Wenn nur das Hockey-Leben nicht so kompliziert wäre. Es könnte doch so einfach sein. Eine Anstellung, die in ein paar Minuten am Telefon besiegelt werden könnte. Die Ausgangslage ist eigentlich klar. Charismatischer Eishockeytrainer, verehrt als «Hockeygott», sucht per sofort Job auf der grossen Hockeybühne.
Eishockeyclub mit ruhmreicher Geschichte sucht per sofort einen Trainer. Kevin Schläpfer (47) zum EHC Kloten. Eine Hockey-Ehe, die den Hockeygöttern gefallen würde. Kevin Schläpfer hat ja bei seinem Auftritt als Hockey-Experte am letzten Freitag im helvetischen Staatsfernsehen Kloten sozusagen einen Heiratsantrag gemacht.
Aber so einfach ist es eben nicht. Wäre Kevin Schläpfer ein Kanadier, dann hätte er gestern nach der ersten Gesprächsrunde in Kloten blindlings unterschrieben. Hauptsache ein Job. Die Kanadier sind die Wanderarbeiter des Hockeys und ziehen, wie beispielsweise Larry Huras, jahrelang sorglos von Stadt zu Stadt, von Land zu Land. Kanada, USA, Frankreich, die Schweiz, Norwegen, Deutschland, Schweden. Kitchener, Port Huron, Providence, New York, Dallas, Salt Lake City, Grenoble, Gap, Rouen, Zürich, Ambri, wieder Zürich, Lugano, erneut Ambri, Stavanger, Villach, Bern, noch einmal Lugano, München, Örnsköldsvik und zuletzt Fribourg.
Eine solche Odyssee ist für Kevin Schläpfer undenkbar. Erstens hat er als Schweizer gar keinen internationalen Markt und zweitens ist er ein sesshafter Eidgenosse. Soeben hat er in Sissach ein Haus gebaut.
Also gilt es, die neue Arbeitsstelle sorgfältig auszuwählen. In Biel war er zehn Jahre lang bis zu seiner Entlassung im vergangenen November ein «Hockeygott». Ein kluger Sportchef, ein schlauer Trainer, ein charismatischer Motivator. Der Mann, der ein ganzes Hockeyunternehmen personifiziert hat.
Scheitert Kevin Schläpfer bei seinem nächsten Job, heisst es, er könne halt ausserhalb Biels so wenig leben wie der Koala ausserhalb des Eukalyptus-Waldes. Und auch dann, wenn er in Kloten arbeiten möchte, gibt es einige Hindernisse zu überwinden.
Kevin Schläpfer wird von André Rufener (46) vertreten. Einem der renommiertesten NHL-Agenten, der u. a. Nino Niederreiter, Sven Bärtschi, Luca Sbisa und Sven Andrighetto zu Millionären gemacht hat. Einer, der auf Augenhöhe mit den Bürogenerälen der wichtigsten Liga der Welt verhandelt.
So wie reiche Rechtsanwälte manchmal mittellose Klienten «pro bono» kostenlos vor Gericht vertreten, so kümmert er sich neben dem «Big Business» in der NHL auch um ein paar Freunde in der der Schweiz. André Rufener hat im «Fall Schläpfer» klare Vorstellungen: «Ein Vertrag bis Ende der nächsten Saison und mindestens so viel Lohn wie in Biel – oder eher noch mehr.»
Kevin Schläpfer wird bekanntlich noch bis Saisonende von Biel bezahlt. Einen Billig-Deal – Biel übernimmt einen schönen Teil des Salärs bis Ende Saison – wird es für Klotens Präsidenten Hans-Ueli Lehmann nicht geben. Biels Manager Daniel Villard stellt klar: «Wenn Kloten Kevin Schläpfer übernehmen will, dann wird der Vertrag mit uns aufgelöst und Kloten muss einen neuen aushandeln.» Bis am Sonntagabend hatte Daniel Villard in der Sache noch keine Anfrage der Klotener auf dem Schreibtisch.
André Rufener freut sich auf diese Vertragsgespräche. Er habe als Klotener grossen Respekt für das, was Hans-Ueli Lehmann für den EHC leiste. «Aber er hat das Gefühl, dass alles immer so zu laufen habe, wie er will. In diesem Fall geht das nicht.» Er weilt noch bis Ende Woche bei seinen NHL-Klienten in Nordamerika. Kein Problem im Zeitalter der Hosentelefone. Kevin Schläpfer wird keinen Kontrakt ohne den Segen seines Agenten unterschreiben.
Zum Knackpunkt wird das Salär. Wie viel Kevin Schläpfer in Biel verdient hat, verrät Daniel Villard nicht. Er sagt lediglich: «Kevin hat sein Einkommen bei uns im Laufe der Zeit stetig verbessert …»
Hans-Ueli Lehmann, der Präsident, der immer und überall sparen möchte, den das Geld für vier Ausländer reut, müsste Kevin Schläpfer wohl einen Bruttolohn von gut und gerne 300'000 Franken offerieren. Das wird ihm so leichtfallen wie dem Veganer der Besuch einer Metzgete.
Es geht bei der «Causa Schläpfer» für Hans-Ueli Lehmann nicht nur um Geld. Es geht auch um Eitelkeiten, Prinzipien und Glaubwürdigkeit. Immer wenn es unter Männern um Geld, Eitelkeiten, Prinzipien und Glaubwürdigkeit geht, ist die Unterhaltung gross.
Kevin Schläpfer hat kürzlich seine Situation so zusammengefasst: «Ich kann es mir nicht leisten, nächstes Jahr ohne Job und Einkommen zu sein. Aber andererseits werde ich diese Saison keinen Job annehmen, bei dem ich weniger verdiene als Biel mir bis Saisonende zahlt.»
Der Baselbieter kann es sich durchaus erlauben, noch bis im nächsten Frühjahr auf Offerten zu warten. Im Eishockey ist es wie im richtigen Leben: Es geht immer irgendwo eine Tür auf. Man muss nur bereit sein, dann durch diese Türe zu gehen. Allerdings besteht das Risiko, dass Heinz Ehlers in Langnau verlängert und schliesslich kein anderes NLA-Angebot als das aus Kloten kommt.
Hans-Ueli Lehmann ist wiederum nicht auf Kevin Schläpfer angewiesen. Auch er kann es sich leisten, noch ein wenig zu warten. Um die sportliche Existenz geht es erst im nächsten März und April. Bis dahin werden noch viele Trainer Arbeit suchen. Und er kann jederzeit irgendeinen Trainer anstellen. Er mag es sowieso nicht, wenn in den Medien steht, was er im Hockeygeschäft tun und lassen sollte.
Klotens grosser Vorsitzender pokert mit dem Hockeygott. Mit einem klugen Agenten als Croupier. Die Karten werden schon bald auf den Tisch gelegt.