Hier – ohne Gewähr – die Liste der Cheftrainer, die seit dem letzten Titelgewinn von 2006 unter Harold Kreis (er war für die Playoffs gekommen und wechselte nach der Meisterfeier nach Zürich) in Lugano gescheitert sind: Chris McSorley, Serge Pelletier, Sami Kapanen, Greg Ireland, Doug Shedden, Patrick Fischer, Larry Huras, Barry Smith, Philippe Bozon, Kent Johansson, Hannu Virta, John Slettvoll, Kent Ruhnke, Ivano Zanatta. Sie kommen aus aller Herren Hockeyländer: Kanada, Italien, Finnland, Schweden, den USA, Frankreich und der Schweiz. Es sind Männer, die sich anderorts oder später bestens bewährt haben.
Eine solch lange Liste lehrt uns: Ganz offensichtlich haben in Lugano nicht immer die Trainer versagt. Will Lugano wieder einmal «grande» werden – und in seinem Selbstverständnis ist der HC Lugano «grande» – ist Selbstkritik das Gebot der Stunde. Wenn immer der Trainer gehen muss, dann kann es keine Rückkehr zum Regenbogen des Ruhmes geben. Der grosse Albert Einstein sagte es so: «Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.» Also ist es Wahnsinn, in Lugano schon wieder den Trainer zu entlassen und zu hoffen, es werde besser.
Der tüchtige Sportdirektor Hnat Domenichelli hat am 8. Oktober 2022 Chris McSorley des Amtes enthoben, Luca Gianinazzi zum Cheftrainer ernannt und erklärt, das sei der letzte Trainer, den er engagiert habe. Also kein Trainerwechsel mehr. Er hat sich Albert Einsteins Erkenntnis zu Herzen genommen. Ein erneuter Trainerwechsel wäre Wahnsinn, der wieder nichts bringt.
Lugano steht auf dem 13. Tabellenplatz. Mit einem Team, das zumindest auf dem Papier gut genug wäre, um den Playoff-Final zu erreichen. Nur noch Ajoie ist schlechter klassiert. Die Statistik ist miserabel: Am viertwenigsten Tore erzielt und am drittmeisten Treffer kassiert. Noch nie in der NL-Geschichte von Lugano hat sich ein Trainer mit einer so miserablen Bilanz bis in die Adventszeit im Amt gehalten. Aber eben: Ein Trainerwechsel wäre – frei nach Einstein – Wahnsinn.
Also hat Sportdirektor Hnat Domenichelli eine andere Lösung gefunden: Antti Törmänen kommt als Berater für Trainer Luca Gianinazzi. Ein wenig nach dem Vorbild von Managern, die einen McKinsey-Berater ins Haus holen, wenn eine Sanierung ansteht. Macht das Sinn? Auf den ersten Blick auf jeden Fall: Antti Törmänen ist eine grosse, charismatische Persönlichkeit. Dass er Hockey kann, steht ausser Frage: als Spieler Weltmeister, als Trainer Meister mit dem SCB und Playoff-Finalist mit Biel. Und er weiss, dass es im Leben noch unendlich grössere Herausforderungen gibt als eine Hockey-Meisterschaft. Er kämpft gegen eine heimtückische Krankheit.
Luganos Saisonziel ist also das Vermeiden einer Trainerentlassung. Sozusagen die doppelte Hockey-Romantik: Zur Romantik eines Trainers aus den eigenen Reihen (wir wollen sein wie Ambri) kommt nun auch noch die Romantik (oder ist es Naivität) der Ausblendung der Verantwortung des Trainers für die sportliche Krise. Und dazu die Romantik der Selbstkritik: Lugano hat am Samstag die Ehrenveranstaltung für Régis Fuchs ein paar Stunden vorher abgesagt. Mit der offiziellen Begründung, die Leistungen der Mannschaft seien diesem Anlass nicht würdig. Einmalig in der Welt des Hockeys.
Die alles entscheidende Frage ist nun: Wird Luca Gianinazzi durch kompetente Beratung doch noch ein grosser Trainer, der Lugano «grande» machen kann? Es wäre im Interesse unseres Hockeys, wenn das möglich wäre. Denn dann müsste die Geschichte der Trainerentlassungen neu geschrieben werden. Den Trainer entlassen? Nicht nötig. Ein guter Berater genügt. So könnte viel, viel Geld gespart werden.
Aber mit ziemlicher Sicherheit muss die Geschichte der Trainerentlassungen nicht umgeschrieben werden. Ein Trainer, dessen Mannschaft aus der Spur geraten ist, kann seine Autorität durch einen noch so klugen Berater nicht zurückgewinnen. Luca Gianinazzi wird wohl den Weg gehen müssen, den schon Chris McSorley, Serge Pelletier, Sami Kapanen, Greg Ireland, Doug Shedden, Patrick Fischer, Larry Huras, Barry Smith, Philippe Bozon, Kent Johansson, Hannu Virta, John Slettvoll, Kent Ruhnke und Ivano Zanatta gegangen sind.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Was ist dann das Problem? Wer gerne polemisiert, kann nun sagen: Der Sportdirektor hat das Team nicht gut zusammengestellt. Die Ausländer und die Torhüter sind auch zu wenig gut. Und gerne gehört wird die Polemik, die Leistungskultur in Lugano sei mit zu viel Geld überdüngt worden und überhaupt sei es schwierig, unter Palmen gutes Hockey zu spielen. Aber jede Polemik greift zu kurz: Lugano war mit viel Geld und unter Palmen schon einmal «grande» und dominierte jahrelang die Liga.
Es wäre also einfach, eine kernige Polemik zu verfassen. Aber es wäre billige Polemik. Weil es einfach keine Erklärung und keine Schuldigen gibt, auf die wir mit dem Finger zeigen können. Wir wissen nicht, wer die Pyramiden tatsächlich gebaut, wir wissen nicht, wer die steinernen Köpfe auf den Osterinseln aufgestellt, wir wissen nicht, ob es Atlantis gegeben hat und wir wissen – wenn wir ehrlich sind – nicht, warum in Lugano seit dem letzten Titelgewinn von 2006 alle Trainer scheitern. Der HC Lugano ist das grösse Rätsel des Welteishockeys.
Schlimm ist, dass sie damit auch immer wieder durchkommen.