Sport
Eismeister Zaugg

Eismeister Zaugg: Der Erfolg der SCL Tigers

Tigers Dario Rohrbach, und Spielerbank jubelt beim Eishockey-Qualifikationsspiel der National League, zwischen den SCL Tigers und den ZSC Lions, am Dienstag, 16. September 2025, in der Emmental Versic ...
Die SCL Tigers konnten überraschenderweise gegen die ZSC Lions gewinnen.Bild: keystone
Eismeister Zaugg

Langnau und der Mut, alles anders zu machen

Die SCL Tigers sind das Überraschungsteam der Liga. Ihr Mut, alles anders zu machen, provoziert unter anderem die Frage: Machen Torhüter Teams oder machen Teams Torhüter? Und ist ein Plädoyer für mehr helvetisches Selbstvertrauen.
17.09.2025, 06:2717.09.2025, 12:47

Wer den besten Torhüter der Liga und MVP der Saison verliert, hat ein Problem. Eigentlich war ja klar: Stéphane Charlin war der Vater und die Mutter, der Onkel und die Tante der famosen letzten Saison der SCL Tigers (Playoff-Viertelfinals). Punkt. Stéphane Charlin hat Langnau zu einer der positiven Überraschungen der letzten Saison gemacht. Der Goalie ist der wichtigste Einzelspieler. Punkt. So wollen es die ewigen Gesetze des Hockeys. Punkt.

Daher war auch klar: Eigentlich können die SCL Tigers Charlin nur mit einem ausländischen Torhüter ersetzen. Weil es ja scheinbar keinen auch nur annähernd gleichwertigen Schweizer auf dem Transfermarkt gab, der in seinen Schuhen hätte stehen können.

Tatsächlich war die Verpflichtung eines ausländischen Goalies in Langnau ein Thema. Aber intern haben sich die Nonkonformisten durchgesetzt. Mit einer – so schien es – hochriskanten Strategie: Charlin ist durch Robin Meyer ersetzt worden. Durch einen Torhüter aus der Swiss League (Visp). Und die Rolle der Nummer eins hat wieder Luca Boltshauser übernommen, letzte Saison die Nummer zwei hinter Stéphane Charlin mit weniger als 90 Prozent Fangquote.

Tigers Goalie Luca Boltshauser, und Tigers Julian Schmutz, wehren sich gegen den Schuss von Lions Rudolfs Balcers, rechts, beim Eishockey-Qualifikationsspiel der National League, zwischen den SCL Tige ...
Gegen die Lions zeigte Luca Boltshauser eine starke Partie.Bild: keystone

Sportchef Pascal Müller und Trainer Thierry Paterlini haben den Mut, alles anders zu machen. Und siehe da: Der 16. September wird ein denkwürdiger Tag. Luca Boltshauser hext die Langnauer mit einer Fangquote von 97,37 Prozent zum Sieg über die ZSC Lions (2:1). Die erste Saisonniederlage für den Meister.

Stéphane Charlin erlebt am gleichen Abend den bittersten Moment, seit er ein Goalie-Titan geworden ist: Nach dem fünften Gegentreffer und einer Fangquote von 72,22 Prozent wird er im Derby in Lausanne ausgewechselt. Servette verliert 0:11 und die Tage von Operetten-Trainer Yorick Treille dürften bald gezählt sein.

Theo Rochette (LHC), gauche, marque un but (1:0) face au gardien Stephane Charlin (GSHC), droite, lors du match du championnat suisse de hockey sur glace de National League entre Lausanne HC, LHC, et  ...
Stéphane Charlin und Servette gingen gegen Lausanne mit 0:11 unter.Bild: keystone

Ist es vielleicht so, dass das Coaching-Team um Thierry Paterlini und die Mannschaft aus dem vergessenen Talent Stéphane Charlin den besten Torhüter der letzten Saison gemacht haben? Und nicht umgekehrt? Macht eine Mannschaft einen Torhüter und nicht der Torhüter die Mannschaft? Da ist nämlich noch etwas: Die Langnauer haben am Samstag Zug auswärts nach Verlängerung 4:3 gebodigt. Mit Robin Meyer im Tor. Die Langnauer sind für ihren Mut belohnt worden. Wer kein Risiko eingeht und alles so macht, wie es alle machen, hat als Aussenseiter keine Chance.

Und da ist noch etwas: Die Langnauer haben bereits im ersten Spiel nach 19 Sekunden mit Juuso Riikola ihren Verteidigungsminister, ihren wichtigsten Feldspieler durch Verletzung verloren und müssen noch rund 5 Wochen auf den Finnen verzichten. Ein Aussenseiter muss alle sechs Ausländerpositionen besetzen. Punkt. Die Langnauer ruinieren ihre Saison schon frühzeitig, wenn sie keinen Ersatz holen. Punkt.

Ob Mut, Weisheit oder ganz einfach Geldmangel der Grund ist, dass Sportchef Pascal Müller keinen Ersatz für Juuso Riikola verpflichtet, soll hier nicht untersucht werden. Fakt ist: Er hat keinen Ersatzausländer für seinen Verteidigungsminister geholt. Trainer Thierry Paterlini füllt die Lücke, indem er einem jungen Verteidiger eine Chance gibt, der nie ein Junioren-Länderspiel bestritten und unter dem Radar aller Sportchefs durchgeflogen ist: Tim Mathys (20) hat gegen die ZSC Lions erstmals in seiner Karriere in der höchsten Liga mehr als 20 Minuten Eiszeit bekommen. Er verteidigt seit dem Ausfall von Juuso Riikola im ersten Block neben dem Finnen Santtu Kinnunen.

Tigers Tim Mathys, links, im Kampf um den Puck gegen Lions Nicolas Baechler, rechts, beim Eishockey-Qualifikationsspiel der National League, zwischen den SCL Tigers und den ZSC Lions, am Dienstag, 16. ...
Tim Mathys im Zweikampf mit Nicolas Bächler.Bild: keystone

Das Glück kann im Eishockey zerbrechlich sein wie ein billiges Plastikspielzeug. In diesem unberechenbaren Spiel auf rutschiger Unterlage sind Wahrheiten von heute die Torheiten von morgen. Aber Langnaus Mut, die Torhüterfrage hochriskant und unkonventionell zu lösen und den verletzten wichtigsten ausländischen Feldspieler durch einen eigenen Junior und nicht durch einen weiteren Ausländer zu ersetzen, ist nicht einfach eine dem Zufall geschuldete Episode oder Kuriosität. Die Hockeygötter haben diesen Mut bereits mit drei Siegen (gegen Ambri, Zug und die ZSC Lions) belohnt.

Die Langnauer provozieren Grundsatzfragen. Erstens: Ist die «Ausländer-Gläubigkeit» in unserer Liga zu gross und inzwischen nicht mehr zeitgemäss? Die Schweizer haben zweimal hintereinander den WM-Final erreicht. Das bedeutet: Schweizer Spieler – auch solche aus der National League – sind Titanen auf höchstem internationalem Niveau. Also macht es eigentlich Sinn, beim Ausfall eines Ausländers vermehrt auf Schweizer Spieler zu setzen, statt einen Ersatzausländer zu holen.

Zweitens: Unterschätzen die Sportchefs und Coaches die Qualität unserer Talente? Ist auch da die Namensgläubigkeit und «Job-Angst» zu gross? Setzt der Coach die Routiniers und die grossen Namen ein, so wird ihm im Falle einer Niederlage zumindest niemand den Vorwurf machen, er habe nicht die vermeintlich Besten forciert. Setzt er auf Talente und verliert, dann verkürzt er in der Regel seine Amtszeit. Der Vorwurf ist ja berechtigt: Wozu löhnen wir teure Profis, wenn der Trainer sie nicht einsetzt?

Tigers Noah Meier, links, und Goalie Luca Boltshauser, im Kampf um den Puck beim Eishockey-Qualifikationsspiel der National League, zwischen den SCL Tigers und den ZSC Lions, am Dienstag, 16. Septembe ...
Die Tigers machen es vor und setzen vermehrt auf Spieler aus der Schweiz.Bild: keystone

Die Aufwertung der Schweizer Spieler, die Verringerung der «Ausländergläubigkeit», der Mut, den eigenen Talenten vermehrt eine Chance zu geben – gerade auch bei den Torhütern! –, kann die wertvollste Dividende der WM-Finals von 2024 und 2025 werden. Eigentlich logisch: Wenn Schweizer um den WM-Titel spielen, dann gibt es keinen Grund mehr, immer und in jedem Fall von Finnen, Schweden, Tschechen oder Kanadiern mehr zu erwarten als von unseren eigenen Spielern. Bitte mehr helvetisches Selbstvertrauen! Es ist Zeit, die Ausländer als das zu sehen, was sie sind: Spieler in einem Team, mit Stärken und Schwächen wie die Schweizer auch. Denn dieser Grundsatz galt schon immer und wird immer gelten: Hockey ist der letzte wahre Teamsport und Namen – egal, woher sie kommen – sind nur auf den Dress genähte Buchstaben.

  • Stürmer
  • Verteidiger
  • Torhüter
Player Image

Nation Flag

Aktuelle
Note

info
  • 7

    Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.

  • 6-7

    Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.

  • 5-6

    Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.

  • 4-5

    Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.

  • 3-4

    Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.

  • Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.

Punkte

Goals/Assists

Spiele

Strafminuten

  • Er ist

  • Er kann

  • Erwarte

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
HCD, SCB, ZSC und? Diese Klubs wurden schon Schweizer Hockey-Meister
1 / 13
HCD, SCB, ZSC und? Diese Klubs wurden schon Schweizer Hockey-Meister
HC Davos: 31 Titel, 6 seit 1986; zuletzt Meister: 2015.
quelle: keystone / ennio leanza
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Despacito mit Eishockey-Spielern
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
38 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
38
Greg Louganis schlägt sich den Kopf am Brett an und wird trotz fünf Stichen Olympiasieger
19. September 1988: Der US-Amerikaner Greg Louganis ist der grosse Favorit auf den Olympiasieg vom 3-Meter-Brett. Doch er droht nach einem Unfall schon in der Qualifikation zu scheitern – und er hat Angst, dass er andere mit dem HI-Virus angesteckt hat. Am Ende gibt es ein Happy End in allen Belangen.
Ein Jahrzehnt lang ist Greg Louganis der wohl beste Wasserspringer der Welt. Er ist fünffacher Weltmeister und triumphiert 1984 an den Olympischen Spielen von Los Angeles mit dem Double vom 3-Meter-Brett und vom 10-Meter-Turm. Jedem ist klar: Der Weg zu Gold in Seoul führt über Louganis.
Zur Story