Eismeister recht. Wird "geflogen" und das Spiel findet in der "Luft" statt, sind wir sicher im Vorteil. Im "Schützengraben" wird es hingegen sehr schwer