Er war einer der interessantesten Länderspiel-Neulinge aller Zeiten: Tanner Richard (24) stürmt gegen Dänemark zum ersten Mal für die Schweiz und führt gleich eine Linie mit dem WM-Silberhelden Simon Bodenmann (Bern) und dem ehemaligen NHL-Stürmer und NLA-Topskorer Damien Brunner (Lugano) an. Richard, der Bub des einstigen NLA-Kanadiers Mike Richard, hat nur minimale NLA-Erfahrung – er hat es bei den Lakers (2010/11) auf acht Spiele (ein Assist) gebracht. Im Herbst 2011 wechselt er nach Nordamerika, überzeugt zwei Jahre bei den Junioren, wird 2012 von Tampa gedraftet (Nr. 71), kommt zu drei NHL-Einsätzen (0 Punkte) und verbringt die meiste Zeit in der AHL. Dort kommt er auf respektable Zahlen (263 Spiele/147 Punkte).
Mit diesen Referenzen wird ein Kanadier ein guter NLB-Ausländer und mit etwas Glück und bescheidenen Saläransprüchen und einem guten Agenten reicht es für einen Ausländerjob in der NLA.
Aber Richard hat auch den Schweizer Pass und so ist er nun am Freitag ganz offiziell Nationalstürmer geworden. Er bleibt bei seinem Debüt noch ohne Tor und Assist. Aber er fällt mit seiner robusten, direkten Spielweise in der Centerposition auf.
Die Bezahlung in seinem jetzt auslaufenden NHL-Vertrag war mit 575'000 Dollar bescheiden. Die Hälfte dieses Gehaltes geht durch Steuern verloren. Nun ist es an der Zeit, dass er sein beachtliches Talent durch einen Transfer in die NLA, in die Liga, die inzwischen die besten Saläre ausserhalb der NHL und der grossrussischen KHL bezahlt, zum ersten Mal ordentlich «kapitalisiert.» Er hat es getan. Nach dem Spiel bestätigt er: «Ich habe für zwei Jahre bei Servette unterschrieben. Mit einer Ausstiegsklausel für die NHL.»
Den Wechsel zu Servette sieht er nicht als Erfüllung seiner Träume. Das Ziel bleibt die NHL. Mit guten Leistungen in der NLA und vor allem mit der Nationalmannschaft bei der WM will er noch einmal die Aufmerksamkeit der NHL-Manager wecken. Richard ist Chris McSorleys erster wichtiger, grosser Transfer, seit er bei Servette als Trainer abgesetzt worden ist und nur noch als Manager arbeitet – dieser Mittelstürmer war eine Rolex auf dem internationalen Transfer-Wühltisch und hätte auch sehr gut zum SCB, zu Zug, zu Ambri, zu Gottéron, zu Biel, zu Lausanne oder zu Kloten gepasst.
Richard hat gute Chancen auf einen Platz im WM-Team. Aber er muss sich bis zur definitiven Berufung noch ein wenig gedulden. Die Erleuchtung ist nach wie vor nicht über Patrick Fischer gekommen. Der Nationaltrainer wollte eigentlich am Freitag nach der zweiten Partie gegen Dänemark seine Mannschaft für die WM in Paris (erstes Spiel am nächsten Samstag gegen Slowenien) verkünden und vier Spieler nach Hause schicken.
Aber er mochte sich noch nicht festlegen. Nun wird er das WM-Team erst nach der letzten Vorbereitungspartie am nächsten Dienstag in Genf gegen Kanada verkünden. Von dort aus werden die Schweizer direkt an die WM fliegen. Eine boshafte Theorie für die Verschiebung der Nomination lautet so: Eigentlich hätte er nach der Partie in Basel auch Romain Loeffel, Cody Almond und Kevin Romy nach Hause schicken müssen. Aber alle drei spielen bei Servette und die letzte Vorbereitungspartie wird am nächsten Dienstag gegen Kanada in Genf gespielt. Da müssen die Servette-Spieler im Team bleiben. «Sie hatten schon oft gute Theorien», sagte der Nationaltrainer dem Chronisten, der ihm diese Mutmassung vortrug. «Aber diese Theorie ist keine gute …»
Nun denn: Die Ratlosigkeit des Nationaltrainers ist durchaus verständlich. Einerseits stecken die Schweizer im Niemandsland zwischen defensiver Stabilität und offensiver Sterilität fest. Andererseits hat die Mannschaft ein geringes Leistungsgefälle. Der Optimist sagt: Ein Zeichen für eine erstaunliche Ausgeglichenheit, die hoffnungsfroh stimmt. Der Pessimist sieht hingegen zu viel Mittelmass und zu wenig Qualität.
Was ist richtig? Eine Antwort auf diese Frage ist schwierig zu finden – kein Wunder also, dass sich Patrick Fischer Bedenkzeit bis zum nächsten Dienstag nach dem finalen Vorbereitungsspiel gegen die kanadischen NHL-Profis ausbedungen hat.
Gegen Russland hatten die Schweizer mit dynamischem Vorwärtsspiel überzeugt, ja phasenweise begeistert und beide Spiele gewonnen (2:1 und 2:0). Sie kassierten gegen die Russen nur ein Powerplay-Tor. Sie waren in der Vorbereitung so gut wie seit 2013 nicht mehr.
Gegen Dänemark ist diese defensive Stabilität im ersten Spiel (4:5-Niederlage) verloren gegangen. In Basel vermochte Patrick Fischer die defensive Ordnung wieder einigermassen herzustellen. In erster Linie dank einem überragenden Jonas Hiller im Tor. In zweiter Linie dank einer verbesserten Abwehrleistung. Die Schweizer arbeiteten Hockey, sie spielten es nicht. Am Ende gelang mit 2:0 das perfekte Resultat für eine Mannschaft, die Pflichthockey zelebrierte. Immerhin können wir jetzt schon sagen, dass wir mit Leonardo Genoni und Jonas Hiller in Paris zwei sehr gute Goalies haben werden.
Aber wer soll die Tore erzielen? Ausgerechnet der «WM-Wackelkandidat» Gaëtan Haas spedierte einen Abpraller zum 1:0 über die Linie und traf in den letzten Sekunden zum 2:0 ins leere Tor. Ist es dann klug, ausgerechnet auf ihn zu verzichten? Wahrscheinlich nicht. Die Linie mit dem künftigen SCB-Center und den Flügeln Denis Hollenstein und Vincent Praplan zeigte die stärkste Offensivwirkung. Und wie gut ist eigentlich Zugs Reto Suri? Es ist unmöglich, die Form des offensiven WM-Silberhelden von 2013 nach dieser einen Partie gegen Dänemark zu beurteilen.
Aber eines können wir schon jetzt sagen: Eine dritte WM-Startniederlage in Serie gegen den Aufsteiger (nach den Pleiten von 2015 gegen Österreich und 2016 gegen Kasachstan) wird es mit dieser Mannschaft am nächsten Samstag in Paris gegen den Zwerg Slowenien (Spiel um 12.15 Uhr) nicht geben.