Wäre Jussi Tapola nicht Hockeytrainer geworden, dann hätte er in Staatsdiensten eine grandiose Karriere als Diplomat gemacht.
Der SCB-Trainer wird nach dem schmählichen 2:6 in Langnau, nach dem schlimmsten letzten Drittel im Derby seit Menschengedenken (1:5) gefragt, was die Differenz gemacht habe.
Da kein Trainer, der bei Sinnen ist, je ein kritisches Wort über seinen Goalie verliert, spricht er nicht über seinen letzten Mann. Und als der Chronist einwendet, eigentlich habe der Torhüter die Differenz gemacht und Adam Reideborn sei im Schlussdrittel regelrecht kollabiert, ist er ganz und gar nicht einverstanden. «Nein. Das kann man nicht so sagen. Seine Vorderleute haben ihm nicht geholfen.»
Jussi Tapola sagt der Katze diplomatisch Büsi. Dabei hat er nach dem 5. Gegentreffer Adam Reideborn durch Andri Henauer ersetzt. Das National-League-Debüt für den Bruder von Lakers-Verteidiger Mika Henauer. Andri Henauer taugt nicht für die höchste Liga.
Wenn wir aber dem Büsi undiplomatisch Katze sagen, dann ist Berns Niederlage einfach zu erklären: Der SCB hat wegen Adam Reideborn verloren und Langnau vor allem auch dank Stéphane Charlin gewonnen. Eine Frage der Goalies also. Punkt.
Stéphane Charlin hat 93,94 Prozent der Pucks gestoppt. Adam Reideborn bloss 76,19 Prozent. Der Schwede, bereits einer der Hauptverantwortlichen für die Viertelfinal-Niederlage im letzten Frühjahr gegen Zug, ist die schwächste Nummer 1 in Bern seit dem Wiederaufstieg am grünen Tisch im Frühjahr 1986. Noch Fragen?
Der SCB dominierte die ersten zwei Drittel mit 13:8 und 11:5 Torschüssen. Die krankheitsbedingten Ausfälle von Louis Füllemann, Simon Moser, Marco Lehmann, Alain Graf und Fabian Ritzmann werden durch geschickte Defensivorganisation kompensiert. Das Spektakel findet mehrheitlich in der gegnerischen Defensivzone statt. Aber Stéphane Charlin lässt nur einen Treffer zu. Nach 40 Minuten steht es 1:1.
Das letzte Drittel entscheiden die Goalies. Der flinke Riese Stéphane Charlin deckt allein durch seine Postur (191 cm) sein Tor viel besser ab als Adam Reideborn (184 cm). Wenn die Stürmer vor ihm auftauchen, dann sehen sie keine Lücken und auf abprallende Pucks können sie nicht hoffen. Vor allem aber strahlt er Ruhe und Sicherheit aus. Seine Körpersprache ist eine einzige Einschüchterung für die gegnerischen Stürmer: Seht her, ich bin gross, ich bin stark.
Der «Gschtabi» Adam Reideborn hat die Körpersprache eines Verlierers. Er steht geduckt da, deckt weniger Fläche ab, lässt viel zu viele Pucks abprallen und ist eine einzige Einladung an die gegnerischen Stürmer: Ich bin verunsichert, ich bin schwach, ich bin ein «Wettergoalie». Vier Gegentreffer aus bloss neun Schüssen in weniger als zehn Minuten im Schlussdrittel ausgerechnet in Langnau.
«Wettergoalie»? Ja, genau das ist er: Scheint die Sonne, ist er warm, regnet es, wird er nass, und wenn er das Wetter für sein Team machen sollte, ist er unbrauchbar. Will heissen: Ist sein Team gut drauf, ist auch er gut. Ist sein Team nicht gut drauf, ist auch er nicht in Form und wenn er einen Sieg für sein Team stehlen sollte, ist er dazu nicht in der Lage. Die beste Vorbereitung auf ein SCB-Spiel ist das Üben im Verwerten von Abprallern. Steht Adam Reideborn im Tor, gibt es viele Abpraller.
Die krankheitsbedingten Ausfälle? Eine faule Ausrede. Der SCB hatte noch bei weitem genug Talent und Erfahrung, um die SCL Tigers herauszufordern und hätte mit einem genügenden Goalie die Langnauer in Bedrängnis bringen können. Kommt dazu: Die SCL Tigers hatten am Mittwoch ein kräfteraubendes Spiel gegen die ZSC Lions (1:2) und der SCB nach dem dienstäglichen 4:1 gegen Biel einen Tag mehr Ruhepause. Selbst Ramon Untersander, sonst nie um eine Ausrede verlegen, sagt selbstkritisch: «Wir haben zu früh aufgehört, Hockey zu spielen.» Die krankheitsbedingten Ausfälle will der Captain nicht als Erklärung gelten lassen:
Langnaus Trainer Thierry Paterlini hat auch seinen Anteil am Sieg. «Ich war nach dem 1:2 gegen die ZSC Lions sehr enttäuscht. Aber dann haben wir die Partie noch einmal in aller Ruhe analysiert und gesehen, dass vieles gut war. Also haben wir die Mannschaft nicht umgestellt.» Er hat also die Nerven behalten und das hat sich ausbezahlt.
Auch er wird von einem Chronisten gefragt, was die Differenz im Schlussdrittel gemacht habe. Auch er meidet das Thema Torhüter. Aber immerhin räumt er ein, dass Stéphane Charlin sein Team bis zum Schlussdrittel im Spiel gehalten hat. Immerhin ist ja sein Goalie zum besten Spieler der Partie gewählt worden.
Thierry Paterlini hat auch das Glück des Tüchtigen: Der Sieg gegen den SCB erspart ihm Polemik. Der Sieger hat nämlich immer recht und kein Chronist stellt nach einem Derby-Triumph die Frage, warum er mit Aleksi Saarela seinen zweitbesten Torschützen gegen den SCB zum zweiten Mal hintereinander auf die Tribüne gesetzt hat. Dem Leistungsprinzip folgend, das in Langnau für alle gilt, also auch für das ausländische Personal, musste der Finne erneut dem offensiven und defensiven slowakischen Nonvaleur Michal Kristof (bisher 6 Punkte aus 23 Partien und eine Minus-2-Bilanz) Platz machen.
Dieses Problem ist gelöst: Kurz vor Spielhälfte (26. Minute) ist Verteidiger Vili Saarijärvi von einem Schuss von Thierry Schild am Finger getroffen worden. Er hat sich dabei zwar keinen Knochen gebrochen. Aber dabei ist ihm eine Fingerkuppe abgerissen worden. Er fällt zwei bis drei Wochen aus. Also kommt Aleksi Saarela bereits am Sonntag in Lugano wieder zum Zuge.
Die Demütigung in Langnau hat einmal mehr gezeigt: Der SCB hat ein Goalie-Problem. Adam Reideborn kann sich nach wie vor rehabilitieren und ein Playoff-Held werden. Aber packt er diese Chance nicht, dann wird der SCB, weil ja der Vertrag mit dem Schweden vorzeitig und ohne jede Not um ein Jahr verlängert worden ist, mit ziemlicher Sicherheit bereits im Oktober als erster Klub unserer Geschichte einen zweiten ausländischen Torhüter verpflichten.
Und der kostenbewusste SCB-Manager Marc Lüthi wird sich fragen: Wozu löhnen wir eigentlich als einziger Klub im Land einen Ober- und einen Untersportchef? Könnten wir denn nicht mehr als 100'000 Franken sparen, wenn wir auf die Dienste von Untersportchef Patrik Bärtschi verzichten? Affaire à suivre.
PS: Langnaus Captain und Topskorer Harri Pesonen hat – wie es nach einem Sieg in Langnau Brauch geworden ist – auf dem Weg in die Kabine einen Schluck aus dem Flachmann eines Kult-Fans genommen. Er erzielte das wegweisende 2:1 und assistierte zum 1:0 sowie zum 4:1. Prost.
Es mag gründe geben, weshalb der SCB gestern verloren hat. Aber Reideborn war es nicht. Denn die Tore die er jassierte waren sehr schön herausgespielt und ich hättelihm bei keinem einen Vorwurf gemacht. Dein Liebling Wuthrich hätte mindestens genauso oft nach hinten gegriffen.
Die Langnauer hat einfach am ende etwas mehr Biss und auch dass Glück dass die Tore mal gelungen sind.
„Kein Trainer, der bei Sinnen ist…“
Wie war das damals in Davos?!😅
„Wir haben zu früh aufgehört Hockey zu spielen“
Gegenfrage: hat er überhaupt jemals begonnen?
Zu Saarela: falls er nicht verletzt sein sollte, war es höchste Zeit ihn einmal auf die Tribüne zu verbannen. Torflauten gibt es bei jedem Stürmer, schon klar. Aber den A… aufreissen kann jeder. Das lustlose Herumkurve und die defensive Inexistenz nervten so manchen Matchbesucher!
Und Last but not least: du wirst nie verdauen, Chlöisu, dass der SCB deinen Meister-Goalie nach Ambri ziehen liess….