Die Fehlbesetzungen in der sportlichen Führung seit dem Wechsel von Sven Leuenberger zu den ZSC Lions im Sommer 2017 kosten den SCB viel Geld und Glaubwürdigkeit und werfen den Klub sportlich um mindestens zwei Jahre zurück. Manager und Mitbesitzer Marc Lüthi und seine Operetten-Verwaltungsräte haben diese sportliche Misswirtschaft durch ihre Personalpolitik vollumfänglich zu verantworten.
Erst hat Sportchef Alex Chatelain die problemlos mögliche Erneuerung verpasst, die eigenen Talente ziehen lassen und die finanziellen Mittel mit Einkäufen von überbezahlten Mitläufern verprasst. Der SCB hatte kein Geld mehr für Investitionen in ganz grosse Spieler.
Die Freundschaft mit Lüthi hat Chatelain den Job gesichert. Die Position eines Sportchefs ist zwar im letzten Frühjahr neu besetzt worden. Trotzdem durfte er als Nebensportchef bleiben.
Bei der Neubesetzung der wichtigsten sportlichen Führungsposition ist Lüthi der grösste Personalirrtum der SCB-Geschichte unterlaufen. Er holte Florence Schelling.
Dem Zeitgeist sich beugend ist diese Anstellung einer Frau für eine Schlüsselposition in einer Branche mit einer ausgesprochenen Macho-Kultur wie dem Eishockey bejubelt worden. Sie hatte historischen Charakter.
Bis nach Amerika hinüber, bis an den Polarkreis hinauf und bis zum Ural hinten haben alle pflichtschuldigst gerühmt und gejubelt. Nach der fachlichen Qualifikation wagte niemand laut zu fragen. Eine kritische Frage wischte Lüthi so vom Tisch: «Florence Schelling ist die beste Kandidatin, die es gibt. Wie Leonardo Genoni: Weltklasse im Tor und mit einem Abschluss in Wirtschaft.»
Nie hatte eine Führungsperson in der SCB-Sportabteilung bei ihrem Amtsantritt mehr Goodwill. Die Gestaltungsmöglichkeiten waren für Schelling beinahe unbegrenzt. Nur Steffi Buchli, die kluge Sportchefin der «Blick»-Gruppe, wagte es bald einmal, hellsichtig zu schreiben: «In Hockey-Bern liegt im Moment vieles im Argen, die Lage ist mehr als angespannt. In Krisen schaut (nicht nur beim SCB) jeder für sich selber. So droht nun das mutig gezündete, visionäre Sportchefinnen-Feuerwerk, als ‹Frauenfurz› (auch bekannt als ‹Knallteufel›) zu enden: Es hat einmal lustig ‹klöpft› und danach kommt nichts mehr.»
Florence Schelling hat ihre riesige Chance wegen fachlicher Überforderung nicht nutzen können. Es war nicht so, dass sie keine Chance hatte. Gerade die Revolution, die nun Raeto Raffainer ausgelöst hat, zeigt uns, dass Marc Lüthi bereit ist, auf sein sportliches Führungspersonal zu hören. Wenn es denn kompetent und überzeugend auftritt.
Der SCB hat die Saison durch die abenteuerliche Trainerwahl der Sportchefin frühzeitig ruiniert, durch Verhandlungsungeschick weitere grosse eigene Talente verloren und ist durch die monatelange Inaktivität auf dem Markt der grosse Transferverlierer dieser Saison.
So ist es den für alle – Mann oder Frau – gleichen, rauen Gesetzen des Sportgeschäftes geschuldet und nur folgerichtig, dass die «Episode Florence Schelling» mit den bitterbösen Worten von Steffi Buchli in die SCB-Geschichte eingeht: als «Frauenfurz». Zu Schellings Ehrenrettung sei gesagt: Als Sportchef sind beim SCB schon Männer mit ungleich grösserem Schulsack und längerer Erfahrung gescheitert.
Auch jeder Mann mit den fachlichen Defiziten von Florence Schelling wäre entlassen worden. Zur Märtyrerin eignet sie sich in dieser Sache nicht. Dass es hier um nichts anderes als rein hockeytechnische Führungsfragen geht, zeigt sich daran, dass nun beim grossen Aufräumen auch Alex Chatelain seinen Schreibtisch räumen muss.
SCB-Manager Marc Lüthi hat seine Firma spät, aber noch nicht zu spät wieder in Ordnung gebracht. Beim SCB laufen Ende der nächsten Saison mehr als zehn Verträge aus. Hätte die Sportabteilung weiterhin so gefuhrwerkt wie in den letzten drei Jahren, wäre der SCB ein Abstiegskandidat geworden.
Obersportchef Raffainer hat Lüthi die Augen geöffnet. Und ihn dazu gebracht, das Wohl des SCB über Vetterliwirtschaft und persönliche Eitelkeiten zu stellen. Es ist in den letzten Tagen zum Showdown gekommen: Hätte Lüthi die sportliche Misswirtschaft nicht durch personelle Konsequenzen beendet, hätte Raffainer den SCB nach nur ein paar Wochen schon wieder verlassen.
Nun kehrt beim SCB Normalität ein. Marc Lüthi ist – hoffentlich dauerhaft – vom Grössenwahn geheilt, der seinen hockeytechnischen Verstand nach den drei Titeln in vier Jahren umnebelt und ihn dazu verführt hat, bei der Besetzung der Führungspositionen Freundschaft und öffentliche Werbewirkung über fachliche Qualifikation zu stellen.
Der SCB braucht zwei bis drei Jahre, um den sportlichen Schaden zu beheben, den Alex Chatelain und Florence Schelling angerichtet haben, aber letztlich ihr Dienstherr Marc Lüthi zu verantworten hat.
Aber die Glaubwürdigkeit ist zurück. Das ist der wichtigste, der alles entscheidende Punkt. Ohne diese Glaubwürdigkeit hätte der SC Bern die Treue des grössten Publikums Europas verspielt. Fans und Sponsoren sind bereit, sportlich magere Jahre mitzutragen. Aber nur dann, wenn die sportliche Führung glaubwürdig ist.
1. Lüthis PR-Aktion mit Florence Schelling geht nun definitiv zu Ende.
2. Raffainer ist halt doch nicht mehr als nur Sportchef des SCB.
3. Sobald Raffainer vom IIHF einen Anruf erhält, muss sich der SCB einen neuen Sportchef suchen.
Ich habe fertig.