Sieben Siege in Serie. Nach Verlustpunkten Tabellenführer. Der SC Bern befindet sich nach dem 2:1-Sieg gegen Lugano erstmals seit sechs Jahren wieder im Adelsstand der magistralen Langeweile. Will heissen: Es läuft alles rund. Die Ausländerpositionen sind gut besetzt, der Torhüter spielt sein bestes Hockey und der Trainer ist die unumstritten höchste sportliche Autorität im «Staate SC Bern». Es gibt keinen Ansatz zu Polemik. Den Chronisten geht der Stoff aus.
Wahrlich, ein neues Gefühl. Seit SCB-General Marc Lüthi am 21. Oktober 2011 Trainer Larry Huras nach einer 1:2-Niederlage gegen die ZSC Lions standrechtlich wegen «langweiliger Spielweise» gefeuert hat, ist der SCB nie mehr richtig zur Ruhe gekommen. Auch nicht durch den Final von 2012, den Titelgewinn von 2013 oder die meisterliche letzte Saison.
Die Berner haben seit 2010 die Qualifikation nie mehr gewonnen, 2014 als Titelverteidiger die Playoffs verpasst und im letzten Frühjahr die Playoffs nur punktgleich mit Lausanne erreicht. Es war seit 2010 beim SCB nie mehr so windstill wie im November 2016.
Das gestrige Spiel sagt viel über das neue Selbstvertrauen der Berner aus. In einem beinharten «Dogfight» – eine Sekunde vor Schluss gekrönt durch einen sehenswerten Boxkampf zwischen Luganos Kanadier Maxime Lapierre und SCB-Verteidiger Justin Krueger, den der Berner nach tapferer Gegenwehr verlor – stand der SCB bis weit ins zweite Drittel hinein am Rande einer Niederlage.
Lugano spielte raues, realistisches Resultathockey. Playoff-Hockey. Die Rivalität zwischen diesen Titanen flammte auf und führte zu einem intensiven Spiel. Beide Teams standen in jedem Bereich auf Augenhöhe, auch bei den Goalies.
Gewonnen haben die Berner die Partie mit ziemlicher Sicherheit an der Bande. Luganos Bandengeneral Doug Shedden verlangte nach dem 1:0 eine Videokontrolle wegen möglichem Offside («Coaches Challenge»). Vergeblich. Aufgrund eines Liga-Beschlusses waren die TV-Bilder der fraglichen Szene auf dem grossen Video-Würfel zu sehen und sorgten für einige Unruhe auf Luganos Spielerbank.
Diese Unruhe sollte entscheidend sein. Alessandro Chiesa, der vor dem Anspiel im Mittelkreis noch heftig diskutiert hatte, verlor prompt die Scheibe und 14 Sekunden nach dem 1:0 fiel gleich das 2:0. Das Spiel war entschieden. Luganos Damien Brunner suchte allerdings keine Ausrede und sagte, der Entscheid der Schiedsrichter sei korrekt gewesen.
Ein Coach kann weder Tore verhindern noch Tore schiessen. Aber er kann in heiklen Situationen seine Jungs beruhigen – oder eben nicht. Doug Shedden gelang es nicht, im entscheidenden Augenblick diese Ruhe auf die Bank zu bringen – und so darf behauptet werden, Lugano habe ein grosses Spiel an der Bande verloren.
In Bern hat die magistrale Ruhe (oder eben Langeweile) auch etwas mit dem Coach zu tun. Mit Kari Jalonen hat der SCB erstmals seit der Meistersaison von Larry Huras wieder einen Trainer, dessen Autorität nicht infrage gestellt wird. Beim «Bayern München des Hockeys» ein wichtiger Faktor.
Der SCB hat zwar Lugano 2:1 besiegt – aber dieses Spiel hat gezeigt, dass dieser Gegner in den Playoffs überaus gefährlich werden kann. Im letzten Drittel, das Damien Brunner als eines der besten seines Teams bezeichnet, fand Lugano den richtigen Mix zwischen Härte und spielerischen Elementen.
Kann Doug Shedden Meister werden? Wenn wir schon die Coaches thematisieren: Lugano ist seit dem letzten Titel von 2006 nie mehr mit einem Trainer glücklich geworden. Aber vielleicht finden die Tessiner die Lösung schon bald in Bern. Ville Peltonen, der Leitwolf in Luganos Meisterteam von 2006 ist in Bern der wohl charismatischste Trainer-Assistent der Liga.
Ville Peltonen als künftiger Lugano-Trainer? SCB-Sportchef Alex Chatelain betont, Peltonen habe keine Ausstiegsklausel im Vertrag, der bis ins Frühjahr 2018 läuft. Kein Schelm, wer vermutet, dass der SCB-Assistent in Lugano ein heisses Thema wird, wenn Shedden im Titelkampf erneut scheitern sollte.