Er hat als «Bandengeneral» den Stanley Cup gewonnen und das Kommando bei über 1000 NHL-Partien geführt. 1995 ist er, mit 34 in seiner ersten Saison, als NHL-Cheftrainer gleich zum Coach des Jahres gewählt worden. 1998 befehligte er eine historische Mission. Er coachte in Nagano die erste kanadische NHL-Auswahl bei Olympischen Spielen. Vielleicht machen gerade diese Referenzen die Differenz zu seinem Vorgänger Rikard Grönborg aus, den er am 28. Dezember 2022 bei den ZSC Lions abgelöst hat: Marc Crawford strebt nicht mehr nach Jobs und Ruhm in der NHL. Er ist bei seinem zweiten Gastspiel bei den ZSC Lions am Ort seiner Bestimmung angekommen.
Er benutzt oft das Wort «Kids», wenn er von den jungen Spielern aus der ZSC-Organisation spricht. Gefühlt fast so wie ein Grossvater von seinen Enkeln. Er sagt, er setze auf den Enthusiasmus, die Begeisterung der jungen Spieler. «In einem Team braucht es beides: die Erfahrung der Veteranen und die Jungen.» Das sagen zwar fast alle Coaches. Aber so konsequent wie Crawford setzen diese Erkenntnis nicht alle um.
Gegen Biel (4:2) beschert er Daniel Olsson, einem Dänen mit Schweizer Lizenz, den ersten Einsatz in der höchsten Liga. Meistens neben Jesper Frödén und Juhko Lammikko überlässt er ihm 12:30 Minuten Eiszeit. Eigentlich hätte Olsson gleichentags für die GCK Lions in La Chaux-de-Fonds stürmen sollen.
Doch nach dem Warm-up kommt beim Mittagessen der Anruf. Es heisst: Taschen packen und in die ZSC-Kabine zügeln. «Ich war überglücklich, spürte unglaubliche Emotionen und wollte sofort meine Eltern, Grosseltern und Freunde informieren», erzählt der Neuling, der im Alter von neun Jahren mit seinen Eltern in die Schweiz zog, dem Chronisten des «Tages Anzeiger» in den Katakomben des Zürcher Hockey-Tempels. Die Nervosität habe sich nach dem Aufwärmen gelegt. «Nach dem ersten Einsatz spielst du einfach Eishockey. Und ehrlich gesagt: Neben Frödén und Lammikko zu spielen, ist nicht schwierig. Sie helfen dir. Du brauchst bloss den Pass zu spielen.»
Marc Crawford weiss, warum er Olsson für die Partie gegen Biel zum ersten Mal ins Team geholt hat. Er rühmt die läuferischen Fähigkeiten des robusten Powerflügels (87 Kilo, 187 Zentimeter). Marc Crawford kennt die «Kids» in der ZSC-Organisation. Er sagt, er tausche sich intensiv mit Marco Bayer aus, dem Cheftrainer des Farmteams. Er begnügt sich nicht mit dem Video-Studium der Partien der GCK Lions. Wenn immer möglich, begibt er sich ins Stadion und bedauert: «Leider erlaubt der Spielplan nicht mehr Matchbesuche».
Die ZSC Lions dominieren die ausgeglichene Liga. Das ist selbst für einen Titelverteidiger in dieser Liga keine Selbstverständlichkeit. Der «Meister-Blues» geht oft einher mit Genügsamkeit und einer gewissen Arroganz. Erfolg ist manchmal schwieriger zu verarbeiten als eine missglückte Saison. Dass es Crawford gelingt, den Meister in Schwung zu halten, liegt nicht nur an seiner fordernden Art, seiner natürlichen Autorität und seinem Charisma.
Eine wichtige Rolle spielt dabei sein Mut, den jungen Talenten Vertrauen zu schenken. Im Laufe dieser Saison sind bereits Jan Schwendeler (20), Alessandro Segafredo (20), Livio Truog (20), Marion Graf (21), Joel Henry (21), Timo Bünzli (19) und nun eben auch Daniel Olsson (19) zum Zuge gekommen. Seine Philosophie bringt der Kanadier auf den Punkt: «Die Jungen können sich nur weiterentwickeln, wenn sie spielen dürfen.» So einfach und wahr – und doch haben so viele Coaches nicht die Courage, diese Philosophie umzusetzen.
Die ZSC Lions leisten sich als einzige Organisation im Land ein eigenes Farmteam (GCK Lions), und ihre Nachwuchs-Abteilung ist eine der grössten und besten in Europa. Die Ausbildung gehört ebenso zur DNA der ZSC Lions wie das konsequente Bekenntnis zum Spitzensport, zu den meisterlichen Ambitionen. Es ist nicht einfach, beides – Förderung der jungen Talente, spielen um den Titel – umzusetzen. Marc Crawford hat diese DNA verstanden, er schafft diesen Spagat wie keiner seiner Vorgänger und besser als bei seinem ersten Gastspiel in Zürich (2012 bis 2016). So ist er zum Glücksfall für die ZSC Lions geworden.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
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