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Hockey-WM: Eismeister Zaugg analysiert die Schweizer Final-Niederlage

Switzerland's goaltender Leonardo Genoni reacts after the victory of the team USA during the gold medal game between Switzerland and USA at the IIHF 2025 World Championship, at the Avicii Arena ( ...
Leonardo Genoni war beinahe unbezwingbar – dennoch reichte es nicht für WM-Gold.Bild: keystone
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«Silberhelden» – aber nicht für die Ewigkeit

Drama ohne Happyend. Auch Leonardo Genoni, zum MVP des Turniers gewählt, kann die 0:1-Finalniederlage nicht verhindern. Kein Grund zur Resignation. Die WM 2025 liefert Grund zur goldenen Hoffnung.
25.05.2025, 23:3326.05.2025, 00:45
klaus zaugg, stockholm
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Nicht einfach ein hochklassiges, intensives Spiel. Ein Drama. Eines der grossen Dramen unserer Sportgeschichte endet mit einer der dramatischsten Niederlagen. In der Verlängerung verlieren die Schweizer gegen die USA 0:1. Die Amerikaner sind erstmals seit 1960 wieder Weltmeister. Wir immer noch nie. Die vierte Finalniederlage nach 2013, 2018, 2024 und 2025.

Dieser Final ist von allem Anfang an ein intensives offensives «Abnützungsspiel». Beide Teams auf den Zehenspitzen, bereit jede Gelegenheit zum Gegenstoss zu nützen. Aber die defensiven Wagenburgen bleiben intakt. Die Amerikaner werden immer besser – Torschussverhältnis 11:11 im ersten, 17:9 im zweiten und 11:4 im dritten Drittel – aber die helvetische Abwehr biegt sich unter dem Druck nur. Sie bricht nicht. Vorerst nicht. Nicht bei fünf gegen fünf Feldspieler. Aber dann, in der Verlängerung nach 122 Sekunden bei drei gegen drei.

Team USA celebrates after winning the final match between United States and Switzerland at the ice hockey world championships in Stockholm, Sweden, Sunday, May 25, 2025. (AP Photo/Petr David Josek)
Sw ...
Amerikanische Jubeltraube nach dem Tor in der Verlängerung.Bild: keystone

Hatten die Amerikaner den besseren Goalie? Nein. Ganz sicher nicht. Leonardo Genoni hat eine der besten Partien seiner Karriere gespielt und auch den Penalty von Conor Garland beim Stand von 0:0 pariert (26. Minute) und im Viertelfinal, Halbfinal und Final nur einen einzigen Treffer kassiert. Zu Recht wird er zum MVP, zum wertvollsten Spieler überhaupt des Turniers gewählt. Hatten sie die besseren Verteidiger? Nein. Hatten sie die besseren Stürmer? Nein. Hatten sie das bessere taktische Konzept? Nein. Wurden sie besser gecoacht? Nein. Hatten sie mehr Energie? Ein bisschen, ja. Aber auch das war nicht ausschlaggebend.

Am letzten Tag haben wir eine bittere Enttäuschung erlebt. Aber in der Niederlage erkennen wir auf den goldenen Keim für die Zukunft.

Was am Ende die Differenz ausmachte, war etwas, das diesem unberechenbaren Spiel auf rutschiger Unterlage seit Anbeginn der Zeiten innewohnt. Der Faktor X. Das Glück. Die Differenz war nicht spielerischer oder taktischer Natur.

Mehr denn je hat dieser Final gezeigt: Eishockey ist mehr als Sport und Spiel. Eishockey ist Drama, Adrenalin, Leidenschaft. Wenn ein Millimeter oder eine Millisekunde ein Spiel entscheiden kann – dann kann der Faktor X, dann kann das Glück entscheidend sein.

Switzerland's forward Andres Ambuehl reacts after the victory of the team USA during the gold medal game between Switzerland and USA at the IIHF 2025 World Championship, at the Avicii Arena (Glob ...
Andres Ambühl verabschiedet sich von der Hockey-Bühne.Bild: keystone

Aus gutem Grund wird hier der Faktor Glück erwähnt. Die Schweizer haben alles richtig gemacht. Es waren nicht Fehler, es war die Laune der Hockeygötter, die zur Niederlage geführt haben. Das bedeutet: Weiter so!

Das Jahr 2025 ist auch mit WM-Silber das beste Jahr unserer Hockeygeschichte. Servette und die ZSC Lions haben die zwei letzten Austragungen der Champions League gewonnen und die Nationalmannschaft zum zweiten Mal hintereinander den WM-Final erreicht. Die Schweizer waren dazu in der Lage, die Absenz von Roman Josi und Nico Hischier im Laufe des Turniers zu kompensieren.

Die Spieler aus der heimischen National League haben an diesem Silber mehr Anteil als 2018 und 2024. Unsere heimische Liga ist eine der besten der Welt. Und die vor drei Jahren eingeführte neue Ausländer-Regelung (Erhöhung von vier auf sechs Ausländer) wirkt sich positiv aufs WM-Team aus. Weil die besten Schweizer im Training und im Spiel durch die ausländische Konkurrenz stärker gefordert werden. Die National League ist inzwischen so gut, dass sie einen schönen Teil eines Silber-Fundamentes sein kann.

Noch nie haben die Schweizer bei einer WM so schnell, intensiv und kreativ gespielt. Sie waren, auch begünstigt durch die Umstände, das offensiv beste Team des Turniers. Sie prägen mit ihrem Stil das internationale Hockey.

Patrick Fischer, head coach of Switzerland national ice hockey team reacts after the victory of the team USA during the gold medal game between Switzerland and USA at the IIHF 2025 World Championship, ...
Patrick Fischer hat eigentlich alles richtig gemacht.Bild: keystone

Es gibt allen Grund, stolz auf die WM 2025 zu sein. Aber keinen Grund zur Selbstzufriedenheit. Die Enttäuschung, so knapp vor dem Ziel gescheitert zu sein, muss im September, wenn die neue Saison beginnt, grösser sein als die Genugtuung. Mit dieser Einstellung werden wir früher oder später Weltmeister. Vielleicht schon im nächsten Frühjahr in Zürich.

Patrick Fischer ist der Visionär, der als erster das Ziel WM-Titel formuliert hat, und er ist der Leitwolf, den die Schweizer auf den letzten Metern zum Gipfel brauchen.

Gibt es Spieler, die zu kritisieren sind? Spieler, die ganz besonderes Lob verdienen? Kritik – nein. Lob – ja. Das grösste für Leonardo Genoni. Die Schweizer haben wie vielleicht noch nie den Beweis erbracht, dass Namen nur auf dem Dress aufgenähte Buchstaben sind. Jeder hat aus seinen Möglichkeiten dort, wo er eingesetzt worden ist, sein Maximum herausgeholt. Es gibt keine Versager.

«Silberhelden». Aber nicht für die Ewigkeit. Mit Ausnahme von Deutschland haben bisher alle Teams, die den Final erreicht haben, auch mindestens einmal den Titel geholt. Mit dem gleichen Willen und der gleichen Leidenschaft, die diese Mannschaft bis ins Finale gebracht hat, kann sie auch noch den letzten, schwierigen Weg zum Gipfel schaffen. Mit der Erfahrung aus nunmehr vier verlorenen WM-Finals werden die Schweizer das nächste Finale nicht mehr verlieren. Wenn möglich in einem Jahr bei der WM 2026 in Zürich.

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Nati-Goalie Leonardo Genoni mit Tränen in den Augen: Erneut verliert die Schweiz einen WM-Final.

quelle: keystone / salvatore di nolfi
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Despacito mit Eishockey-Spielern
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