Es gibt zwei Wege zu Macht und hohem Gehalt im Hockey-Business. Einer ist überaus beschwerlich. Er führt mit Schweiss und Mühsal über Siege und Titel. Aber es liegt in der Natur des Sportes, dass nicht alle gewinnen können.
Der andere Weg ist etwas weniger beschwerlich. Aber nur charismatische Selbstdarsteller können ihn beschreiten: Er führt mit Charme und Chuzpe über die hohe Kunst, nach jeder missglückten Saison bei den Chefs oder den Verwaltungsräten den unerschütterlichen Glauben zu hegen und zu pflegen, dass nächste Saison ganz, ganz sicher alles viel besser wird. In dieser Kunst ist Christian Dubé (43) wahrlich ein Hexenmeister. Deshalb steht er nach wie vor in höchstem Ansehen. Oder ist es wie bei dem Märchen über die neuen Kleider des Kaisers? Sehen es alle, dass Kaiser Christian nackt ist und keiner wagt es zu sagen?
Seine Bilanz ist wahrlich eine bescheidene: Seit 2015 gibt Dubé als Sportchef pro Saison mehr Geld aus als alle seine Vorgänger – und der Erfolg bleibt aus: zweimal die Playoffs verpasst, keine Playoff-Serie gewonnen und die Qualifikations-Ränge 6., 11., 5., 10., und 7.
Für den 7. Platz in der letzten Saison ist er gar gefeiert worden wie ein Volksheld. Weil er nach der Entlassung von Trainer Mark French wie ein Hockeygott vom Himmel herab an die Bande gestiegen ist, das Traineramt übernommen und die Krise gemeistert hat. Eine Krise, die er als Sportchef mitverursacht hat.
Nun setzt er seinen Job und den Vertrag bis 2023 aufs Spiel: Er mutet sich die Doppelbelastung Trainer/Sportchef weiterhin zu. Nicht mehr als Notlösung wie letzte Saison. Wenn es nun nicht läuft, hat Dubé keinen Trainer, den er entlassen, keinen Sportchef, den er beschuldigen kann, die falschen Spieler verpflichtet zu haben. Wer mag dann noch glauben, dass fürderhin alles viel besser wird?
Wie stehen die Chancen, dass Gottéron in der «Ära Dubé» zum zweiten Mal in die obere Tabellenhälfte aufrückt? Gar nicht so schlecht. Die Besetzung der so wichtigen Goalie-Position ist erstklassig. Bleibt Reto Berra gesund, wird Gottéron keine Torhütersorgen haben. Er macht die Abwehr um den «zerbrechlichen» Verteidigungsminister Philippe Furrer besser, als sie nominell eigentlich ist.
Mag sein, dass Berra hin und wieder einen haltbaren Treffer kassiert. Aber viel wichtiger: Er gibt Gottéron in jedem Spiel eine Chance auf Punktgewinne. Die neue Nummer 2, Connor Hughes, ist zwar eine «Billiglösung». Aber er hat sich in der Swiss League drei Jahre lang so gut bewährt und ist so robust, dass er Reto Berra in bis zu 10 Spielen ersetzen und entlasten kann.
Der Sturm wehte letzte Saison zwar nicht mit Playoff-Stärke (bloss 122 Tore). Nur Ambri (120) und Langnau (117) waren offensiv noch schwächer – sogar die Lakers (!) trafen häufiger (129). Die offensive Flaute dürfte viel der zu starken, lähmenden Bedeutung der Taktik unter Trainer French geschuldet sein. Inzwischen wird wieder vorwärts gespielt und nicht bloss gearbeitet. Gottérons Offensive um den alternden Leitwolf und Captain Julien Sprunger (34) hat die Feuerkraft für mindestens 150 Tore.
Aber kann Christian Dubé seinen Landsmann Chris DiDomenico zähmen? Sein frühzeitig verkündeter Transfer von Langnau nach Fribourg hat viel zu reden gegeben und bei den SCL Tigers eine Sinnkrise ausgelöst. Wenn der streitbare Kanadier in Langnau ausnahmsweise nicht spielen durfte (was letzte Saison nur sieben Mal der Fall war), kam es zu einer mittleren Staatskrise. Nun ist er bei Gottéron bloss einer von fünf ausländischen Spielern und er wird mehr als sieben Partien zuschauen müssen.
Die Frage ist also berechtigt: Wird er zum Problemspieler, der den Kabinenfrieden empfindlich stört und schon vor der Weihnachtspause einen Rücktransfer nach Langnau verlangt? Nein. Er wird ein Musterprofi sein. Ob Christian Dubé tatsächlich ein grosser Trainer ist, wissen wir nach wie vor nicht ganz. Aber er ist zweifelsfrei ein grosser Kommunikator. Er wird Chris DiDomenico jeweils so gut zu erklären wissen, warum er nicht spielen darf, dass sich das vermeintliche «Enfant terrible» ohne zu murren auf die Tribüne setzen und «Allez Gottéron» singen wird.
Entscheidend ist, ob Dubé das grosse Potenzial ausnutzen kann. Wird er dazu in der Lage sein? Ein Blick zurück hilft uns bei der Einschätzung: Im Oktober 2019 hat Christian Dubé Mark French entlassen und das Traineramt übernommen. Fortan spielte Gottéron besser und zeitweise sogar viel besser. Was sagt uns das über den Trainer Dubé? Nichts. French hatte es mit der Taktik übertrieben und die Spieler arbeiteten Eishockey, statt Eishockey zu spielen. Sein Nachfolger öffnete die taktischen Fesseln und sorgte dafür, dass Eishockey wieder gespielt wird.
Aber das allein hätte nicht gereicht, wenn der ehemalige Nationaltrainer Sean Simpson nicht für Ordnung im spielerischen Spektakel gesorgt hätte. Der charismatische Kommunikator und der grantige taktische Hexenmeister – das war die perfekte Kombination und Simpson hätte gerne auch diese Saison ausgeholfen. Aber Dubé hat ihn nicht mehr verpflichtet. Dies, so sagt er, aus finanziellen Gründen. Er wird nur noch von Pavel Rosa assistiert. Im Vergleich zum international erprobten Bandengeneral Simpson ist der freundliche Tscheche bloss ein braver Soldat Schwejk.
Funktioniert es auch ohne Sean Simpson, der jetzt Ungarns Nationalteam trainiert? Wenn nicht, dann ergeht es dem Trainer-Zauberlehrling Christian Dubé wie dem Zauberlehrling aus der Fabel von Goethe. Als der Hexenmeister ging, versuchte der Zauberlehrling selbst zu zaubern, bekam die Geister nicht mehr unter Kontrolle, die er gerufen hatte und wäre umgekommen, wenn der Hexenmeister nicht rechtzeitig zurückgekehrt wäre.
Christian Dubé hat bei Gottéron zu viel Macht. In manchen Bereichen ist das Management formidabel. Die Beziehungen zur «politischen Kaste» und zur Freiburger Kantonalbank werden schlau gehegt und gepflegt und haben den Neubau des Stadions ermöglicht. Aber im Hockey-Tagesgeschäft gilt für die Männer von Gottéron: Sie geben, haben und machen Mühe.
Sehen wir es positiv: Gottéron ist eine schrecklich nette Hockey-Familie mit Zusammenhalt und einem Drachen statt einem Hund oder einer Katze als Haustier. Nur hier ist es noch möglich, dass der Sportchef im 21. Jahrhundert auch Trainer sein kann.
Platz 4.