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Eismeister Zaugg: Langnaus wichtigster Ausländer fällt aus. Na und?

Tigers Juuso Riikola, jubelt im zweiten Eishockey Playoff Viertelfinalspiel der National League, zwischen den SCL Tigers und dem Lausanne HC, am Samstag 15. Maerz 2025, in der Emmental Versicherung Ar ...
Juuso Riikola wird voraussichtlich sechs Wochen fehlen.Bild: keystone
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Langnaus «alternative Fakten» – der wichtigste Ausländer fällt aus. Na und?

Ein Team aus der unteren Tabellenhälfte kann den Ausfall eines Ausländers nicht verkraften. Punkt. Das ist Fakt. Oder doch nicht? Langnau schafft zumindest für ein Spiel beim 3:2 gegen Ambri «alternative Fakten».
13.09.2025, 13:0713.09.2025, 14:03
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Juuso Riikola ist Langnaus wichtigster Feldspieler. Er dominierte letzte Saison alle Statistiken: am meisten Eiszeit aller Langnauer. Ligaweit waren nur Ambris Tim Heed und Jesse Virtanen noch länger im Einsatz. Die beste Plus/Minus-Bilanz und am meisten Punkte der Verteidiger in Langnau.

Er ist in seinem zweiten Jahr im Emmental definitiv zum wichtigsten Feldspieler gereift und nach dem Wegzug von Vili Saarijärvi (zu Servette) muss er noch mehr Verantwortung übernehmen. Er spielt konstant auf hohem Niveau, unabhängig davon, ob es dem Team läuft oder nicht. Alle sind sich einig: Er ist Langnaus MVP. Von ihm hängt eigentlich alles ab.

Oder am Ende doch nicht? Beim Saisonstart in Rapperswil-Jona fällt er bereits nach 28 Sekunden durch eine Knieverletzung aus. Die Langnauer verlieren 1:5. Der Finne wird voraussichtlich sechs Wochen fehlen.

Allen ist klar: Es geht nicht ohne Juuso Riikola. Und es ist dringend erforderlich, so schnell wie möglich einen Ersatzausländer zu verpflichten. Sonst geht es nicht. Aber es geht doch. Langnau besiegt Ambri ohne Juuso Riikola und mit nur fünf Ausländern 3:2. Die Emmentaler sorgen für «alternative Fakten»: Es geht, entgegen allem, was eigentlich Fakt ist, sehr wohl ohne den besten Ausländer.

Die SCL Tigers sind ein Ausbildungsteam und inzwischen gehören die Trainingsbedingungen im Emmental (Infrastruktur) zu den besten im Land. Sportchef Pascal Müller hätte gern einen Ersatz für Juuso Riikola, schliesst aber einen ausländischen Ersatz allein schon aus finanziellen Gründen aus. Aber eigentlich gibt es noch einen viel besseren Grund als Geld, um auf einen zusätzlichen Ausländer zu verzichten.

Wenn ein Ausländer ausfällt, dann müssen einheimische Spieler die Lücke füllen. Logisch. Juuso Riikola beanspruchte letzte Saison durchschnittlich etwas mehr als 23 Minuten Eiszeit pro Partie. Wenn er nun fehlt, dann sind in jedem Spiel gut 23 Minuten Eiszeit neu zu vergeben. Und wenn nicht ein Ersatzausländer geholt wird, dann geht diese zusätzliche Eiszeit an Schweizer.

Das ist bei Tim Mathys (20) exakt so der Fall. Letzte Saison ist er nur für 4 Spiele mit durchschnittlich 8:53 Minuten Eiszeit in der höchsten Liga eingesetzt worden. Nun profitiert er vom Ausfall des finnischen «Verteidigungsministers» enorm: Er hat in den zwei Partien gegen die Lakers (1:5) und nun beim wundersamen 3:2 gegen Ambri mehr als eine Viertelstunde Eiszeit bekommen.

Tigers Tim Mathys, beim Eishockey-Qualifikationsspiel der National League, zwischen den SCL Tigers und dem HC Ambri-Piotta, am Freitag 29. November 2024, in der Emmental Versicherung Arena in Langnau. ...
Tim Mathys.Bild: keystone

Ob einer für die höchste Liga taugt, kann er nur im Ernsteinsatz beweisen. Und siehe da: Er taugt. Gegen Ambri kommt Tim Mathys im ersten Verteidigerpaar neben Santtu Kinnunen zum Einsatz. Er wird am Ende der Partie sogar die bessere Plus/Minus-Bilanz als der Finne haben: eine ausgeglichene. Santtu Kinnunen muss sich –1 notieren lassen. Etwas salopp auf den Punkt gebracht: Langnau hat vorübergehend Juuso Riikola verloren und Tim Mathys bekommen.

Langnaus Optimisten sagen, Tim Mathys – wie Biels Luca Christen aus Huttwil – sei Langnaus grösstes Verteidigertalent und führen weiter aus, er wäre schon letzte Saison bereit gewesen für die National League. Es habe eigentlich keine Notwendigkeit gegeben, ihn fast die ganze Saison zur Weiterbildung nach Chur ins Partnerteam zu verbannen. In der Tat erfüllt er alle Voraussetzungen: Eine NHL-Postur (190 cm, bereits über 80 kg), eine weit entwickelte Spielintelligenz und daher defensiv ebenso verlässlich wie offensiv kreativ, mental robust und läuferisch dem NL-Tempo gewachsen.

Weil Tim Mathys zu keinem einzigen Junioren-Länderspiel aufgeboten worden ist und sein Lehrjahr in Nordamerika (2023/24) nicht in einer der drei höchsten nordamerikanischen Junioren-Ligen, sondern in der NAHL (North American Hockey League) – einer US-Nachwuchs-Liga – verbracht hat, ist er unter dem Radar der hiesigen Hockey-Aufmerksamkeit durchgeflogen. Dass er in der vergangenen Saison noch nicht ins Team der SCL Tigers eingebaut worden ist, hat einen guten Grund: Einer der erfahrenen Profis hätte dann «ausgebaut» werden müssen.

Der Schneckensturm

Eigentlich könnte Langnau das Image als Ausbildungsteam mit einer ganz einfachen Erklärung massiv aufwerten: Mit der Erklärung, nie einen Ersatzausländer zu verpflichten. Denn das würde einem jungen Spieler signalisieren, der sich weiterentwickeln will: Wenn kein Ersatzausländer kommt, dann kann ich mit viel mehr Eiszeit rechnen. Im Laufe einer Saison verletzen sich ja immer mehrere Ausländer.

Was auch für den Verzicht auf einen ausländischen Ersatz spricht: Sie sind sehr oft zu wenig gut. Für den verletzten schwedischen Stürmer André Petersson (er kehrt nächste Woche aufs Eis zurück) hat Langnau den sanften Saurier Cal O’Reilly (38) verpflichtet. Der arme Kerl war, auch geplagt vom Jetlag, in den beiden Partien gegen die Lakers und Ambri vom Tempo völlig überfordert: Er bekam viel zu viel Eiszeit (16:25 Minuten) und hat nach zwei Einsätzen eine statistische Brille (0 Tore/0 Assists) und – schlimmer – zusammen mit Harri Pesonen (37) und Dario Rohrbach (27) die miserabelste Plus/Minus-Bilanz des ganzen Teams (–5).

Das Trio brachte gegen Ambri 102 Jahre Erfahrung aufs Eis und bildete den Schneckensturm. Cam O’Reilly und Harri Pesonen sind beim Saisonstart das langsamste Sturmduo der Liga. Kein Wunder, hat auch Dario Rohrbach noch nicht gepunktet: Wahrscheinlich hat es in der Neuzeit nie mehr eine Sturmformation mit einem grösseren Tempounterschied gegeben: Es war, als sei nur Dario Rohrbach auf Schlittschuhen unterwegs. Cam O’Reilly und Harri Pesonen hingegen mit Schneeschuhen.

Langnau hat mit dem Sieg gegen Ambri «alternative Fakten» in Bezug auf die Wichtigkeit der Ausländer und die Notwendigkeit von Ersatzausländern geschaffen. Hat dieser Sieg Signalwirkung für die Liga?

Eigentlich müsste das ja der Fall sein. Denn Ambri trat standesgemäss mit sechs Ausländern an und verlor trotzdem. Aber die Realität ist eine andere. Der Sieg gegen Ambri ist bloss eine wunderbare Momentaufnahme in einer von 52 Partien. So nach dem Motto: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Sobald die Langnauer wieder verlieren, kehrt die Wirklichkeit mit der Behauptung zurück: Es geht eben doch nicht ohne Ausländer.

Wenn nicht alle sechs Ausländerpositionen besetzt werden, leidet die Konkurrenzfähigkeit des Teams. Wir sind es dem Publikum und den Sponsoren schuldig, immer ein Maximum für den Erfolg zu tun. Dazu gehört nun mal in jedem Spiel der Einsatz von sechs Ausländern. Punkt. Und gemurrt wird schon, wenn es heute Abend in Zug eine Niederlage absetzen sollte.

Bei Lichte besehen ist das eigentlich barer Unsinn. Es fordert ja auch niemand, dass im Falle einer Verletzung ein guter Schweizer Spieler umgehend ersetzt wird.

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