Stell Dir vor, Arno Del Curto schreibt Hockey-Weltgeschichte und schweigt. So ist es in Prag. Österreich holt gegen Kanada im Schlussdrittel einen 1:6-Rückstand auf und verliert erst in der Verlängerung 6:7. Kanada hat also das Schlussdrittel 0:5 verloren.
Eine ähnliche Schmach auf internationalem Niveau haben die Kanadier zum letzten Mal vor mehr als 40 Jahren erlitten: Im Final um den Kanada Cup verlieren sie am 13. September 1982 im ausverkauften Forum zu Montréal (17 033 Fans) gegen die UdSSR 1:8 und das Schlussdrittel 0:5. Mit Wayne Gretzky im Team. Selbst bei den schmählichen Niederlagen bei der WM 1977 (1:11 gegen die Sowjets) und 1987 (0:9 gegen Schweden) gab es kein 0:5-Drittelsresultat. Das Mitteldrittel gegen die Russen ging 1977 «nur» 1:5 verloren.
Und nun also 0:5 im Schlussabschnitt gegen Österreich. Das Team, das von NHL-Profis getragen wird, blamiert sich gegen eine Mannschaft, die vor allem durch aktuelle und ehemalige Spieler aus unserer National League verstärkt wird (Dominic Zwerger, Peter Schneider, Kilian Zündel, Bernd Wolf, Benjamin Baumgartner, Vincenz Rohrer, Marco Rossi).
Da hätte doch Arno Del Curto sicherlich etwas dazu zu sagen. Zumal er ein Mittelungs- und Sendebedürfnis hat. Sonst hätte er ja seine überaus lesenswerte Biographie («Mit Köpfchen durch die Wand») nicht geschrieben. Aber er bestätigt per SMS knurrig: «Wir haben abgemacht, während der WM spricht nur der Chef!»
Der Chef ist sein Freund Roger Bader, seit der WM 2018 als Sportdirektor und Nationaltrainer für das Österreichische Nationalteam verantwortlich. Er spricht über das historische Spiel. «Ich habe in der zweiten Pause versucht, den Druck wegzunehmen. Wir lagen 1:6 im Rückstand. Ich befürchtete schlimmeres und sagte den Spielern: Vergesst das Resultat, spielt einfach weiter und geniesst dieses letzte Drittel. Wir dürfen vor mehr als 14 000 Fans bei einer Weltmeisterschaft gegen den Weltmeister spielen. Eine solche Gelegenheit kommt vielleicht nie wieder.»
Und was sagte Arno Del Curto in der zweiten Pause: «Nichts. Das ist immer so: Er sagt nichts in der Kabine. Er spricht während des Spiels auf der Bank mit den einzelnen Spielern.»
Und siehe da: Frei, fröhlich und froh stürmen die Österreicher und machen in den letzten 20 Minute aus dem 1:6 ein 6:6. Alle Tore erzielen ehemalige oder aktuelle Stürmer aus unserer höchsten Liga: Benjamin Baumgartner (SCB), Doppeltorschütze Peter Schneider (Ex-Bieler), Dominic Zwerger (Ambri), Marco Rossi (ex ZSC).
«Die Kanadier hatten sehr stark begonnen», sagt Roger Bader. «Es war nicht so, dass sie nach dem 6:1 offen arrogant geworden sind. Einfach etwas sorgloser im Umgang mit der Scheibe.»
Ein Puckverlust der Kanadier in der eigenen Zone ermöglichte 49 Sekunden vor Schluss den Ausgleich. Roger Bader hatte den Torhüter durch einen 6. Feldspieler ersetzt. «Aber wir kamen nur in Puckbesitz, weil wir den Mut zum Forechecking hatten.» Das verblüffende in diesem Schlussdrittel: Die Österreicher haben keine Angst mehr vor grossen Tieren und sie fräsen und forechecken gegen die Weltstars aus der NHL, als sei es ein Testspiel gegen Australien. Nun ja, wer Erfahrung aus unserer National League hat, lässt sich von NHL-Titanen nicht mehr beeindrucken.
Nie mehr seit dem 23. Februar 1947 sind die Österreicher so vom Publikum getragen worden wie bei dieser Aufholjagd gegen die Kanadier. 14'704 Frauen, Männer und Kinder treiben den Aussenseiter nach vorne. Hühnerhaut-Stimmung. Alle sind sich bewusst, dass hier und jetzt Hockey-Geschichte geschrieben wird. «Durch unsere Aufholjagd flog der Funke ins Publikum und dann vom Publikum zu uns zurück», sagt Roger Bader. Es sei sicherlich sein bisher emotionalstes Spiel als österreichischer Nationaltrainer gewesen. Er gibt aber zu bedenken: «Gewonnen haben wir noch nichts. Den Klassenerhalt müssen wir in den Partien gegen Norwegen und Grossbritannien sichern.»
Noch verrückter als die Partie gegen Kanada war nur noch das Spiel vom 23. Februar 1947 bei der WM in Prag. Schweden steht vor dem letzten Spiel eigentlich zum ersten Mal in seiner Geschichte als Weltmeister fest. Der König hat bereits sein Glückwunschtelegramm nach Prag geschickt. Aber dann verliert Schweden diese letzte Partie vor 10'000 Fans gegen Österreich 1:2. Die CSSR wird zum ersten Mal Weltmeister. Und die Schweiz verliert die sicher geglaubte Bronze-Medaille an die Österreicher.
Kehren wir noch einmal zur Frage zurück, warum Arno Del Curto selbst zu einem Jahrhundertspiel nichts sagt. Damit er nicht reden muss, verzieht er sich jeweils nach dem Spiel direkt in den Mannschaftsbus. Vielleicht ist es Aberglaube. Im Eishockey gilt nämlich: Sobald ein Maskottchen spricht, verliert es seine magische Wirkung. Arno Del Curto ist längst ein Maskottchen, ein Glücksbringer für die Österreicher geworden: Seit er als Assistent seines Freundes Roger Bader an der Bande steht, geschehen Wunder über Wunder: 2022 und 2023 gelingt sensationell der Klassenerhalt, 2022 mit einem historischen Penalty-Sieg gegen Tschechien (2:1). Und nun diese Aufholjagd gegen Kanada.
Das Staatsmotto der Habsburger war einst: «Kriege führen mögen andere, du, glückliches Österreich, heirate.» Weil sie ihr Staatsgebiet mit kluger Heiratspolitik vergrösserten. Aufs Hockey übertragen können die Österreicher heute sagen: «Teure Skandinavier und Kanadier löhnen mögen andere, du, glückliches Österreich, hast Deinen Roger und Deinen Arno.»
In Selbstüberschätzung ist KZ schon lange Weltmeister.
Die NHL machte Olimpiapause und war mit allem da was Rang und Namen hatte. Gerber Tinu aber mit einem Monstersave gegen Nash. Das Stück Bande, das Nash aus der Bande rausgerissene hat, fehlt Legenden nach noch heute.
Der einzige Kanadier der scorte war mit di Pietro ein Schweizer.
Eine nie erwartete Niederlage für die Ahornblätter.
Hoffen wir, die 🇨🇭 schreibt wieder einmal Geschichte im positiven Sinn.
Hopp Schwitz 🇨🇭