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Eismeister Zaugg

Eismeister Zaugg: EHC Biels Sieg fürs Gemüt und für die Zukunft

Biels Spieler feiern ihren Sieg im Eishockey Qualifikationsspiel der National League zwischen dem EHC Biel und dem HC Fribourg Gotteron, am Dienstag, 31. Oktober 2023, in der Tissot Arena in Biel. (KE ...
Biel spielte gegen Gottéron jederzeit auf Augenhöhe und dominierte sogar statistisch mit 24:19 Torschüssen.Bild: keystone
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Biels Sieg fürs Gemüt und für die Zukunft

Ein grosser Sieg, der zeigt, wie Biels Zukunft aussehen kann: Beim Triumph über Tabellenführer Gottéron (2:1 n.V) spielten die «Nobodies» eine wichtige Rolle. Es gibt für Biel auch eine Zukunft mit weniger grossen Namen.
01.11.2023, 04:4801.11.2023, 16:10
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Biels sturmerprobter Sportchef Martin Steinegger wird in diesen Tagen immer wieder nach Transfer-Wasserstandsmeldungen gefragt: Bleibt Yannick Rathgeb? Verlängert Mike Künzle? Was macht Tino Kessler? Nun dreht er den Spiess um: «Die Frage könnte doch auch lauten, ob wir überhaupt mit diesen Spielern verlängern wollen.» Eine Aussage, die nicht ganz ernst gemeint scheint. Und doch eine Wahrheit enthält.

Inzwischen ist klar: Mit dem verlorenen Final von 2023 ist eine Ära zu Ende gegangen. Der EHC Biel steht nach Jubeljahren vor einer Phase des Umbruches. Der Sportchef sagt: «Dieses Auf und Ab gehört zu den Gesetzmässigkeiten in unserem Sport.» Er hat den Aufstieg der Bieler vom Abstiegskandidaten zum Finalisten mitgeprägt. Als Spieler, später als Sportchef. Er gibt zu bedenken: «Wir haben bewiesen, dass sich Spieler bei uns entwickeln können.» Und meint gerade Mike Künzle oder Tino Kessler. Beide sind als Ergänzungsspieler gekommen und haben sich erst in Biel in die Businessklasse der Liga gespielt. Nun kapitalisieren sie ihr Talent.

Der Spruch mag uralt sein. Aber er enthält eine ewige Wahrheit: Namen sind nur aufs Dress genähte Buchstaben. Gegen Tabellenführer Gottéron fehlen bei Biel unter anderem Captain Gaëtan Haas, die Stürmer Fabio Hofer, Luca Hischier, Luca Cunti und Damien Brunner. Die Personalnot ist so gross, dass Verteidiger Robin Grossmann erneut Mittelstürmer spielen muss. Theoretisch ist es fast unmöglich, diese Absenzen ausgerechnet gegen den Leader zu verkraften.

Aber Biel spielt gegen Gottéron jederzeit auf Augenhöhe und dominiert sogar statistisch mit 24:19 Torschüssen. Den Treffer zum 1:0 zelebrieren mit Ramon Tanner (24) und Luca Christen (25) zwei «Hinterbänkler»: Ramon Tanner kam diese Saison bisher durchschnittlich auf weniger als 10 Minuten Eiszeit pro Partie und Luca Christen sass zeitweise auf der Tribüne. Nun war er gegen Gottéron mit 19:19 Minuten Eiszeit ein Schlüsselspieler und verteidigte meist mit Noah Delémont (21), der im Herbst auch schon mehrmals auf die Tribüne verbannt worden ist.

Eine einzelne Partie Ende Oktober ist wie die Schwalbe, die noch keinen Playoff-Sommer macht. Und doch: Das Biel, das mit so vielen vermeintlichen «Hinterbänklern» und wichtigen Absenzen soeben Gottéron gebodigt hat, kann das Biel der Zukunft sein. Dieser Sieg ist gut fürs Gemüt und die Zukunft, weil diese Partie gezeigt hat, wie die Aus- und Weiterbildung von jungen Spielern möglich ist. Unabdingbar ist ein Weltklassetorhüter wie Harri Säteri (Fangquote gegen Gottéron: 94,75 Prozent), sind Ausländer, die ein Team zu tragen vermögen wie Verteidiger Alexander Yakovenko (gegen Gottéron 24:49 Minuten Eiszeit) und Stürmer wie Toni Rajala (erzielte den Siegestreffer in der Verlängerung) oder Jere Sallinen. Die beiden finnischen Stürmer schulterten über 20 Minuten Eiszeit.

Nicht in jedem Fall blockieren sechs Ausländer die Entwicklungsmöglichkeiten von jungen Spielern. Zurzeit ist es eher so, dass es sich Biel gerade dank seiner Ausländer leisten kann, in einer schwierigen Zeit jungen Spielern Verantwortung zu übertragen.

Der Finalist und Zweite der Qualifikation in der letzten Saison (punktgleich mit Meister Servette) muss auf dem drittletzten Platz um die Playoffs bangen. Trotzdem war die Arena bei den letzten beiden Heimspielen gegen Schlusslicht Ajoie (4:3 n.P) und nun Leader Gottéron (2:1 n.V) bis auf den letzten Platz gefüllt. Der meisterliche Ruhm ist längst verblasst (letzter Titel 1983). In Biel lebt das Publikum nicht allein vom Resultat. Wenn mit Leidenschaft und Mut gespielt, gelitten und gekämpft wird, sind die Fans zufrieden. Biel ist heute in der DNA St. Pauli näher als Bayern München.

Das Problem ist nicht, ob es gelingt, auch mit Mike Künzle, Yannick Rathgeb oder Tino Kessler zu verlängern (Rathgeb entscheidet sich zwischen Biel und Gottéron). Es sind Abgänge, die Biel in einer Phase des «Rebuilding» verkraften kann (oder könnte), und es ist gar nicht möglich, mit allen Titanen, die auslaufende Verträge haben, zu Marktpreisen zu verlängern. Die Mannschaft würde eine Million teurer und nicht besser. Martin Steinegger wird deshalb nicht mit allen verlängern.

Entscheidend ist das «Korsett» für diesen Neuaufbau: auf der Ausländerposition ein Weltklassegoalie (also Harri Säteri), mindestens ein weit überdurchschnittlicher Verteidiger (wie Alexander Yakovenko), ein solider Mittelstürmer (wie Jere Sallinen) und ein Kunstschütze (wie Toni Rajala). Dazu ein charismatischer einheimischer Leitwolf (wie Captain Gaëtan Haas). Dann ist es möglich, junge oder andernorts verkannte Spieler weiterzuentwickeln und in drei bis vier Jahren wieder ein Spitzenteam mit Finalchancen zu sein. Bereits im aktuellen Team stehen Spieler, die ihr Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft haben, in der Nachwuchsorganisation gibt es einige vielversprechende Talente (die zum Teil in ausländischen Ligen spielen) und Martin Steinegger hatte schon immer ein gutes Gespür für anderswo unterschätzte Spieler.

Biel wird im Frühjahr 2024 nicht Meister und es ist nicht einmal sicher, dass die Bieler die Playoff-Viertelfinals erreichen. Aber die aktuelle Krise trägt den Keim einer vielversprechenden Zukunft. Nach dem welschen Motto: «Reculer pour mieux sauter.»

PS: Der Trainer muss natürlich auch zur ganz besonderen Kultur der Bieler passen. Auch diese Saison.

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22 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Padruig
01.11.2023 06:58registriert September 2015
wurde auch langsam zeit, dass eine berner manschaft berücksichtig wird hier
*ironieoff*
4010
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JtotheP
01.11.2023 06:47registriert Februar 2018
Bis auf den letzten Platz gefüllt? Gestern hatte es mehr leere Plätze als bei einer Sonntagsmesse.
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