Der Wechsel von Zug nach Lugano geht 2014/15 noch während der Saison über die Bühne. Den SC Bern verlässt er im Frühjahr 2022 trotz weiterlaufendem Vertrag. Und nun zügelt er per sofort von Lugano nach Davos. Der Schwede mit Schweizer Lizenz ist in Lugano in Ungnade gefallen. Letzte Saison hat ihm Trainer Luca Gianinazzi pro Spiel noch 18:29 Minuten Eiszeit zugeteilt. Diese Saison waren es nur noch 6:26 Minuten. Auf die Eiszeit hochgerechnet dürfte Calle Andersson der bestbezahlte Verteidiger Europas gewesen sein.
Sein Talent stand eigentlich noch nie zur Debatte: Der Sohn von Peter Andersson (Captain bei Luganos Meisterteam von 1999) hätte zwar als Ausländer keine Chance und seine Schweizer Lizenz erweist sich als Wertpapier, das besser rentiert als die beste Aktie. Vor zwölf Jahren haben sich sogar die NHL-Scouts intensiv mit ihm befasst, kamen aber zum Schluss, dass die Magie seines Spielverständnisses die läuferischen Defizite nicht zu kompensieren vermag. Aber für Schweden hat er eine U18-WM (2012), mehr als 40 Juniorenländerspiele und sogar 13 Länderspiele mit der richtigen Nationalmannschaft bestritten. Sein Glück findet er – abgesehen von einem Zwischenjahr in Nordamerika (43 AHL-Spiele/9 Punkte 2015/16) – seit 2014 in der National League (bisher Zug, SCB und Lugano).
Seine Punkteproduktion, in seiner besten Saison (2018/19) über 30 Punkte, bewegt sich seit drei Jahren zwischen 10 und 20 Punkten – eigentlich zu wenig für einen Verteidiger, der inzwischen viermal hintereinander Minus-Bilanzen eingefahren hat. 25 Punkte müssten es bei seiner Spielintelligenz mindestens sein. Das Problem sind die läuferischen Limiten, die dazu führen, dass er manchmal nicht rechtzeitig im defensiven Positionsspiel umsetzen kann, was er im Spiel eigentlich gelesen hat.
Für Davos macht der Transfer Sinn: Der HCD braucht dringend Kreativität und Punkteproduktion an der blauen Linie: Die bisher eingesetzten sechs Schweizer Verteidiger haben diese Saison noch keinen einzigen Skorerpunkt beigesteuert. Wer trotzdem gerne motzt, kann einwenden: Eine Verpflichtung bis 2028 wäre nicht notwendig, hat aber den Vorteil, dass das Salär pro Saison ganz erheblich günstiger wird. Und funktioniert es dann entgegen den Erwartungen nicht, so gibt es immer eine Lösung.
Luganos Sportdirektor begründet die Trennung so: «Er hatte seine Vorstellungen über seine Rolle in der Mannschaft und im Spiel. Unser Trainer hatte andere Vorstellungen. Also sind wir übereingekommen, uns zu trennen.»
Das ist eine kluge, diplomatische Umschreibung einer Eigenschaft von Calle Andersson: Selbstüberschätzung mit Charme und Witz. Dazu gibt es eine köstliche Episode. Ob wahr oder von neidischer Konkurrenz boshaft erfunden, ist einerlei. Sie passt schon. Er habe in der Kabine einen talentierten jungen Spieler nach dem Salär gefragt, das tief sechsstellig war. Seine Antwort: «Für so wenig Geld würde ich die Schlittschuhe nicht binden.» Aber eben: eine Episode in einer an Episoden reichen Sportart.
Die durchaus sympathische Art der Selbstüberschätzung schadet dem freundlichen Schillerfalter nicht. Sein schlauer Agent hat bisher immer einen Klub gefunden, der den geforderten Lohn bezahlt. Mehr als 400'000 Franken sind es inzwischen in Davos nicht mehr. Wer nun wettet, dass Calle Andersson seinen bis 2028 laufenden Vertrag in Davos nicht erfüllen wird, hat gute Gewinnchancen. Für einen erneuten vorzeitigen Wechsel vor Vertragsablauf bieten sich inzwischen allerdings höchstens noch Gottéron, Servette oder Visp an.
Luganos Sportchef sagt zum «Fall Andersson» auch: «Wir sind mit der getroffenen Regelung sehr zufrieden.» Kein Wunder: Er hat nun einen schönen sechsstelligen Betrag eingespart. Wird er dieses Geld für eine Neuverpflichtung einsetzen? Auch auf diese Frage hat er eine diplomatische Antwort: «Wir beobachten den Markt.» Viel gibt der kurzfristig nicht her. Eigentlich wäre Langnaus Noah Meier (22) eine Option: Er ist sozusagen der Calle Andersson des armen Mannes. Auch er ist ein hochdekorierter Junior mit Berufungen ins Junioren-WM-Team (U20-WM 2021/mehr als 50 Juniorenländerspiele), auch er bei seinem Trainer in Ungnade gefallen. Die Eiszeit des ehemaligen ZSC-Juniors, einst von seinem Agenten Sven Helfenstein als neuer Roman Josi angekündigt, ist unter Thierry Paterlini von 10:59 Minuten in der letzten Saison auf null komma null in der neuen Saison gefallen: Noah Meier hat alle bisherigen fünf Partien auf der Tribüne verfolgt.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
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Er kann
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