Kevin Pasche ist erst 22 Jahre alt. Er hat Lausanne zum Qualifikationssieg und bis ins fünfte Spiel des Playoff-Finals gehext. Er ist ein Kandidat für die Auszeichnung «Neuling des Jahres».
Aber Kevin Pasche ist kein Meistergoalie. Simon Hrubec war besser. Mit 33 Jahren erfahrener, mit 186 Zentimeter grösser.
Eine respektlose Behauptung? Nein. Im Final hatte Simon Hrubec sogar mehr zu tun: 150 Pucks prasselten auf den ZSC-Goalie und 94 Prozent davon stoppte er. 130 Pucks flogen gegen Lausannes letzten Mann und er konnte davon nur 89,23 Prozent abwehren. Es ist unmöglich, mit einem Torhüter Meister zu werden, der nicht eine Fangquote von mindestens 90 Prozent erreicht.
Das Problem von Kevin Pasche: Er ist mit 178 Zentimetern zu klein. Das lässt sich nicht ändern. Es fehlen ihm drei bis fünf Zentimeter, um die obere Hälfte des Tores abzudecken. Eine Schwäche, die er zumindest auf Schweizer Eis mit mehr Erfahrung, schlauem Stellungspiel und dank seiner Reflexe und seiner Spielintelligenz weitgehend kompensieren kann.
Sein Problem war vor allem die ungenügende Kontrolle von abprallenden Pucks und die Lücke, die er immer wieder zwischen seinen Schonern offen liess. Kevin Pasche ist der perfekte zweite Goalie und gut genug für den Alltag der Qualifikation. Aber Lausanne kann er nicht zum ersten Titel der Geschichte hexen.
Sportdirektor John Fust muss sich eine Frage gefallen lassen: Warum hat er im Laufe der Qualifikation keinen ausländischen Torhüter verpflichtet? Diese Unterlassungssünde hat ihn vielleicht sogar den Titel gekostet.
Der zweite entscheidende Punkt: Marco Bayer – ein Neuling in diesem Final – war Lausannes Coach Geoff Ward höflich gesagt ebenbürtig, und unhöflich und respektlos dahergeredet sogar überlegen. Der Kanadier gilt als der beste Bandengeneral der Liga und nun hat ihm ein Neuling die Grenzen aufgezeigt.
Bayer ist der perfekte Cheftrainer für diese ZSC Lions: Er ist ruhig, regt sich nicht auf, inszeniert sich nicht, lässt den Spielern das Rampenlicht und den Vortritt. Er hat Spiel für Spiel mit der ihm eigenen Akribie vorbereitet und auf jede Herausforderung die richtige Antwort, die richtige Umstellung, die richtige Tonart gefunden. Er hat den offensiven Titanen genug Auslauf gewährt und hat zugleich dafür gesorgt, dass die «Hinterbänkler» frisch, bissig und bereit waren.
Einfach gesagt: Marco Bayer hat die richtige Balance gefunden. Auf und neben dem Eis.
Seit seinem ersten Spiel am 3. Januar in Fribourg (2:4-Niederlage) hat Bayer eine schon fast atemberaubende Entwicklung durchgemacht. Wohl noch nie ist ein Coach im Amt in so kurzer Zeit so gewachsen. Ja, es stimmt. Er hat kaum Charisma. Er ist nicht der Mann, der mit seiner Präsenz einen Raum füllt.
Aber er hat etwas, das in einem so unberechenbaren Spiel fast gleich viel wert sein kann. Erst recht, wenn er der Chef von so vielen charismatischen Spielern ist, von denen einige viel mehr verdienen als er: eine unerschütterliche Ruhe und Demut.
So ist es eigentlich seit Anbeginn der Zeiten: Die Mannschaft mit dem besseren Torhüter gewinnt einen Final. Mit ein wenig Lust zu Polemik dürfen wir auch sagen: Den Final gewinnt die Mannschaft mit dem besseren Coach. Geoff Ward hat zu lange und zu hartnäckig mit Antti Suomela seinen besten Offensivspieler als «Bewacher» für Denis Malgin geopfert. Er war nicht flexibel genug, um an der Bande entscheidende Impulse zu geben und mit Umstellungen die Zürcher aus dem Konzept zu bringen. Er hat aber eine gute Ausrede: Die ZSC Lions hatten den besseren Goalie …
Marco Bayer im Final also besser als Geoff Ward? Ja, die Behauptung wagt der Chronist. Denn die Wahrheit steht immer oben auf der Resultatanzeige. Womit auch die Frage beantwortet ist, ob Marco Bayer bei den ZSC Lions an der Bande bleiben oder zu den GCK Lions zurückgeschickt werden soll.